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AfD-Wahlkampf im Osten Wenn Wessis von einer „DDR2.0“ sprechen und eine „Wende2.0“ fordern

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Andreas Kalbitz in Cottbus (Quelle: KA)

Brandenburg, Sachsen, Thüringen – gleich in drei ostdeutschen Ländern wird im Herbst gewählt. Die Strategie der AfD wird schnell deutlich. Auf ihren Wahlplakaten lesen wir Sätze wie „Vollende die Wende“, „Wir sind das Volk“, „Schreib‘ Geschichte“, „Hol dir dein Land zurück“, „Freiheit statt Sozialismus“, „Der Osten steht auf“. 30 Jahre nach dem Mauerfall greift nun eine rechtsradikale Partei die Erzählungen der rebellierenden Menschen von damals wieder auf. Das Wahlkampfmotto: Wir brauchen eine „Wende 2.0“, denn wir leben in einer „DDR 2.0“. 

„Es fühlt sich schon wieder so an wie in der DDR“, sagte etwa Björn Höcke, der selbst allerdings aus Westdeutschland stammt, beim Landtagswahlkampfauftakt in Cottbus. „Und dafür haben wir nicht die friedliche Revolution gemacht, liebe Freunde. Das wollen wir nie wieder erleben, denn wir werden uns in keine neue DDR führen lassen!“

AfD plakatiert im Osten mit „Vollende die Wende“

Mit ihrem Slogan „Vollende die Wende“ holt die AfD Menschen bei ihrem Frust ab, die das Gefühl haben, sie seien Verlierer*innen der Wende. Die AfD setzt auf das Gefühl, dass damals gemachte Versprechungen nicht eingehalten wurden, Vorstellungen sich nicht erfüllt haben. Diese Erzählung funktioniert für die AfD. Und das hat vielschichtige Gründe: etwa das in der DDR verlorene Vertrauen in die Politik; die biografischen Brüche, die für die allermeisten Ostdeutschen die Wende 1989 bedeuteten; immer noch vorhandene Mängel in der Infrastruktur und wirtschaftliches Ungleichgewicht – noch immer liegt die Rente im Osten deutlich unter der im Westen.  

„Während man in der DDR noch dreist die Wahlergebnisse fälschte, sorgt man jetzt schon im Vorfeld dafür, dass der Wählerwillen nicht umgesetzt werden kann.“ Jörg Urban, Spitzenkandidat in Sachsen 

Doch die derzeitige Situation in Deutschland ist nicht vergleichbar mit der Lebenswirklichkeit in der DDR, aber genau das impliziert die AfD. Menschen, die vor 30 Jahren im SED-Staat auf die Straße gegangen sind, forderten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Versammlungsfreiheit, Reisefreiheit und Redefreiheit. All diese Freiheiten haben Menschen in Deutschland – auch im Osten. Und dennoch ziehen AfD-Politiker*innen immer wieder Parallelen zwischen der Diktatur damals und der heutigen Zeit. Die AfD missbraucht die Sorgen von Menschen im Osten und garniert sie mit ihren Erzählungen, in Deutschland herrsche keine Meinungsfreiheit, es gäbe keine freien Medien und die Regierung handle willkürlich und unterdrücke oppositionelle Stimmen, wie die AfD. Im Osten versuchtsich die AfD damit, sich  in der Tradition der DDR-Bürgerrechtler*innen zu verorten. 

„Es fühlt sich schon wieder so an wie 1989“ Björn Höcke, Spitzenkandidat in Thüringen 

Bemerkenswert ist dabei allerdings der Umstand, dass die Führungsriege sowohl der ostdeutschen AfD wie auch von „neurechten“ Organisationen in ihrem Umfeld beinahe geschlossen aus Westdeutschland kommt. Mit Björn Höcke, geboren im westfälischen Lünen und dem Münchener Andreas Kalbitz kommen sogar zwei der prominentesten Gesichter des als besonders „ostdeutsch“ geltenden, völkisch-nationalen „Flügels“ ursprünglich aus dem Westen.

Das Spiel mit der Angst führt zu Gewalt

Wenn die AfD heute mit dem Slogan „Vollende die Wende“ im Osten Wahlkampf macht und von einer „DDR 2.0“ spricht, ist das auch ein Aufruf zu rebellieren, so wie es die Menschen vor 30 Jahren im Osten taten. Wenn die AfD davon spricht, “wir” müssten “uns unser Land” zurückholen, impliziert sie damit auch eine Art Selbstverteidigungsrecht und das impliziert in letzter Konsequenz auch Gewalt. 

Interessanterweise sind der AfD Freiheitsrechte übrigens nur wichtig, wenn es um die eigene Meinung und Haltung geht. Zugleich versucht die Partei – aktuell in Worten, wenn sie in Macht kommen, sicher auch in Taten, diverse Bereiche gesellschaftlichen Lebens zu reglementieren und abweichende Meinungen zu bekämpfen: Die AfD möchte etwa Medien, Theater, Kultureinrichtungen, zivilgesellschaftliche Organisationen oder Lehrer*innen beobachten lassen und ihnen die Finanzierung entziehen oder sie reglementieren oder ganz schließen, wenn sie nicht der AfD-Meinung entsprechend handeln oder Rechtspopulismus kritisch gegenüberstehen. Menschen, die die AfD als “nicht deutsch” ansieht, sollen weniger Rechte haben als die, die die AfD als “deutsch” definiert. Dies ist der Wunsch nach einer autoritären Staatsführung – nicht, was die AfD bemängelt, wenn sie auf Social Media Kanälen gesperrt wird, weil sie sich nicht an die Community-Regeln der Netzwerke halten kann,  oder Kritik einstecken muss, wenn sie Rassismus oder Islamfeindlichkeit verbreiten. 

Die AfD macht mit der Erzählung der „DDR 2.0“ und der „Wende 2.0“, das was sie so gut kann, sie inszeniert sich als Opfer. 

Mehr im Internet

Miteinander e.V.: Der Osten steht auf – Zur Semantik der AfD im ostdeutschen Wahlkampf

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