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Konflikt um konkret Reflektion der journalistischen Qualität fehlt

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konkret-Ausgaben von 2022: Die Redaktion bestreitet, einen "Pro-Putin-Kurs" zu verfolgen. (Quelle: Screenshot)

Spätestens seit dem Überfall der russischen Föderation auf die Ukraine ist bei dem linken Monatsmagazin konkret ein zum Teil öffentlich ausgetragener Streit zwischen Teilen der Redaktion und einem Großteil der Autorenschaft über den Kurs des Blattes u.a. hinsichtlich dieses geopolitischen Konfliktes ausgebrochen. Während Texte, die nahelegen, der Krieg sei von der Nato bzw. „dem Westen“ provoziert bzw. mindestens zu einem großen Teil mitverschuldet, die Heftlinie bestimmen, sind gegenteilige Standpunkte zwar ebenfalls erschienen, allerdings eher sporadisch und in der klaren Minderheit. Das führte unter anderem dazu, dass einige der Kollegen in einer veröffentlichten Erklärung mitteilten, künftig nicht mehr für konkret schreiben zu wollen. Andere äußerten ihren Unmut intern, unter anderem auch die Autor*innen dieses Artikels.

Statt zumindest auf grobe Polemiken und die Verbreitung von Texten, die auch direkt aus der Putinschen Propagandaabteilung stammen könnten, zu verzichten, erschien in konkret 11/22 im Rahmen der Rubrik „Herrschaftszeiten“ ein kurzes Stück, in dem behauptet wird, die deutsche Bundesregierung betreibe die Gleichschaltung aller möglichen Medien, um Informationen, die den offiziellen Verlautbarungen widersprechen, zu unterdrücken. Eine solche Darstellung suggeriert implizit, die unter Putin übliche Repression gegen die veröffentlichte Meinungsfreiheit werde mehr oder minder „im Westen“ genauso praktiziert. Dieser sei also „nicht besser“ als ein autoritäres Regime wie das Russische.

Wie aber kam es dazu, dass konkret, das sich selbst als links und aufklärerisch versteht, eine derartige, ins rechte Milieu anschlussfähige Verschwörungstheorie verbreitet?

„Informations-Gleichschaltung“ und „mediale Einheitsfront gegen Putin“?

Ausgangspunkt ist ein Eintrag des reichweitenstarken Polit-Blogs „Nachdenkseiten“ (NDS) vom 29. September 2022.  Darin veröffentlichten die NDS eine angebliche Skandalgeschichte: Ein Whistleblower habe ihnen „exklusiv“ ein Dokument zugespielt, das „einen erhellenden Einblick in das Ausmaß der horizontalen und vertikalen Strukturen der … bundesdeutschen Staatspropaganda“ gebe. Daraus ergebe sich „der konzertierte Versuch einer Informations-Gleichschaltung durch die Bundesregierung.“ Eine Geschichte wie gemalt für die NDS und ein veritabler Skandal – könnte man meinen.

Für den sich aber kaum jemand interessierte: Außer der „jungen welt“ griff den „Leak“ kein relevantes Medium auf, bisher gingen sonst nur die AfD-Fraktion im Bundestag mit einer ausufernden parlamentarischen Anfrage und eben konkret dem angeblich skandalösen Leak auf den Leim. Statt in Betracht zu ziehen, dass die Sache nichts als die bei den NDS übliche Wichtigtuerei darstellte und das mediale Desinteresse an der Geschichte weniger der Gleichschaltung aller Zeitungen geschuldet ist, als vielmehr der Tatsache, dass die Story keine ist, hieß es in konkret, das Dokument des Whistleblowers führe „hoch detailliert“ auf, „wie die Bundesregierung eine mediale Einheitsfront gegen Putin und für die Ukraine zu schmieden gedenkt“, die Bundesregierung wolle „die korrekte Haltung“ ins „Stimmvieh“ „drillen“, „alle sollen aufs patriotische Ziel hinwirken, ‚Desinformation‘ zu unterbinden, das heißt, jeden Widerspruch zur Regierungspropaganda als Fake News zu diffamieren“.

An dieser Darstellung ist, man muss es auch als Mitarbeitende*r an konkret so deutlich sagen,  nichts richtig. Das inkriminierte Papier ist im Grunde kaum mehr als eine Aufstellung dessen, was man bundesbehördlicherseits gegen die Verbreitung von Fake News und Verschwörungsnarrativen unternommen habe, unternehme und unternehmen könne. In der Passage in konkret werden indes als Ziele der Gleichschaltung ausdrücklich „diverse Faktenchecker-Agenturen“, „Spiegel“, „Stern“, die „Deutsche Welle“, Facebook, Google, „Kinderreporter“ und die Bildungsstätte Anne Frank aufgezählt. All diese Medien und Einrichtungen wurden auch in dem Begleitartikel der NDS zum Leak genannt und tauchen auch tatsächlich in dem geleakten Dokument auf. Was aber hat es damit auf sich?

Daran ist nichts richtig

Im Originaldokument, das die NDS auf ihren Seiten veröffentlicht haben, wird unter der Überschrift „Laufende Aktivitäten … gegen Desinformation im Zusammenhang mit RUS Krieg gegen UKR“ u.a. ein „10 Punkte Resilienz Plan“ aufgeführt. Dieser umfasst unter anderem den Punkt „Aufklärung zu Desinformation und Verlinkung zu Faktencheckern auf den Webseiten der BReg“. Es sollen also keineswegs, wie es in konkret heißt, „Faktenchecker-Agenturen“ dazu veranlasst werden, „aufs patriotische Ziel“ hinzuwirken, vielmehr sollen deren Aufklärungsarbeiten schlicht auf Behördenseiten verlinkt werden.

Was die angebliche Beeinflussung von „Spiegel“ und „Stern“ betrifft, stellt sich die Sache ähnlich trivial dar. Im 10-Punkte-Plan wird lediglich auf ein längst stattgehabtes „Hintergrundgespräch am 31. 3. 2022“ im Spiegel verwiesen mit dem Hinweis „weitere Pressegespräche sind geplant“. Desweiteren werden „Interviews von Bmn (Bundesministerin, NH) Faeser u.a. im Stern am 12.5.2022“, und ein Artikel des „Tagesspiegel“ vom 23. 6. 2022“ aufgelistet.

Am vorgeblichen „Leak“ ist nichts geheim – oder auch nur neu

Zu der angeblichen Gleichschaltung von Google und Facebook heißt es im Dokument: „Intensivierung der Kontakte mit den Plattformbetreibern sozialer Netzwerke, um diese für staatlich gesteuerte Desinformation zu sensibilisieren und um bei Maßnahmen zeitnah informiert zu werden“. Im Ressort des Bundespressemates (BPA) soll darüberhinaus ein „bilateraler Austausch mit Google/Youtube, Twitter, Meta, und LinkedIn und den stellv. Regierungssprechern“ organisiert werden „mit dem Ziel, die jeweiligen Strategien der Plattformen zur Bekämpfung von Desinformation zu diskutieren und insb. über Desinformation im Kontext des Krieges in der Ukraine zu sprechen“. Informelle Zusammenarbeit – mehr ist dem Dokument auch hier also nicht zu entnehmen.

Dass es solche Formen der Zusammenarbeit gibt, ist im übrigen alles andere als ein Geheimnis. Seit 2018 existiert ein so genannter „Aktionsplan gegen Desinformation“, in dem, wie die Bundesregierung auf ihrer Internetpräsenz mitteilt, die EU gegen Desinformation vorgeht. Eine der vier Säulen, die der Plan umfasst, heißt „Zusammenarbeit mit Online-Plattformen stärken“. Zu suggerieren, eine solche Zusammenarbeit finde hinter verschlossenen Türen statt, im Geheimen, weshalb es einen Leak brauche, um sie zu enthüllen, ist offenkundig journalistisch unseriös, denn das ist alles seit Juli 2021 auf den offiziellen Seiten der Bundesregierung für jede*n nachzulesen.

Zur „Deutschen Welle“ heißt es im geleakten Dokument, diese solle nach ihrem Verbot in Russland eine „Exilredaktion in Riga“ aufbauen und „in die Lage versetzt werden, … eine möglichst weitgehende Berichterstattung zu ermöglichen“. Darüber hatte die „Deutsche Welle“ bereits am 8.3. diesen Jahres unter dem Titel „DW: Berichterstattung künftig aus Lettland nach Schließung des Moskauer Studios“ selbst berichtet. Hier fällt der Skandal also ebenfalls aus, auch das ist nicht einmal eine Neuigkeit.

Auch die Aufzählung von „Kinderreportern“ ist absurd. In dem geleakten Dokument wird lediglich die Kindersuchmaschine „fragfinn.de“ aufgeführt mit dem Zusatz „Stärkung Nachrichtenkompetenz und damit Resilienz ggü. Desinformation 6-14jähriger durch aktive Medienarbeit“. Daraus ein Komplott zur Gleichschaltung von Kindern zu konstruieren, ist aberwitzig.

Es wird auch kein „Widerspruch zur Regierungspropaganda als Fake News“ diffamiert

Vollends lächerlich ist die Annahme, die Anne Frank Stiftung solle irgendwie in die Anti-Putin-Front gezwungen werden. Die einzige Leak-Erwähnung der Stiftung, die sich in Frankfurt mit allerlei Aufklärungsangeboten insbesondere zu den Themen Antisemitismus und Verschwörungstheorien verdient macht, ist die bloße Aufführung des Programms „The Game is not over“, das die Stiftung anbietet. Das Programm wird vom Bundesfamilienministerium gefördert und was nun dagegen spricht, dass ein solches Projekt, bei dem die Anne Frank Stiftung ein Video-Spiel entwickelt hat, das Kindern und Jugendlichen dabei helfen soll, Verschwörungstheorien, sowie rechte und islamistische Radikalisierungsversuche zu erkennen, staatliche Förderung erhält, ist völlig schleierhaft. Wie gesagt, das Programm wird in dem Dokument schlicht erwähnt, kein Wort davon, dass die Anne Frank Stiftung in irgendeiner Weise dazu veranlasst werden soll, „Widerspruch zur Regierungspropaganda als Fake News zu diffamieren“, wie es leider bar jeder Kenntnis der Tatsachen in konkret und ähnlich in dem Leak-Begleittext der NDS hieß, bei dem offenbar einfach abgeschrieben wurde.

Dabei wäre linke Kritik möglich – bleibt aber aus

Dabei ist Kritik an den Organen der Regierenden und selbstverständlich nötig und das Dokument listet auch tatsächlich Maßnahmen auf, die überaus fragwürdig sind und von links, also einer linken Zeitschrift wie konkret, hätten angegriffen werden können. So etwa die Entsendung von „Jugendoffizieren an Schulen“ zur „Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern für Themen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik“, was womöglich tatsächlich auf militaristische Agitation von Kindern und Jugendlichen hinausläuft.

Als Beweis für Zensur- und mediale Gleichschaltungsversuche taugt das Papier aber beim besten Willen nicht und kein Medium sollte sich von Quellen wie den NDS, die offensichtlich eine Agenda verfolgen, motivieren lassen, diese ungeprüft weiterzuverbreiten.

Nachdenkseiten – bekanntermaßen keine gute Quelle

Zumal die Verstrickung der NDS in ein Netzwerk rechter, national-sozialer und querfrontlerischer Publikationen bekannt sein müsste. Denn die Seite ist spätestens seit der sogenannten Flüchtlingskrise, der Corona-Pandemie und dem Umschwenken verschiedener ihrer Autor*innen, Publizist*innen und Künstler*innen auf antisemitisch geprägtes Herbeifantasieren sogenannter „Meinungseliten“ ins Fahrwasser derjenigen geraten, die Diktaturmetaphern und Faschismusvergleiche im Zusammenhang mit „Mainstream-Medien“ ohne Probleme im Munde führen (vgl. Belltower.News). Einst von SPD-Politiker Albrecht Müller als eher linksorientierter Blog in Reaktion auf Gerhard Schröders Agenda-Politik gegründet, zollte sein jetziger Chefredakteur Jens Berger im April 2022 beispielsweise einer Bundestagsrede von Alexander Gauland (AfD) Respekt, weil dieser darin Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnte. Zwar geraten die in den NDS publizierten steilen Thesen zu angeblichen Verschwörungen und der Rolle Russlands im Ukraine-Konflikt meist nicht so eindeutig in den Blick, wie es bei anderen einschlägigen Seiten wie z.B. Rubikon oder Apolut der Fall ist, aber sie sind immer nur einen Klick entfernt, etwa wenn Querverweise zu „Tichy’s Einblick“ verlinkt werden oder ein ehemaliger Mitarbeiter von RT deutsch, Florian Warweg, als Hauptstadtkorrespondent für die NDS rekrutiert wird. Die Nähe zu Figuren der Querdenkerszene wie Daniele Ganser, Vera Lengsfeld, Lisa Fitz oder Gunnar Kaiser beschränkt sich oft auf ein über Bande gespieltes Erwähnen und Verlinken von Interviews und Texten in rechtsoffenen Foren, das Narrativ der „Gleichschaltung der Medien“ wird gleichzeitig fleissig bedient.

Reflektion der journalistischen Qualität fehlt

Derartige Quellen können durchaus genutzt und zitiert werden, allerdings müssen sie eben immer hinsichtlich ihrer Agenda und ihrer journalistischen Qualität kritisch reflektiert werden, wenn man sie heranzieht. Die überaus irreführenden und tendenziösen Begleittexte zu einem angeblich brisanten „Leak“ kurz zusammengefasst und polemisch zugespitzt einfach nachzubeten, ist einer Zeitschrift wie konkret in keiner Hinsicht würdig und genau genommen auch keiner anderen Publikation, die in den gesellschaftlichen Debatten ernst genommen werden will.

 

Danke für den Gastbeitrag an die Autor*innen!

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