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Kommentar zur „Querdenken“-Demonstration Schluss mit „Schwurblern“ – Dahinter steckt eine mörderische Ideologie

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Deko mit Antisemitismus am Rande der "Querdenken"-Veranstaltung in Berlin: Hier wird "Nein zur NWO (Neuen Weltordnung)" gefordert. (Quelle: Belltower.News/SR)

Die „Querdenken“-Aktivitäten in Berlin am Wochenende, von Teilnehmenden als „Sturm auf Berlin“, überhöht, sind vorbei. Es zeichnete sich das Bild ab, welches viele Kenner*innen der rechtsextremen und verschwörungsideologischen Szene vorhergesagt haben. Berlin am 29. August 2020 war die größte rechtsextreme Mobilisierung seit Chemnitz 2018. Bei der Mobilisierung beteiligten sich u.a. die NPD, die rechtsextreme Kleinpartei „Der III. Weg“, die „Identitäre Bewegung“, der AfD-Politiker Björn Höcke, das „Compact“-Magazin und der Vordenker der „Neuen Rechten“, Götz Kubitschek. Seit April beobachten Personen aus dem JSUD-Umfeld die sogenannten Hygienedemos in Berlin. Von Beginn an wurde von rechten Gruppen und Parteien versucht, diese neue Bewegung zu vereinnahmen.

Zwar gelang es ihnen nicht, eigene nennenswerte Veranstaltungen aufzuziehen. Doch durch die Akzeptanz und mangelnde Distanzierung wurden die „Hygienedemos“ schnell eine Wohlfühloase für Rechtsextreme, Neonazis, Reichsbürger*innen, rechte Esoteriker*innen und Antisemit*innen aller Couleur. Spätestens hier ging es den Veranstaltenden von „Querdenken 711“ nicht mehr um einen demokratischen Diskurs, sondern eine möglichst große Anzahl von Menschen. An dieser Stelle müssen auch auf die problematischen, antidemokratischen und antisemitischen Aussagen von „Querdenken 711“ verwiesen werden.

Auf den Demonstrationen in Berlin, am Alexanderplatz, vor dem Reichstag oder vor dem Brandenburger Tor liefen immer wieder Menschen mit Bekleidung aus einschlägigen Neonazi-Shops mit, mit Tattoos mit Bezug zum Nationalsozialismus oder eben mit der schwarz-weiß-roten Fahne des „Deutschen Reiches“.  Bei der Berichterstattung wurde sich primär darauf fokussiert, die Teilnehmenden lächerlich zu machen. In vielen Artikeln oder Tweets wurde von „Covididioten“ oder „Schwurblern“ gesprochen. Vieles, was auf den Demonstrationen oder in diversen Telegram-Gruppen verbreitet wird, klingt abstrus. Dahinter steckt jedoch eine gefährliche und mörderische Ideologie. Im weiteren Verlauf und mit der Hilfe der digitalen Verbreitungsmöglichkeiten gelang es auch der antisemitischen Verschwörungsideologie „QAnon“ in Deutschland Fuß zu fassen. Eine Ideologie, die uns spätestens seit dem rechtsextremen Terroranschlag in Hanau bekannt sein müsste. In seinem Video stellt der Rechtsterrorist eindeutige Bezüge zu „QAnon“ her. Inzwischen gehört das „Q“ zum festen Bestandteil aller „Hygienedemos“.

Der Versuch, die Demonstrierenden und ihre Ideologie zu pathologisieren, muss als Fehler gewertet werden. Ebenso die Aussagen des Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang, der keine Dominanz von Rechtsaußen erkennen wollte. Der 29. August war für die rechtsextreme Szene ein Erfolg. Die mediale Inszenierung und die produzierten Bilder vor dem Reichstagsgebäude gehen um die Welt. Durch diverse Livestreams und Multiplikator*innen besteht die Möglichkeit, dass sich mehr Personen ermächtigt fühlen, ihre verfassungsfeindliche Gesinnung auf die Straße zu tragen. Gegen diese Tendenzen müssen wir als Gesellschaft geschlossen aufstehen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss den Kampf gegen die antidemokratischen und antiliberalen Kräfte in unserem Land intensivieren. Dazu benötigt es ein umfangreiches Monitoring von verschwörungsideologischen „Telegram“-Gruppen, sowie eine Beobachtung der antisemitischen „QAnon“-Bewegung.

Nach diesem Wochenende muss es ein Umdenken im Umgang mit dieser Querfront geben. Während es eine ausführliche Gefahreneinschätzung für jüdisch erkennbare Personen gab, zeigte die Politik aber auch weiterhin Verständnis für Teile der Demo-Teilnehmenden. Wir haben seit längerem kein Verständnis mehr für die Demo-Teilnehmenden. Spätestens seit den Hetzjagden von Chemnitz hätten wir uns eine stärkere Sensibilisierung für die Ängste von marginalisierten Gruppen in diesem Land erhofft. Die Corona-Pandemie ist für uns alle eine besondere und belastende Situation. Das steht außer Frage und wir müssen als Gesellschaft eine Lösung finden. Wer aber mit Rechtsextremist*innen, Shoah-Relativierer*innen und Antisemit*innen gemeinsam durch die Hauptstadt marschiert, ist Teil des Problems und nicht an einer Lösung interessiert!

Ruben Gerczikow ist Vizepräsident der „Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD)“ und Vizepräsident der „Europeam Union of Jewish Students (EUJS).

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