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Debatte um Layla Wie ein Mallorca-Schlager zum Kampagnenhit rechtsaußen wurde

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Das Bekenntnis zu Layla ist schnell zum Symbol geworden: dafür, sich gegen vermeintliche Cancel Culture zur Wehr zu setzen. (Quelle: Screenshot, Bild (14.7.2022), Pixabay, BTN)

Deutschland hat einen neuen Sommerhit: Layla. Neben dem hohen Ohrwurmpotenzial haben die Lyrics dazu beigetragen, dass der Schlager so bekannt werden konnte: „Ich hab‘ ’n Puff // Und meine Puffmama heißt Layla // Sie ist schöner, jünger, geiler”. Sexistische Texte sind auf Mallorca (und darüber hinaus) nichts Neues, dass ein Ballermann-Lied Platz eins der deutschen Singlecharts erreicht, allerdings schon. Entsprechend zog der Song Kritik auf sich. Er objektifiziere Frauen und glorifiziere Prostitution. 

Manche Veranstalter von Volksfesten entschieden daraufhin, das Lied auf ihren Events nicht zu spielen. Das Medienecho war enorm, Layla erhielt in Folge noch mehr Aufmerksamkeit. Dominik de Leon, Mitbegründer des Labels Summerfield Records, sagt im Spiegel-Interview ganz offen: „Wir wissen, dass ein Song eine eingängige Melodie braucht und ein Thema haben muss, mit dem man sich entweder identifiziert oder das polarisiert.” Der Eklat war kalkuliert. Spannend ist die Sache trotzdem: Hier lässt sich nachzeichnen, wie Kulturkampf von rechts funktioniert.

Das Schlagerverbot von 2022?

Layla wird bereits am 25. März 2022 von DJ Robin und Schürze veröffentlicht. Eine erste kleinere Kontroverse löst die Junge Union Hessen im Juni aus. Sie spielt den Song auf ihrer Landestagung in Kassel auf der Bühne ab. Mehr als zwei Wochen später, am 21. Juni, nennt Sophie Frühwald, Vorsitzende der hessischen Jusos, den Vorfall auf Twitter blanken Sexismus”. Am 24. Juni schafft es Layla auf Platz 1 der deutschen Charts. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland geht daraufhin in einem vielzitierten Text vom 6. Juli der Frage nach, warum Layla so erfolgreich ist. Laut dem Musikwissenschaftler Markus Henrik sei der Song eine schräge, unterbewusste Antwort auf die MeToo-Debatten der letzten Jahre, nach dem Motto: ‚Hier ist jetzt mal kurz alles egal‘“. Zwei Tage später konstatiert die Frankfurter Rundschau, dass die Sexismus-Debatte um Layla zwar am Köcheln sei, jedoch (noch) auf Sparflamme”. 

Das ändert sich erst, als es erstmals zu einem Verbot” des Schlagers kommt. Die Main-Post mit Sitz in Würzburg berichtet am 11. Juli über die Entscheidung der Stadt, den Ballermann-Hit auf dem Kiliani-Volksfest nicht zu spielen. Die Nachricht wird unmittelbar von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) aufgegriffen und noch am selben Tag auf vielen Nachrichtenportalen unter dem Titel Würzburg verbietet Ballermann-Hit ‚Layla’ auf Volksfest” veröffentlicht als Agenturmeldung, also meist ohne größere redaktionelle Änderungen. Redaktionell beschäftigt sich die Bild-Zeitung am 12. Juli als eines der ersten überregionalen Medienhäuser mit der Entscheidung und befragt DJ Robin zu seinem Song. Jetzt kommt die Nachricht auch Rechtsaußen an. Am 13. Juli widmet sich die Junge Freiheit, Sprachrohr der sogenannten neuen Rechten”, erstmals dem Thema, am Tag darauf Compact, ein rechtsextremes Magazin.

Was erst bei genauerer Betrachtung deutlich wird: Startpunkt für die Kampagne gegen vermeintliche Cancel Culture ist die Verbreitung einer Falschinformation. Das von Anfang an bediente Narrativ, der Schlagersong sei verboten worden, hat mit den tatsächlichen Ereignissen wenig zu tun: Jede Veranstalterin und jeder Veranstalter kann über die eigene Playlist selbst entscheiden. Das gilt nicht nur für den Stein des Anstoßes, das Kiliani-Volksfest in Würzburg, ausgerichtet von der Stadt unter CDU-Bürgermeister Christian Schuchardt, sondern auch für ähnlich gelagerte Fälle, die darauf folgen sollten. In Düsseldorf verantwortete der örtliche Schützenverein die Entscheidung, in München der Zusammenschluss der Wiesnwirte. Zu einem behördlichen Verbot kam es nirgends.

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Der Anwalt Chan-jo Jun nennt diese Behauptung, die selbst von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) verbreitet wird, daher schlicht „Quatschjura”. Auch das Verwaltungsgericht Würzburg stellt fest, dass es kein verbindliches Verbot gebe, keinen Verwaltungsakt, die Stadt das Lied lediglich als sexistisch eingestuft habe. Ein Eilantrag gegen das vermeintliche Verbot scheitert deshalb. Das Narrativ vom Verbot setzt sich trotzdem durch. Bild.de widmet Layla in den zwei Wochen nach dem Würzburger Vorstoß sechsundzwanzig Artikel und setzt schließlich ein weiteres Gerücht in die Welt, das vielfach reproduziert wird: „Layla soll für Fernsehgarten umgeschrieben werden”. Das ZDF dementiert das später: Der Schlager soll Ende Juli in der Originalversion im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt werden vor einem Millionenpublikum.

Titelseite der Bild-Zeitung am 14. Juli 2022 (Quelle: Screenshot BTN)

Die Schlagwörter „Verbot” und „Zensur” sind in der Welt. Und so bezieht auch Buschmanns FDP-Kollege Thomas Kemmerich, der sich einst mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen ließ, Stellung: Das – nicht existente – Verbot gehe zu weit. Rena Schimmer, Kreisvorsitzende der Jungen Union in Würzburg, kündigt basierend auf einer Instagram-Umfrage mit 200 Teilnehmer*innen an, im Stadtrat gegen das vermeintliche Verbot vorgehen zu wollen. Sie möchte nicht, „dass die Freiheit auf solchen Volksfesten eingeschränkt wird”. CDU-Politiker fühlen sich gar dazu berufen, den Nummer-1-Hit zu bewerben.

Freut sich, „endlich wieder einen deutschen Hit zu hören”: Sepp Müller, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. (Quelle: Screenshot BTN)

Sven Rosomkiewicz, CDU-Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt, wünscht mit Layla als dem Musiktipp des Tages” einen entspannten Sonntag. Kerstin Godenrath, Rosomkiewicz’ Fraktionskollegin, bezeichnet den Song gar als ihr neues Lieblingslied. Dazu setzt sie wie viele andere den Hashtag #FreeLayla, ursprünglich ins Leben gerufen von Ikke Hüftgold, dem Produzenten des Schlagers. Das Bekenntnis zu Layla ist schnell zum Symbol geworden: dafür, sich gegen vermeintliche Cancel Culture zur Wehr zu setzen. Auch Gerd Mannes, Landtagsabgeordneter für die AfD in Bayern, postet ein Sharepic zum Thema: Alle lieben Layla! Nur die Bunten nicht! Die verbieten alles, was irgendwem Spaß macht.” Dass ein DJ als Kompromiss schließlich eine Instrumentalversion des Schlagers auf der Düsseldorfer Kirmes spielt, kommentiert Georg Pazderski, ehemaliger AfD-Geschäftsführer und stellvertretender Bundessprecher, begeistert: BRAVO ein Hoch auf diesen Mann, der sich dem schwachsinnigen Verbot widersetzt hat. Hoffentlich findet er Nachahmer.”

Vom Mut, einen Nummer-1-Hit zu singen

Auch in Würzburg, wo letztendlich ein „ganzes Bierzelt” Layla zum Besten gibt, trifft das auf Respektbekundungen. Das Rechtaußen-Portal Unser Mitteleuropa findet das ganz schön mutig”. Markus Haintz, seit Beginn ein führender Kopf der „Querdenken“-Bewegung, twittert: Wenn die Politik sich in jeden Lebensbereich einmischt + den Menschen vorschreibt, was erlaubt ist und was nicht, was politisch korrekt/#woke ist und was nicht, dann ist #Layla als #AntiWoke Lied nur die logische Konsequenz. Gut so!” (sic!) Das Abspielen und Anstimmen eines extrem erfolgreichen Songs wird so zum Freiheitskampf hochstilisiert, Bierzelt-Besucher als Widerständler geframet. 

Daneben spielen wie so oft historische Vergleiche eine zentrale Rolle bei der rechten Mobilisierung. Eine Onlinepetition mit dem Titel #FreeLayla, gestartet vom Label Summerfield Records, hat bereits über 50.000 Unterschriften erreicht. Im dazugehörigen Text heißt es: Die persönlichen Freiheitsrechte, die künstlerische Freiheit und der Wunsch der breiten Masse wird somit mit Füssen getreten! Wenn wir das zulassen, katapultieren wir uns zurück ins Mittelalter! In die Zeit der Hexenjagd!” (sic!) Häufiger werden allerdings Parallelen in die jüngere Vergangenheit gezogen. Der Kommunalpolitiker Markus Patzke (CDU) schreibt etwa: Wer Lieder verbietet, verbrennt auch Bücher.” Einen Tag später ergänzt er zwar, Bücherverbrennungen gebe es seit über 2.000 Jahren. Andere Kommentatoren flüchten sich jedoch nicht in Ambiguität und verbreiten Kommentare und Bilder mit eindeutigem NS-Bezug. Solche alarmistischen, relativierenden Manöver verleihen den aktuellen Ereignissen in Rechtaußen-Kreisen Relevanz und markieren die als verantwortlich Ausgemachten, Politiker*innen und sogenannte Wokisten”, als das ultimativ Böse, gegen das es aufzubegehren gilt. Man selbst inszeniert sich in der Rolle der Verfolgten.

In den sozialen Medien verbreitetes Bild, das Kritik an Layla mit der Reichskulturkammer, der NS-Institution zur Gleichschaltung der Kultur, gleichsetzt (Quelle: Screenshot BTN)

Whataboutism mit rassistischen Untertönen

Mit solchen Vergleichen bewirbt auch der Querdenken”-nahe Journalist Boris Reitschuster einen Beitrag von Josef Kraus, der auf seinem Blog erschienen ist: Texte verbieten, Texte umschreiben: Das kennen wir aus der mittelalterlichen Inquisition, das kennen wir aus totalitären Staaten, das kennen wir aus den düsteren Dystopien.” Kraus, ehemaliger Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, beklagt in besagtem Artikel, dass bei Schlager und Rap mit zweierlei Maß gemessen werde. Er schreibt: Rhetorische Frage: Hat sich jemand über folgende Rapper-Texte aufgeregt?” 

Auffällig ist, dass Kraus bei den drei Beispielen, die er anführt – Capital Bra, KC Rebell und Feine Sahne Fischfilet –, nur bei den ersten beiden die bürgerlichen Namen der Künstler betont: Vladislav Balovatsky und Hüseyin Kökseçen. Die nicht rhetorische Antwort auf seine Frage: Ja. Nur dass Capital Bra eher selten auf Volksfesten auftritt. So entpuppt sich dieses Scheinargument als Whataboutism mit Anschlussfähigkeit an rassistische Ressentiments. Damit ist Kraus nicht allein, derlei Verweise auf Rapper, denen Narrenfreiheit attestiert wird, prägen die Debatte. Auch der Neonazi Tommy Frenck teilt auf Telegram einen Beitrag mit ähnlicher Stoßrichtung.

Der Weg vom Ballermann zum Volksaufstand ist kürzer als gedacht

Das angebliche Verbot von Layla wird so nicht nur als Beleg für Cancel Culture, sondern auch für andere rechtsalternative Narrative herangezogen: für die Benachteiligung von den Deutschen”, den Genderwahn” bis hin zum vermeintlich willkürlichen und totalitären Charakter des deutschen Staats. Doch dabei bleibt es nicht: Layla wird zum Momentum verklärt.

Am deutlichsten wird das in einer hochsuggestiven Straßenumfrage des YouTubers Der Friedvolle Krieger”. Sein Kanal ist mit aktuell 6.640 Abonnenten eher klein, die meisten Aufrufe erzielt er mit Videos über den Great Reset, einer antisemitischen Verschwörungserzählung. Aber er scheint auf den Punkt zu bringen, was sich viele User*innen in den sozialen Medien wünschen: Layla markiere einen Wendepunkt, ab dem die Deutschen Widerstand leisteten. „Sie sagen Maskenpflicht, sie sagen Impfpflicht, sie sagen erhöhte Gaspreise und so weiter. Und die Deutschen machen immer weiter alles mit, lassen sich alles immer weiter so gefallen und stehen nicht auf. Auf einmal wird dann ein Song verboten wegen Sexismus’ und Das ist nicht gut für Kinder’ und so weiter. Aber auf einmal sagt der Deutsche: Ich lasse mir das Verbot nicht gefallen, ich stehe auf und singe es trotzdem.“ 

Aufruhr vernimmt auch Roland Tichy, Betreiber des rechtskonservativen bis rechtspopulistischen Blogs Tichys Einblick: Das alles wirkt wie eine Debatte aus den Tiefen des Sommerlochs – und vielleicht ist es das auch. Aber die Empörung über die Zensur des Liedes ist echt: Die Deutschen laufen Sturm gegen das Verbot ‚ihres Sommerhits.”

Kulturkampf von rechts

Auf Außenstehende mag diese ganze Kampagne, die Symbiose zwischen Ballermann und Rechtsaußen, völlig absurd wirken. Dass ausgerechnet dieser Schlager zur Widerstandshymne erklärt wird, ist durchaus komisch. Sogar manche rechtsalternativen Akteur*innen bekennen, den Song eigentlich nicht leiden zu können.

Laut diesem rechten Meme hören 95 Prozent Layla in erster Linie, „weil sie wissen, dass sich frustrierte Feministinnen darüber aufregen”. Feministinnen hören derweil Songs, die sie tatsächlich toll finden. (Quelle: Screenshot BTN)

Aber die Aufregung um Layla zeigt auch, wie rigoros Rechtsaußen den Kulturkampf führt. Akteur*innen machen sich zugespitzte Berichterstattung zunutze, um einen Skandal zu konstruieren. Dieser Skandal wird dann herangezogen, um eine altbekannte Dichotomie zu untermauern: auf der einen Seite eine imaginierte Politikerriege, die den Deutschen alles wegnehmen und verbieten wolle, die die wahren Probleme” nicht angehe und stattdessen totalitär Zensur ausübe – auf der anderen Seite sie selbst als Verteidiger der Freiheit.

In der Rebellion für Layla sind Konservative bis hin zu Verschwörungsideologen und Neonazis vereint. Dass der Schlager längst im Mainstream verankert ist, wird nebensächlich. Es wird sogar zum Plus: Über die Vereinnahmung des Sommerhits können sich Rechte Anschlussfähigkeit erhoffen.

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