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Meinungsfreiheit Trump, Twitter und andere Tiraden 

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Twitterlogo: Wikimedia / Twitter / Apache License, Version 2.0 // Scherben: Pexels (Quelle: Twitterlogo: Wikimedia / Twitter / Apache License, Version 2.0 // Scherben: Pexels)

Vox populi, vox dei” (dt. „Volkes Stimme [ist] Gottes Stimme”), mit diesen Worten beschloss der Multimilliardär und neue Twitter-CEO, Elon Musk, den ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten aus seiner Plattformverbannung zurückzuholen. Einen Tag zuvor hatte Musk auf Twitter eine Umfrage gepostet, in der Nutzer*innen abstimmen konnten, ob Donald Trumps Verbannung aufgehoben werden sollte. Nach dem gescheiterten Aufstand vom 6. Januar 2021 wurden Trumps entfesselte Online-Tiraden über Wahlbetrug zum ausschlaggebenden Argument, dem Politiker die Twitter-Nutzungsrechte dauerhaft zu entziehen. Damals befürchtete die Twitter-Führung, dass Trumps weitere Präsenz auf der Plattform zu weiteren Gewalteskalationen führen könnte, da der Ex-Präsident beharrlich und fälschlicherweise behauptete, die Wahl sei ihm gestohlen worden.

51,8 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen stimmten bei Musks Umfrage mit  „Ja”, Trumps Twitter-Profil wurde wiederhergestellt..

Musk setzt falsche Prioritäten

Hinter Musks Handeln verbirgt sich seine Vision einer Plattform, in der „freie Meinungsäußerung” als höchstes Gut gilt. So beschreibt sich Musk als ein „Absolutist der freien Meinung” im April diesen Jahres, der aus Twitter eine „zensurfreie”-Plattform machen möchte, auf der Meinungen auf dem freien Markt der Ideen ungefiltert verhandelbar sind.

Elon, der neue „chief twit” verfolgt seit der Übernahme seinen Wunsch mit erstaunlicher Beharrlichkeit. Indem er unter Personen wie Donald Trump oder der rechtsextremen Marjorie Taylor Greene wieder Zugang zur Plattform gewährt, gibt er (ehemals aus gutem Grund gesperrten) Politiker*innen eine neue Chance und massive Reichweite, um den Diskurs nachhaltig mit verschwörungsideologischen Narrativen zu zersetzen.

Hinzu kommen noch Musks skurrile Bezugnahmen auf kleinere Troll-Accounts, die weder eine relevante Stimme haben, noch besonders bekannt sind, wie im Falle der Interaktion mit dem rechtsoffenen Kanal @catturd2. Catturd, seines Zeichens ein sogenannter „shitposter”, also eine Person, die sinnbefreite Beiträge online verfasst, beweinte den Twitter-Shadowban und die vermeintliche Reichweiteneinschränkung seiner Tweets vor Musk. Darauf gibt es eine prompte Antwort vom Twitter-CEO höchstpersönlich, der dem Internet-Troll versichert, sich bald um sein Anliegen zu kümmern.

Wieder mal zeigt Musk dadurch, wo seine Prioritäten in der freien Meinungsäußerung liegen und welches Publikum er als persönlich wichtig erachtet. Wenn ein Mann mit so viel Macht und Einfluss sich die Zeit nimmt, auf die Belange toxischer Troll-Accounts einzugehen, zeigt das vor allem, dass Musk schlechtes Verhalten im Internet nicht nur billigt, sondern öffentlich befürwortet. Noch skurriler wird dieses Techtelmechtel mit den Abgründen des Internets, wenn man bedenkt, dass Musk, seinerseits viel beschäftigter Mann, seitdem immer wieder die Zeit findet, @catturd2 auf Twitter bei Laune zu halten.  Elon Musk befindet sich offenbar in einer rechtsalternativen Echokammer auf Twitter – und darüber hinaus – die nur Meinungen amplifiziert, die ihm gefallen. Nicht verwunderlich also, dass Musk immer näher an Rechte und Reaktionäre rückt, wie seine rege Korrespondenz mit der rechtsalternativen Republikanischen Flanke und die von ihm geteilte  Verschwörungserzählung zu Nancy Pelosis Ehemann beweisen.

Seine Bemühungen, Trolle zu loben und Antidemokrat*innen und geistigen Brandstiftern wieder zu einer Plattform zu verhelfen, empfängt das populistische und reaktionäre Spektrum mit Jubel. Laut Reuters heißt auch Donald Trump Musks Verhalten gut und schreibt auf seiner eigenen Social-Media-Seite „Truth Social”: „Ich bin sehr froh, dass Twitter jetzt in vernünftigen Händen ist und nicht mehr von linksradikalen Spinnern und Verrückten geführt wird, die unser Land wirklich hassen.“

Noch deutlicher wird das Gefahrenpotential, als Dmitri Medwedew, der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates und Putin Vertrauter, Musk via Twitterviel Glück wünscht: „Viel Glück @elonmusk bei der Überwindung politischer Voreingenommenheit und ideologischer Diktatur auf Twitter. Und hören Sie auf mit dem Starlink in der Ukraine”.

Man sollte sich nämlich fragen, ob man mit seiner Plattform auf dem richtigen Pfad ist, wenn feindliche Staaten einen loben, die in der Vergangenheit immer wieder versucht haben, westliche Demokratien durch Troll-Angriffe und Desinformationskampagnen zu schwächen.

Die Monetarisierung der freien Meinungsäußerung

Elon hat gezeigt, dass seine einzige Priorität bei Twitter-Nutzern darin besteht, sie zu monetarisieren. Ich glaube nicht, dass er sich um die Menschenrechtsaktivisten kümmert, die Dissidenten, unsere Nutzer in nicht monetarisierbaren Regionen und all die anderen Nutzer, die Twitter zu dem globalen Marktplatz gemacht haben, den ihr alle so lange aufgebaut habt und den wir alle lieben,” schreibt ein ehemaliger Awalt bei Twitter und Whistleblower in einem internenMitarbeiter*innen-Chat über den neuen Inhaber.

Hinzu kommt die Entlassung des gesamten Menschenrechts-Teams, was Twitter in Zukunft noch anfälliger machen wird. Zu erwarten ist, dass vor allem Aktivist*innen und politische Dissident*innen in Konfliktgebieten bedroht werden könnten. Zudem bleibt offen, wie Musk mit autoritären Staaten kooperieren wird, vor allem weil er etwas blauäugig versprochen hat, sich in Zukunft eng an die Gesetze der Länder zu halten, in denen Twitter tätig ist”. Wahrscheinlich ist sich Musk der Wirkkraft seiner Worte gar nicht erst bewusst, zumal der Wegfall der Menschenrechtsabteilungen auch bedeuten könnte, dass Twitter den Zensurmaßnahmen von Ländern wie Iran oder Äthiopien schwerer widerstehen könnte.

Musks Verständnis von Meinungsfreiheit scheint vor allem darin zu bestehen, antidemokratische Stimmen zu amplifizieren, die dann auf dem freien Markt der Ideen jegliche Form der Menschenfeindlichkeit offen verhandeln dürfen. Seine bornierte Priorisierung der Monetarisierung von Nutzern wird unweigerlich dazu führen, dass Millionen von Twitter-Stimmen, denen schlicht das Geld oder die Möglichkeit fehlt, am Verifizierungsprogramm teilzunehmen, zurückgelassen werden und dass ihre wichtigen Beiträge nicht gehört werden. Um ein abschließendes Sinnbild zu bemühen, sollte man an den Kanarienvogel im Bau denken, der sehr bald aufhören könnte zu singen. Wenn die Stimme politischer Aktivist*innen wegen den Launen eines Milliardärs auf der Welt verstummen, wäre dies ein unglaublicher Verlust für die echte Meinungsfreiheit. Eben die Meinungsfreiheit, die sich nicht politisch an reaktionäre Zirkel, Internet-Trolls und geistigen Brandstiftern anbiedern möchte.

Illustration: Twitterlogo: Wikimedia / Twitter / Apache License, Version 2.0 // Scherben: Pexels

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