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Ulm Bewährungsstrafen für antiziganistische Täter

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Vor dem Landgericht in Ulm fiel das Urteil gegen fünf Angeklagte. (Quelle: Foto: Wikimedia / Dr. Chriss / CC BY-SA 3.0 DE (beschnitten))

Im Mai 2019 hatten die Angeklagten eine brennende Wachsfackel in ein Wohnwagenlager 18 französischer Roma-Familien in Erbach-Dellmensingen (Baden-Württemberg) geworfen. Die Fackel landete neben einem Wohnwagen, in dem eine Mutter mit ihrem Säugling schlief. Die Männer hatten schon zu Prozessbeginn gestanden.

Zunächst lautete der Vorwurf versuchter Mord und Brandstiftung, für eine Verurteilung hätten aber Indizien gefehlt, so das Gericht. Alle fünf wurden wegen Vertreibung bzw. gemeinschaftlicher Nötigung in 45 Fällen nach Jugendstrafrecht verurteilt. Bemerkenswert ist dabei, dass das Gericht betont, dass „Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antiziganismus“ Motivation der Tat gewesen seien: „Sie wollten ein Klima von Angst und Schrecken schaffen, um die Roma-Familie zu vertreiben“. Zwei der Angeklagten wurden zusätzlich zu Geldstrafen von 1.200 Euro verurteilt, die an die Hildegard Lagrenne Stiftung gehen, die sich für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti*zze und Rom*nja in Deutschland einsetzt. Zusätzlich sollen die Männer die KZ-Gedenkstätte Dachau besuchen und einen Bericht darüber verfassen.

Laut des Gerichts hat sich immerhin einer der Täter glaubhaft vom Rechtsextremismus gelöst. Alle fünf bedauerten offiziell ihre Tat und einige haben freiwillig 5.000 Euro für einen Täter-Opfer-Ausgleich gezahlt. 

Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler kann mit dem Urteil leben, „weil das Gericht die antiziganistische Hassmotivation klar benannt hat.“ Er sagte der taz, dass es im Jugendstrafrecht darum gehe, eine Veränderung bei den Angeklagten zu bewirken, von der er nicht glaube, sie würde im Gefängnis passieren. Es war nicht der erste Übergriff auf das Lager durch die Männer. Schon vor dem Brandanschlag hatten sie einen toten Schwan vor das Camp gelegt, Böller geworfen und Bewohner*innen beschimpft. 

Ihren Rassismus und Geisteshaltung hatten die Angeklagten dabei auch vor Gericht ohnehin nie versteckt. Wie die taz berichtet, waren die Männer auf Handyfotos mit Hitlergruß und Reichsflaggen zu sehen. Und auch das Umfeld in der Dorfgemeinschaft zeigte sich rechtsextremen Gedankengut nicht abgeneigt: „Wenn man nach den Bildern auf dem Handy geht, könnte man jedem Zweiten im Dorf was reindrücken“, so einer der Angeklagten vor Gericht. 

Wie schwierig es der Mehrheitsgesellschaft und ihren Institutionen fällt, Antiziganismus zu benennen, zeigt sich auch in der Reaktion von Daniel Strauß, Vorstandsvorsitzendem des Verbands Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg: „Das ist nach meiner Kenntnis die erste Verurteilung wegen gemeinschaftlicher Vertreibung aus rassistischen Motiven auf deutschem Boden nach 1945.“

Das Urteil ist ein weiterer kleiner Schritt, um Antiziganismus öffentlicher und sichtbarer zu machen. „Dieser Fall zeigt, dass Antiziganismus in der Gesellschaft weit verbreitet ist und als Normalität wahrgenommen wird. Genau das ist das gefährliche,“ so Romeo Franz, Mitglied des Europa-Parlaments (B‘90/Die Grünen). Und tatsächlich ist für viele Menschen Abneigung oder Feindlichkeit gegenüber Sinti*zze und Rom*nja „normal“. Laut der „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung hegen fast 30 Prozent der Deutschen solche Vorurteile. 

Foto: Wikimedia / Dr. Chriss / CC BY-SA 3.0 DE (beschnitten)

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