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Demonstration Judenhass mitten in Berlin – Wir dürfen hierzu nicht schweigen

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Die gesamte Demonstration am Samstag war geprägt von extremer Pressefeindlichkeit. Immer wieder wurden Journalist:innen beschimpft und angegriffen. (Quelle: KA)

Am Samstag, dem 23. April, kam es in Berlin auf einer Anti-Israel-Demonstration zu antisemitischen Sprechchören und gewaltsamen Übergriffen auf Journalist:innen. Der Veranstalter, „Palästina spricht“, erwähnt in einem Statement nach der Demonstration die Gewalt mit keinem Wort, sondern spricht von einer „rechten, rassistischen Medienlandschaft“, die die Demonstration „in den Schmutz ziehen“ wollen. Jörg Reichel, Geschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Berlin-Brandenburg, ist angesichts des Statements sprachlos.

Derzeit finden wieder vermehrt israelfeindliche Demonstrationen in Berlin in Solidarität mit Palästinenser:innen und gegen den Staat Israel statt. Auslöser sind die Ausschreitungen rund um die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt. Während die vorigen Proteste überwiegend von arabisch nationalistischen Veranstalter:innen geplant wurden, fand am Samstag in Berlin eine Demonstration eines sich als antirassistischen Bündnisses verstehenden Vereins statt. Es kam zu Gewalt gegenüber Journalist:innen und antisemitischen Sprechchören.

Um 16 Uhr startete der Protest unter dem Motto „Gegen die anhaltende Enteignung der Palästinenser in Jerusalem und extreme Gewalt gegen die Palästinensische Zivilbevölkerung“ mit rund 400 Teilnehmenden am Kreuzberger Oranienplatz. Von Kreuzberg nach Neukölln wuchs die Demo über die Zeit auf rund 600 Personen an. Zum Protest aufgerufen hatte am Samstag der Verein „Palästina spricht“. Im Unterschied zu den anderen Protesten war das Personen-Spektrum hier deutlich gemischter. So liefen hier viele arabischstämmige Menschen mit, aber auch viele weiße Menschen, offenbar aus dem Anti-Rassismus-Milieu. So beispielsweise eine Gruppe der Berliner Linksjugend „solid“. 

„Palästina spricht“ unterstützt die antisemitische BDS-Bewegung, die Israel mit Boykott-Bestrebungen bekämpfen will, und gibt sich als „Koalition für palästinensische Rechte und gegen jede Form von Rassismus“. Der Verein präsentiert sich so als Partner eines linken, antikapitalistischen, antiimperialistischen und rassismuskritischen Milieus.

Antisemitische Gesänge: „Intifada bis zum Sieg“, „Kindermörder Israel“

Immer wieder waren während des Demo-Zugs Sprechchöre zu hören, die der Terrororganisation Hamas huldigen oder die zur Auslöschung des Staats Israels aufrufen, wie „Stoppt die Waffen, stoppt den Krieg, Intifada bis zum Sieg“. Die erste (1987) und zweite Intifada (2000) beschreiben gewaltsame Aufstände und Terrorismus gegen jüdische Israelis. Im Rahmen der beiden Intifadas wurden unter anderem Sprengstoffanschläge und Angriffe mit Schusswaffen begangen. Der Ruf „Intifada bis zum Sieg“ richten sich gegen das Existenzrecht Israels.

Die am Samstag oft gerufene Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ (Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein) fordert ebenfalls die Auslöschung Israels. Mit Fluss ist der Jordan gemeint, der östlich von Israels Staatsgebiet verläuft, mit dem Meer das Mittelmeer, das im Westen an Israel grenzt. Die Parole negiert das Existenzrecht Israels als jüdischen Schutzstaat. Auch die Parole „Kindermörder Israel“ riefen Demonstrierende am Sonnabend. Der Slogan erinnert nicht zufällig an die  mittelalterliche Ritualmordlegende, eine alte judenfeindliche Verschwörungserzählung.

Pressefeindlichkeit: „Drecksjude“ und „Zionisten“

Die gesamte Demonstration war geprägt von extremer Pressefeindlichkeit. Immer wieder wurden Journalist:innen beschimpft und angegriffen. Journalisten seien getreten, geschubst, geschlagen und bespuckt worden, konkretisierte Jörg Reichel von der dju, der innerhalb der letzten beiden Wochen fünf Palästina-Solidaritäts-Demonstrationen beobachtet hat. Mehrfach wurden am Samstag Medienvertreter:innen antisemitisch beleidigt, etwa als „Drecksjude“ und „Zionisten“. Die Polizei habe oftmals nicht auf Hilferufe der Journalist:innen reagiert. Ein Pressevertreter wurde auf Wunsch des Veranstalters wegen angeblicher Provokationen von der Polizei ausgeschlossen. „Die Hemmschwelle zu Gewalt war am Samstag erschreckend niedrig, gleichzeitig war die Solidarität mit den Tätern groß. Das ist ein riesengroßes Problem und das müssen wir benennen und bearbeiten“, so schildert Reichel sein Erlebtes von Samstag gegenüber Belltower.News. Diese aggressive Stimmung gegenüber Journalist:innen habe „eine neue Qualität“.

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Am Sonntag gab die Polizei Berlin bekannt, dass sie mehrere Strafverfahren gegen Teilnehmer:innen der Demonstration eingeleitet hat, unter anderem wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Volksverhetzung. Beamt:innen wurden nach Darstellung der Polizei mit Plakaten und Holzstangen beworfen. Zwei Tatverdächtige konnten noch vor Ort festgenommen werden. Die Ermittlungen zu weiteren Tatverdächtigen dauern an. Nach Beendigung der Demonstration kam es zu einer Massenschlägerei unter ehemaligen Teilnehmern.

Veranstalter spricht von einer „rechten, rassistischen Medienlandschaft“

Im Nachgang veröffentlichte der Verein „Palästina spricht“ ein Statement. Allerdings distanzieren sie sich darin weder von den antisemitischen Rufen noch von der Gewalt, die von einigen Demonstrationsteilnehmer:innen ausging. Stattdessen spricht der Verein von einer „rechten, rassistischen Medienlandschaft“, die „die Knüppel und Gewehre der israelischen Besatzungstruppen“ sind. „Pressefreiheit bedeutet für diese rassistischen sogenannten ‚Journalisten‘ nur ihre Freiheit, uns Palästinenser*innen zu unterdrücken und zu verleumden.“

Ein Statement, das fassungslos macht auch Jörg Reichel. Gegenüber Belltower.News spricht Reichel von einer kompletten Ablehnung der Pressefreiheit der Veranstalter. „Es ist das gute Recht von ‚Palästina spricht‘, Journalist:innen zu kritisieren. Sie jedoch als Rassisten und Knüppel und Gewehre der israelischen Besatzungstruppen zu bezeichnen, die die Pressefreiheit nur nutzen würden, um Palästinenser:innen zu unterdrücken, ist Hetze gegen Journalist:innen.“ Es sei ein weiterer Beleg für den Antisemitismus der Veranstalter, meint der Geschäftsführer der dju in ver.di Berlin-Brandenburg.

Wir dürfen Antisemitismus nicht tolerieren, egal von welcher Seite er kommt. Wir dürfen auch Judenfeindlichkeit aus migrantischen, sprich arabischen, Communitys nicht tolerieren. Wenn wir dies tun, überlassen wir das Feld rechten Scharfmacher:innen, die dieses Thema gerne instrumentalisieren, um ihre rassistischen und muslimfeindlichen Ideologien zu verbreiten. Daher darf auch die linke Szene bei solchen Vorfällen nicht schweigen. Auch, wenn solche Demonstrationen unter dem Vorwand des gemeinsamen Kampfes gegen Rassismus stattfinden. Wenn antirassistische Räume und Orte keine sicheren Orte für Jüd:innen sind, dann sind sie weder Safe Spaces noch progressiv, sondern geprägt von Antisemitismus.

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