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Baden-Württemberg 2018 AfD, rechte Betriebsratsliste und einflusslose, aber gefährliche Neonazis 

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Eine Kundgebung der "Jungen Alternative" im Mai 2018 in Stuttgart. (Quelle: L. Teidelbaum)

 

Maßgeblicher Akteur der extremen Rechten in Baden-Württemberg im Jahr 2018 war die AfD, die seit März 2016 im Landtag von Baden-Württemberg sitzt. Mit Christina Baum war eine der AfD-Landtagsabgeordneten in die Organisation der extrem rechten Demonstrationen im kleinen Ort Kandel im benachbarten Rheinland-Pfalz involviert. Sie war nicht nur Rednerin, sondern auch Anmelderin der Demonstration in Kandel am 3. März 2018. Ihre Landtagsadresse fungierte als Impressum von „Kandel ist überall“, ein Bündnis, welches auch schon Berlin und Wien mit Demonstrationen ‚beehrte‘.

Die kurzzeitig mehreren tausend rechten Demonstrierenden in Kandel Anfang 2018, ein wilder Mix aus Stiefelnazis und Wutbürger*innen, kamen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch aus Baden-Württemberg.

Die AfD traut sich auf die Straße

Lange hatte die Südwest-AfD selbst die Finger von Demonstrationen gelassen und sich nicht versucht als Bewegungspartei zu inszenieren. Im Jahr 2018 versuchte sie das nachzuholen, so dass die größten rechten Demonstrationen im Südwesten auf das Konto der AfD gingen:

  • Am 12. Mai 2018 fand in Stuttgart-Feuerbach eine Kundgebung gegen einen Moscheebau mit 120 Personen statt.
  • Am 2. Juni 2018 fand in Bruchsal (Kreis Karlsruhe) eine AfD-Kundgebung mit Björn Höcke als Stargast mit 500 Personen statt.
  • Am 7. Juli 2018 fand in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) eine AfD-Kundgebung gegen den Neubau einer Moschee mit 100 Personen statt.
  • Am 18. August 2018 fand in Offenburg (Ortenaukreis) eine Kundgebung mit 300 Personen statt.
  • Am 22. September 2018 fand in Ellwangen (Ostalbkreis) die AfD-Kundgebung gegen die örtliche Landeserstaufnahmestelle mit 150 Personen statt.
  • Am 29. Oktober 2018 fand in Freiburg eine JA-Kundgebung mit 400 Personen statt.
  • Am 8. Dezember 2018 fand in Stuttgart eine AfD-Demonstration „gegen die Abschaffung Deutschlands“ mit 40 Personen statt.

Allerdings nahmen an den jeweiligen Gegendemonstrationen immer mehr Menschen teil.

Die baden-württembergische AfD, die im Juli 2018 ihr fünfjähriges Bestehen feierte, ist eindeutig die stärkste Kraft im extrem rechten Lager. Anders als ihre Konkurrenz verfügt die AfD auch über ausreichend Ressourcen. Um noch mehr Staatsmittel zu erhalten hat die AfD bereits im Dezember 2017 eine eigene Landesstiftung, die „Gustav-von-Struve-Stiftung e.V.“, gegründet. Selbst bezeichnet sich die Stiftung als „Keimzelle konservativen freiheitlichen Denkens in Baden-Württemberg“. Benannt ist die Stiftung nach Gustav Struve (1805-1870), einem 1848er Revolutionär, der als  Frühsozialist gilt und sich wegen dieser Instrumentalisierung vermutlich im Grab umdrehen würde.

Unter den Gründungsmitgliedern dieser als Verein registrierten Stiftung findet sich im Vereinsregister auch der Name Laurens Nothdurft. Nothdurft ist seit Juni 2017 parlamentarischer Berater der AfD-Landtagsfraktion und eines von mehreren Beispielen für Mitarbeiter*innen mit Vergangenheit in der neonazistischen Rechten. Laurens Nothdurft war zeitweise stellvertretender Bundesführer der neonazistischen „Heimattreuen Deutschen Jugend“, die im März 2009 durch den damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit sofortiger Wirkung verboten wurde.

Als besonderen Zugang feierte die AfD im März 2018 den Beitritt von Harry Ebert, bis dato parteiloser Bürgermeister des kleinen Ortes Burladingen (Zollernalbkreis). Damit hat die AfD ihren ersten Bürgermeister, auch wenn dieser nicht als AfD-Mitglied gewählt wurde. Eberts Schritt kam für Beobachter*innen nicht überraschend. Er postete auf Facebook bereits seit Januar 2016 immer wieder Inhalte der AfD und likte mindestens einen Beitrag der rechtsextremen Identitären Bewegung.

Der direkte Kontakt zu den Identitären brachte der AfD-Nachwuchstruppe, der „Jungen Alternative Baden-Württemberg“, eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ein.

Das Bekanntwerden dieser Beobachtung führte zum Jahresende zu einer Spaltung. Mindestens 75 Mitglieder traten laut Presseberichten aus und wussten plötzlich öffentlich von einer Radikalisierung und Verbindungen zu den extrem rechten Identitären zu berichten.

Die Mutterpartei stellte sich nach einigem Abwarten vor ihre Partei-Jugend.

Umso skandalöser war das am 5. Dezember 2018 in Heilbronn ein interner AfD-Vortrag zum Thema „Islamismus und Salafismus“ mit Beate Bube, Landeschefin des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg, stattfinden sollte. Nach Bekanntwerden des geplanten Auftritts sagte Bube ihren Auftritt ab.

Mäßige Erfolge einer rechten Betriebsratsliste

Für viele Schlagzeilen sorgte die rechte Betriebsratsliste „Zentrum Automobil“, die dem Vorfeld der AfD zugeordnet werden kann und die von dem extrem rechten Netzwerk „Ein Prozent“ unterstützt wurde. Die Keimzelle der „Alternativen Arbeitnehmervertretung“ (Selbstbeschreibung) liegt in Stuttgart-Untertürkheim, wo die Liste seit 2009 antritt.

Trotz großer Ankündigungen war der Erfolg der Liste auch in ihrem Stammland Baden-Württemberg überschaubar.

In Rastatt im Mercedes-Benz-Werk Rastatt erreichte ein Ableger mit 8,5% 3 von 35 Sitzen, in Waiblingen bei der Motorsägen-Firma Stihl AG mit 9,2% 2 Sitze und im PKW-Werk in Sindelfingen mit 3,4% zwei Sitze.

Bei den Wahlen vom März bis Mai 2018 errang die Liste an ihrem Stammort in Untertürkheim 13,2% bzw. 6 von 47 Sitzen. Vorsitzender und neu-alter Betriebsrat ist Oliver Hilburger. Dieser kann auf eine jahrzehntelange Karriere in der subkulturellen extremen Rechten zurückblicken. Er war 1991 bis Anfang 2008 Mitglied der Rechtsrockband „Noie Werte“.

NPD und „Freie Kräfte“ ohne Einfluss, aber gefährlich

Die NPD und die neonazistischen „Freien Kräfte“ schaffen es im Gegensatz zur AfD kaum Anbindung an größere Bevölkerungsteile zu finden. Diese Klientel bleibt eher unter sich und veranstaltet Vorträge und kleinere Musik-Veranstaltungen. Die Vortragsthemen und –Referent*innen offenbaren teilweise eine Affinität zum Rechtsterrorismus.

So stellte beispielsweise Anfang August 2018 Pierre Rieffel, ehemaliger Anführer der deutschnationalen rechtsterroristischen Gruppe „Schwarze Wölfe“ im französischen Elsass, in Nordbaden bei der NPD sein Buch „Mein Leben für das Elsaß“ vor. Inzwischen ist das Buch im „Gerhard Hess Verlag“ mit Sitz in Ulm und Bad Schussenried erschienen.

Trotz ihrer fehlenden Bedeutung ist die Neonazi-Szene nicht harmlos. Das bewies sie z.B. am 8. September 2018 in Wiesloch. Hier marschierte eine siebenköpfige Gruppe von Männern im Alter zwischen 23 und 36 Jahren durch die Stadt und skandierte rassistische und rechte Parolen. Die Gruppe griff eine Eisdiele und deren türkischstämmigen Gäste an.

Mindestens drei der Täter gehören laut der „Antifaschistischen Initiative Heidelberg“ (AIHD) seit Jahren zur neonazistischen Szene im Kraichgau: „Experten können drei altbekannte Faschisten der „Freien Nationalisten Kraichgau“ identifizieren, die heute zum Teil für „Die Rechte“ aktiv sind.“

Nationalismus mit Migrationshintergrund

Baden-Württemberg ist ein Bundesland mit hohen Anteil an Personen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung. Auch in migrantischen Communitys gibt es in Teilen nationalistische und extrem rechte Tendenzen. So fand z.B. am 21. Januar 2018 in Stuttgart eine griechisch-nationalistische Kundgebung mit 500 Personen. Diese richtete sich gegen die Nutzung des Wortes Mazedonien durch die benachbarte ehemalige jugoslawische Teilrepublik. Gleichzeitig fanden derartige Demonstrationen auch in Griechenland statt.

 

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