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Nick Fuentes Der „Generation Z“-Faschist und seine „Groyper Army“

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Der Rechtsextreme Nick Fuentes hetzt und trollt unter dem Label "America First". Zu seinen prominenten Freunden gehören Donald Trump, Ye (Kanye West) und Milo Milo Yiannopoulos.

Am 22. November 2022 war der 24 Jahre alte Neonazi Nick Fuentes gemeinsam mit Kanye West und Milo Yiannopoulos auf Donald Trumps Residenz Mar-a-Lago zum Essen und zur politischen Lagebesprechung geladen. Eine Woche später erscheinen die drei im reichweitenstarken Stream des „zentristischen“ YouTubers Tim Pool. Ein paar Tage darauf bei “Infowars” von Alex Jones. Diese Entwicklungen sind gefährlich.

Würden wir in einer besseren Welt leben als der momentanen, wäre der Nazi-Troll Nick Fuentes nur ein unbedeutender 4chan-User, der mit Schaum vor dem Mund auf dem Imageboard über die Bedrohung des „Kulturmarxismus“ jammert. Oder noch besser: ein in sich gefestigter, vernünftiger junger Mann, der mit Antisemitismus, Rassismus und Misogynie nichts zu tun haben möchte. Aber wir leben nicht in einer besseren Welt, sondern müssen kontinuierlich dabei zusehen, wie in den USA und in der Resonanz auch weltweit die Grenzen des Sagbaren verschoben werden und faschistische Menschenverachtung so salonfähig wird wie lange nicht mehr.

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Rechtsradikale Ideologie ist in der Republikanischen Partei keine Ausnahme mehr, sondern fester Bestandteil des politischen Programms zahlreicher Abgeordneter. Seit der Wahl von Donald Trump und der „Unite the right“-Demonstration von 2017, bei der ein Rechtsextremist mit dem Auto in die Gegendemonstration raste und die Antifaschistin Heather Heyer ermordete, ist diese Entwicklung verstärkt zu beobachten. Die radikale und extreme Rechte tritt nicht nur offen und selbstbewusst auf, sondern hat auch parlamentarischen Rückhalt. Das Meeting des ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten mit dem erklärten Neonazi Nicholas J. Fuentes macht dies deutlich.

Männerfantasien

Der in Chicago ansässige Fuentes, der den Livestream „America First“ betreibt und einen Telegram-Channel mit 46.000 Abonnements unterhält, hat sich in den letzten Jahren eine nicht unbedeutende Fan-Ansammlung geschaffen: Die sogenannte „Groyper Army“. Seine Methoden und seine Ziele sind schlicht: Der Appell an gekränkte weiße Männlichkeit und der infantile Wunsch, mittels menscheinfeindlicher Aussagen „Normies zu triggern“.

Fuentes bezeichnet sich selbst als Incel und erklärt in bester Troll-Manier, Sex mit Frauen sei „schwul“. Die Welt wäre besser, wenn Frauen wie Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt würden, denn:  „Seit wir damit aufgehört haben, Frauen als Hexen zu verbrennen, geriet alles außer Kontrolle.” Es geht sogar noch expliziter: „Meine Ideologie ist ‚Scheiß auf Frauen‘“, so Fuentes, der Frauen das Wahlrecht absprechen möchte. So propagiert Fuentes, sowohl romantische als auch sexuelle Beziehungen zu Frauen seien für den christlich-faschistischen Groyper-Krieger eine Form der „Erniedrigung“ und würde ihn davon abhalten, sich vollends dem Kampf gegen die Degeneration der USA zu widmen.

Der Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit schrieb schon in den Siebzigern in seinem Standardwerk „Männerfantasien“ über die dem faschistischen Männerbund inhärente Verachtung des Nichtmännlichen. Der faschistische Mann, so Theweleit, fühle sich von allem auch nur ansatzweise im Ruch des Weiblichen stehende bedroht und gekränkt, und müsse es deshalb gewaltvoll von sich weisen. Dies artikuliere sich auch in Bezug auf Sexualität. Die Abwertung des Weiblichen und Queeren, einhergehend mit der Männerbündelei, führe im homosozialen Männerbund zwar zu homoerotischen Spannungen, aber aufgrund der faschistischen Homofeindlichkeit könne auch diese nicht lust- und respektvoll aufgelöst werden.

Fuentes agiert, als wolle er die Analyse illustrieren. Er fordert die Verdammung von queeren Menschen als Mittel im politischen Kampf, aber kokettiert als Troll mit Homosexualität, in dem er ein Treffen mit dem rechtsextremen Streamer Gustafsson „Catboy Kami“ Brookes als „Date“ inszeniert. Letzteres ist einer der Gründe, wieso Fuentes selbst auf einem über tausend Seiten langen Thread auf dem Troll-Forum Kiwi Farms analysiert wird. Sein freiwilliges Zölibat und sein höhnisches Kokettieren mit Homosexualität würden ihn in den Ruch derselben bringen. So rücke er „richtige“ Faschisten in ein schlechtes Licht.

Leider kein harmloses Date, sondern Vernetzung zwischen zwei Neonazis (Quelle: YouTube)

Sein Beharren auf Sexlosigkeit führe sogar zu einem Bruch in den eigenen Reihen. Der ehemalige Schatzmeister von „America First“, Jaden McNeil, der mit Fuentes zusammengewohnt hatte, berichtet davon, dass der Streamer mit einem Schwarzlicht die Betten und Möbel seiner Anhänger nach Sperma-Spuren abgesucht und seine Strukturen wie ein Kult-Anführer kontrolliert hätte. Einer der Hauptgründe für den Ausfall der beiden sei gewesen, dass McNeil es gewagt hätte, eine Beziehung zu einer Frau aufzubauen und im Zuge dessen bei Fuentes auszuziehen. Rechtsextrem ist McNeil jedoch immer noch.

Antisemitismus und faschistisches Christentum

Der „Generation Z“-Faschist, der wie so viele seiner ideologischen Brüder als „Libertarian“ (Libertärer) angefangen hatte, ist dafür bekannt, andere Vertreter*innen der radikalen Rechten anzugreifen – weil diese ihm nicht faschistisch genug sind. Wie Belltower News berichtete, ist es ein wichtiger Aspekt der „Groyper Army“, ihnen zu „moderate“ Rechte wie die Aktivisten von „Turning Point USA“ dafür zu belästigen, Antisemitismus nur versteckt und nicht offen gut zu heißen.
Fuentes‘ Ideologie zeichnet sich zudem durch faschistisches Christentum aus, hip online unter dem Label „Tradcath“ vermarktet: „traditional catholic“.

Hier findet eine enge Verknüpfung zwischen christlichem Nationalismus und religiös begründetem Antijudaismus statt, der fließend in Antisemitismus übergeht. Der Hass gegen Jüdinnen und Juden ist regelmäßig Teil seiner Streams, so die NGO Southern Poverty Law Center. „Amerika wurde von weißen Christen gegründet. Und wisst ihr was? Wenn wir Amerika wieder groß machen wollen, müssen wir über diese Agenda gegen Weiße reden, die gerade läuft. Wenn wir Amerika wiederbeleben wollen, dann müssen wir Amerika wieder zu einer christlichen Nation machen. Und du kannst verstehen, wieso einflussreiche Juden in konservativen Medien das nicht so super finden. Die bewerben keine weiße Identität“, ließ der junge Mann in seinem Livestream verlautbaren.

Fuentes attackierte den selbsternannten „theokratischen Faschisten“ und Transfeind Matt Walsh, da dieser den Rechtsterroristen, der 2019 in El Paso einen rassistischen Anschlag begangen hatte, nicht glorifizieren wollte. Er bezeichnete Walsh als einen „Rassenverräter“, da er für den jüdischen „Alt Right“-Vertreter Ben Shapiro arbeiten würde. Außerdem leugnet er den Holocaust, spricht von einer jüdischen Kontrolle über die Medien und hatte jüdische Amerikaner*innen dazu aufgefordert, das Land zu verlassen – sie seien schließlich keine richtigen Bürger*innen der USA. Die Erzählung von Jüdinnen und Juden als heimat- und wurzellos ist ein klassisches antisemitisches Stereotyp.

Rassismus

Außerdem ist der junge Mann White Supremacist und verachtet vor allem Schwarze Menschen; so forderte er unlängst militärische Interventionen in Schwarzen Communities und verteidigt die rassistischen Jim Crow-Gesetze. Er pflegt eine freundschaftliche Verbindung zu dem Rechtsextremisten Patrick Casey, ehemaliger Vorsitzender des inzwischen aufgelösten „American Identity Movement“. Wie bei dem deutschen Namensvetter der „Identitären Bewegung“ handelte es sich um eine „ethnopluralistische“, also rassistische Gruppierung. Ein weiteres Schlagwort ist „race realism“ – also pseudowissenschaftliche Legitimation einer vermeintlich „weißen Überlegenheit“. Und sowieso gäbe es einen schleichenden Bevölkerungsaustausch, an dem Migrant*innen und jüdische Menschen die Schuld tragen. Es ist nicht verwunderlich, dass Fuentes sogar die Anerkennung des bekannten Neonazis Andrew Anglin genießt, der die Webseite The Daily Stormer betreibt.
Nachdem Fuentes von Plattformen wie Twitter oder YouTube gebannt wurde, etablierte er in Kooperation mit dem Verschwörungsideologen Alex Jones die Streamingplattform Cozy.tv. Das Logo der Plattform stellt eine Referenz auf das rechtsextreme Meme „Moon Man“ dar.

Rechtsextreme Streams und das passende Merch dazu. [Quelle: Screenshot Webseite]

Verschiebung des Sagbaren

Nick Fuentes ist trotz seines jungen Alters ein ideologisch gefestigter Rechtsextremer. Bereits 2017 war er auf der „Unite the Right“-Rallye in Charlottesville anwesend. Im selben Jahr begann er den Livestream „America First“, in dem er unter anderem zum Mord an „Globalisten“ aufrief. Bei all seinen Auftritten kokettierte Fuentes immer mit der Rolle des Trolls, der höhnisch lachend um die Grenze des Sagbaren tänzelt.

Er verfügt über ganz herausragende Kontakte in die radikale und extreme Rechte. Diese nutzt er, um seit 2020 die Konferenz „America First Political Action“-Konferenz zu organisieren. Zu den Sprecher*innen zählen neben bekannten Figuren von Rechtsaußen wie dem „Proud Boy“-Gründer Gavin McInnes, dem christlichen Fundamentalisten Jesse Lee Peterson oder den White Supremacists Jared Taylor und Peter Brimelow auch regelmäßig Vertreter*innen des rechten Randes der Republikanischen Partei. Herauszuheben ist die QAnon-Anhängerin Marjorie Taylor Greene.

Hauptintention der „Groyper Army“ war es, die GOP (Grand Old Party, Synonym für die Republikaner) zu unterwandern und nach rechts zu verschieben. Dass der parteiinterne Rechtsruck dem Internet-Troll Fuentes zu verdanken ist, wäre jedoch eine gnadenlose Übertreibung seines Einflusses. Viel mehr weiß er seine Inszenierung als „provokanter junger Mann“ auszunutzen, um einerseits als Identifikationsfigur für verbitterte, gekränkte junge Männer zu fungieren, und andererseits älteren und etablierten Menschenfeind*innen zu vermitteln, gutes Nachwuchsmaterial zu sein. Er ist eine der in den letzten Jahren immer lauter werdenden Stimmen im Chor von Menschenfeindlichkeit und Verschwörungsdenken.

Obwohl also Fuentes vor einigen Jahren noch zum Stören von Veranstaltungen bei ihm zu „moderaten“ Republikaner*innen aufrief, ist angesichts der zunehmenden Radikalisierung der Partei eine verstärkte Kooperation von Politiker*innen mit einem Rechtsextremisten wenig verwunderlich. Fuentes war nicht nur Unterstützer der „Stop the Steal“-Kampagne. Der Streamer und seine Jünger waren auch Teil des rechtsextremen Putschversuchs am 06.01.2021, dem “Sturm auf das Kapitol”, um gegen die Abwahl von Donald Trump zu protestieren. Antifeminismus, Queerfeindlichkeit und der affekthafte Hass gegen Kulturmarxismus und die „Woke Agenda“ bringen parlamentarische Akteur*innen und die extreme Rechte in den letzten Jahren zunehmend zusammen.

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So gesehen war das Treffen zwischen dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, dem sich zunehmend antisemitisch äußernden Rapper Ye – eher bekannt unter dem Namen Kanye West – und dem sich langsam wieder aus der Unbedeutendheit heraus wieselnden Publizisten Milo Yiannopolous für Antifaschist*innen keine große Überraschung. Es zeigt jedoch vor allem eins: dass prominente Teile der Republikanischen Partei keinerlei Hemmungen mehr haben, mit einem Rechtsextremisten wie Fuentes offen zu kooperieren.

Kanye West, Alex Jones und Nick Fuentes bei „Infowars“ [Quelle: Screenshot Webseite]
Wenige Tage nach dem nicht-öffentlichen Meeting auf der Trump-Residenz waren West, Fuentes und Yiannopolous bei dem Streamer Tim Pool zu Gast. Pool selbst gibt an, sich sowohl außerhalb sowohl der politischen Linken als auch der Rechten zu befinden; aber wie bei so vielen, die „weder links noch rechts“ sein wollen, unterstützt er primär rechtspopulistische wie rechtsradikale Positionen. Doch selbst einem Mann wie Pool, der gerne zum Beispiel dem Proud Boy-Anführer Enrique Tarrio oder dem rechtsradikalen Verschwörungsideologen Jack Posobiec Raum in seinem Stream gibt, sah sich gezwungen, Wests Antisemitismus zu widersprechen. Der Rapper und angehende Präsidentschaftskandidat verließ daraufhin vor laufender Kamera den Stream.
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Dieser Stream sollte zum 01. Dezember 2022 noch getoppt werden: Fuentes und West waren beim König aller Verschwörungsgläubigen, Alex Jones, in dessen Show Info Wars zu Gast, um ihrem Antisemitismus freien Lauf zu lassen. Im Laufe des Gesprächs verteidigt Kanye West Hitler. Er und Fuentes spielen sich gegenseitig antisemitische Talking Points zu; West zeigt freudig auf seinen “Generation Z”-Kampfgefährten und erklärt: „das ist der nächste Präsident von Amerika.“ Fuentes sitzt bei jedem judenfeindlichen Erguss von West feixend in seinem Stuhl. Eine Twitter-Userin, die zu QAnon recherchiert, vermutet, dass Fuentes Yes bereits existenten verschwörungsideologischen Basisglauben, als auch seine persönlichen Kränkungen als Nährboden für eine Radikalisierung verwendet hat. Es ist ein beklemmendes, gruseliges Interview, dessen Teilnehmer so brutal in ihrem Antisemitismus aufgehen, dass Alex Jones stellenweise als die Stimme der Vernunft agieren muss. Am Tag nach dem Interview postet Fuentes auf seinem Telegram-Kanal ein Bild von Kanye West im Oval Office.

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Die Aussage ist eindeutig: Kanye for President. [Quelle: Screenshot Telegram]
Die noch wenigen halbwegs vernünftigen Stimmen der Republikanischen Partei äußerten vehemente Kritik an der Zusammenarbeit zwischen Trump mit Fuentes. Der ehemalige Präsident gab daraufhin an, er hätte keine Ahnung gehabt, dass es sich bei seinem Dinnergast um einen bekannten Rechtsextremen handeln würde. Dies ist jedoch zu bezweifeln: eine enge Vertraute von Trump ist die Moderatorin  Michelle Malkin – die sich selbst als „Mutter der Groyper“ bezeichnet.

Seien es die politischen Ambitionen von Kanye West, die zunehmend offene Menschenfeindlichkeit in der Republikanischen Partei, oder die Hemmschwelle, was die Kooperation mit Aktivisten wie Fuentes angeht: Dies alles sind keine Ausrutscher oder Einzelfälle. Es handelt sich hier um eindeutige Hinweise darauf, dass Rechtsextremismus in den USA zunehmend salonfähig wird. Milo Yiannopolous, der als neuer Kampagnenmanager von West fungieren soll, behauptet inzwischen, er hätte das Dinner auf Mar-A-Lago geplant, um Donald Trumps Leben „furchtbar“ zu machen. Glaubwürdig ist diese Aussage nicht – auch weil Nick Fuentes ihr widerspricht.

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