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Rheinland-Pfalz 2015 Das Problem heißt Rassismus

Bei der Razzia zur "Oldschool Society" wurde in Rheinland-Pfalz auch die Adresse durchsucht, die bei dem rechtsextrem-verschwörungsideologisch-antisemitischen Blog "Mut zur Wahrheit" im Impressum steht. Noch ist unklar, ob und wenn ja, welche Zusammenhänge es gibt. (Quelle: Screenshot 27.12.2015)

Vom Antifaschistischen Infobüro Rhein-Main

Pegida-Anlauf

In Rheinland-Pfalz gibt es mehrere Versuche, das Thema Pegida zu etablieren. Die extrem rechte „Burschenschaft Germania Halle zu Mainz“ lud Tatjana Festerling, die Pegida-Bürgermeisterkandidatin aus Dresden, zu einem Vortrag ein. In Kaiserslautern versuchte ein Pegida-Ableger unter dem Motto „Patriotische Europäer sagen Nein!“ im Oktober sowie im November durch die Stadt zu marschieren, die Beteiligung war jedoch eher gering.

Auch im Westerwald bildete sich ein Pegida-Ableger: Unter der Bezeichnung „Bekenntnis zu Deutschland“ fanden in Rennerod und Bad Marienberg insgesamt drei Aufmärsche gegen eine Flüchtlingsunterkunft statt. Organisiert wurden die Veranstaltungen von AfD-Mitglied Torsten Frank und dem niederländische Waffenhändler Ed Wagensveld. Wagensveld spricht regelmäßig in Dresden und ist dort auch im Pegida-Organisationsteam. Nachdem die Lokalpresse berichtete, dass Torsten Frank bei Facebook „mehr gesunden Rassismus“ forderte, versucht die AfD ihn rechtzeitig vor der heißen Phase des Landtagswahlkampfs in Rheinland-Pfalz loszuwerden. An den Aufmärschen nahmen zwischen 150 und 300 Menschen teil, unter ihnen auch Anhänger der NPD, der Der III. Weg sowie Neonazis, die wegen Mitgliedschaft in „Kameradschaft Westerwald“ im Gefängnis gesessen hatten.

HogeSa-Abspaltung

Auch in diesem Jahr trat die rechte Hooligan-Szene aus der Region Kaiserslautern-Ludwigshafen-Mannheim in Erscheinung. Im Februar hatten rechte Hooligans der HogeSa-Abspaltung „Gemeinsam Stark Deutschland“ in Ludwigshafen aufmarschieren wollen. Ihnen wurde jedoch lediglich eine stationäre Kundgebung genehmigt, an der sich etwa 400 rechte Hooligans und Neonazis beteiligten. Dies ist als Misserfolg zu werten, da die Neonazis am HogeSa-Aufmarsch von Köln anknüpfen wollten und sich eine größere Beteiligung erhofft hatten. Dementsprechend schlecht war die Stimmung vor Ort. Wie bereits in den letzten Jahren spielte die RechtsRock-Hooligan-Band Kategorie C ein Konzert in Frankreich, nur wenige Kilometer hinter der rheinland-pfälzischen Grenze. Das Konzert war für den Raum Kaiserslautern angekündigt worden.

Wenig Teilnehmerzahlen bei Aufmärschen

Im November fand erneut der „Trauermarsch“ in Remagen statt. Als Redner und Veranstaltungsleitung traten Neonazis auf, die sich seit 2012 vor dem Koblenzer Oberlandesgericht im Prozess gegen das Aktionsbüro Mittelrhein verantworten müssen (Siehe unten). Seit 2009 findet dieser „Trauermarsch“ jährlich statt. In diesem Jahr beteiligten sich allerdings nur etwa 120 Neonazis an der Veranstaltung. Damit hat dieser Aufmarsch seine besten Zeiten hinter sich. In der Vergangenheit kamen zeitweise mehr als 250 Neonazis in die Kleinstadt im nördlichen Rheinland-Pfalz.

Auch der jährliche NPD-Aufmarsch am 1. Mai darf getrost als Flop bezeichnet werden. Zwar reisten mit 140 Teilnehmern am 1. Mai etwa so viele Neonazis nach Worms wie im vergangen Jahr nach Kaiserslautern. Jedoch blockierten Antifaschist_innen bereits nach wenigen hundert Metern die Laufstrecke der Neonazis.Darüber hinaus hatte es die extreme Rechte 2015 schwer, größere Aktionen durchzuführen. Die meisten Versammlungen wurden spontan angekündigt und von weniger als 20 Neonazis besucht. Die geringen Teilnehmerzahlen sind aber weniger dem Kalkül der Neonazis als vielmehr der anhaltenden personellen und organisatorischen Schwäche der untereinander zerstrittenen Neonazis geschuldet. Ein Großteil der Aktionen der NPD und von Der III. Weg diente dem Sammeln von Unterschriften für den Antritt zur Landtagswahl im nächsten Jahr. Aktuelle oder politische Bezüge fanden sich bei den Aktionen nur selten. Es blieb bei Themen wie „Freiheit für Horst Mahler“ oder „Asylbetrug macht uns arm“. Bei solchen kurzfristig angemeldeten und personell schwach aufgestellten Aktionen fällt Antifaschist_innen ein kontinuierliches Dagegenhalten schwer.

Extrem rechte Parteien

Die NPD verliert in Rheinland-Pfalz weiter an Einfluss, sie ist fast ausschließlich in der Westpfalz um Markus Walter und Ricarda Riefling (beide Pirmasens) aktiv. Der vorbestrafte Wormser Stadtrat Michael Weick hat im November die NPD verlassen. Sein Sitz im Wormser Stadtrat will er als Fraktionsloser beibehalten. Ob die Distanzierung von der NPD auch für das extrem rechte Umfeld Weicks gilt, muss aktuell noch bezweifelt werden.

Dafür hat Der III. Weg seine Aktivitäten ausgebaut. Mit einem klaren Ziel: Die Partei will zur Landtagswahl im März 2016 antreten.

In ihrer Thematik begrenzt sich Der III. Weg fast ausschließlich auf die Hetze gegen Flüchtlinge. In mehreren Städten organisierte die Partei Kundgebungen, an denen bis zu 50 Neonazis teilnahmen. Im Mai wurde die Partei dann mit einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Limburgerhof in Verbindung gebracht. Auch gegen diese Unterkunft hatte Der III. Weg als „Bürgerinitiative Limburgerhof“ über lange Zeit Stimmung gemacht. Der Parteivorsitzende Klaus Armstroff schrieb im Nachgang auf der Homepage der Partei, er könne „Deutsche verstehen, die darüber hinaus aktiv sind“. Bereits im Sommer hatte Der III. Weg eine Karte, auf der bundesweit Geflüchtetenunterkünfte eingezeichnet sind, im Internet veröffentlicht.

Die Rechte“ hat zusammen mit den gescheiterten Landesverbänden aus Hessen und RLP die „Die Rechte Südwest“ gegründet. Federführend dürfte dabei Michael Idir sein. Bisher ist die Partei fast nur im Internet aktiv. Einzig bei einer „Gedenkkundgebung“ am Totensonntag in Bretzenheim bei Bad Kreuznach trat die „Die Rechte“ in Rheinland-Pfalz öffentlich auf, zusammen mit der NPD und Mitgliedern der Kameradschaft „Nationaler Widerstand Zweibrücken“.

AfD

Die Spaltung innerhalb der AfD zeigte sich auch in Rheinland-Pfalz. Mehrere Vorstandsmitglieder, darunter auch der Vorsitzende, verließen nach dem Bundesparteitag im Juli die Partei und gründeten den Landesverband der ALFA, der seitdem jedoch in der Versenkung verschwunden ist. Ihren Austritt begründeten die vormaligen Führungspersonen mit dem Rechtsruck.

Im Landesverband der AfD geben jetzt stramme Rechte den Ton an. Der neue Landesvorsitzende Uwe Junge, ein ehemaliger Berufssoldat und langjähriges CDU-Mitglied aus Mayen, sieht die Partei „rechts von der Union“. Sein Stellvertreter ist der rechtsaußen-Burschenschafter und Koblenzer Stadtrat Joachim Paul. Das Zentrum der AfD ist damit in den Norden von Rheinland-Pfalz verschoben. Dies ist nicht verwunderlich, denn von dort stammt nach Informationen der TAZ auch Björn Höcke, der in Neuwied aufgewachsen ist. Es ist zu vermuten, dass langjährige Kontakte zwischen Höcke und Kadern der rheinland-pfälzischen AfD bestehen. So passt auch ins Bild, dass Höcke beim letzten Landesparteitag einen Gastaufritt hatte. Auch weitere AfDler fielen in der Vergangenheit durch rechtsaußen-Kontakte auf.

Zu einer Demonstration der AfD in Mainz erschienen im November ca. 300 Anhänger um den Worten der Parteivorsitzenden Frauke Petry, Uwe Junges und Armin-Paul Hampel zu lauschen. Die geplante Demonstration konnte allerdings nicht stattfinden, da diese nur unter dem Protest der über 1000 Gegendemonstranten hätte stattfinden können. Die AfDler mussten sich mit einer Kundgebung vor dem Theater begnügen. Vor der Landtagswahl setzt die Partei auf die Themen Flüchtlinge und Integration. Es ist abzusehen, dass sie am 13. März 2016 in den Mainzer Landtag einzieht.

Offizielle Ermittlungen

Erstaunlich wenig Beachtung finden die Prozesse gegen Neonazis in Rheinland-Pfalz. Seit 2012 läuft in Koblenz der Prozess gegen Neonazis vom Aktionsbüro Mittelrhein sowie deren Unterstützer, insgesamt 20 an der Zahl. Nach dem NSU-Verfahren in München dürfte es sich dabei um einen der größten Prozesse gegen Neonazis in den letzten Jahrzehnten handeln. Bisher gab es mehr als 220 Prozesstage. Falls der Prozess nicht platzt, dürfte er auch 2016 nicht zu Ende gehen. Im Prozess verteidigen Szene-Anwält_innen, die auch in München die Neonazis vom NSU und deren Umfeld vertreten.

Ebenfalls in Koblenz wird derzeit gegen weitere Neonazis verhandelt: Insgesamt 30 Neonazis aus ganz Deutschland waren 2012 wegen eines Neonazi-Internet-Radios verurteilt worden, jetzt wird der Prozess neu aufgerollt. Voraussichtlich 2016 wird ein weiteres Verfahren gegen Neonazis neu aufgerollt, die 2010 einen vermeintlichen „Verräter“ an einer Grillhütte im Westerwald fast zu Tode geprügelt hatten.

Anfang Mai 2015 kam es im Rahmen des polizeilichen Großeinsatzes gegen die mutmaßlich rechtsterroristische Vereinigung „Oldschool Society“ auch in Rheinland-Pfalz zu einer Razzia: In der Gemeinde Hahnstätten im Rhein-Lahn-Kreis durchsuchten Polizeibeamte eine Wohnung. Auf diese Adresse war auch das Impressum der Internetseite „Mut zur Wahrheit“ angemeldet, die zum Spektrum der Holocausleugner zu zählen ist. Die Homepage liegt heute auf einem US-Server, die polizeilichen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Es bleibt abzuwarten, ob es im gesamten OSS-Verfahren überhaupt zu einer Anklage-Erhebung kommen wird – und ob daraus ersichtlich werden wird, wie „Mut zur Wahrheit“ und „Oldschool Society“ eigentlich zusammen hängen.

Brandanschläge

Die rassistische Hetze von NPD, Der III. Weg, AfD und Pegida hat auch in Rheinland-Pfalz verheerende Folgen gehabt: Nach dem Brandanschlag auf die geplante Unterkunft in Limburgerhof im Mai brannte es außerdem im August in einem von Geflüchteten bewohnten Haus in Niedersteden (Eifel) und im Dezember in Herxheim (Pfalz).

Darüber hinaus gab es weitere Angriffe. Allerdings wird die Öffentlichkeit nicht immer von Behörden informiert, so dass nicht alle Angriffe auch öffentlich bekannt sind.

Wir gehen davon aus, dass im kommenden Jahr rassistische Hetze und Angriffe weiter zunehmen werden.

 

Weitere Informationen:

Im „Antifaschistischen Infobüro Rhein-Main“ (www.infobuero.org) arbeiten Menschen zusammen, die seit vielen Jahren extrem rechte und neonazistische Organisationen und Aktivitäten in Hessen und Rheinland-Pfalz mit Schwerpunkt auf den Großraum Rhein-Main beobachten und auswerten. Wir publizieren in verschiedenen Medien, leisten Bildungs- und Beratungsarbeit und stellen unser Wissen denen zur Verfügung, die sich gegen Rechts engagieren. Ergebnisse unserer Arbeit fließen nicht nur in zahlreiche Fachartikel und Vorträge über rechte Strukturen im Rhein-Main-Gebiet ein. Der Austausch mit Aktiven vor Ort ermöglicht genaue „Lagebilder“ und zielgerichtetes Handeln gegen Rechts.Ihr findet uns auch auf Facebook (https://www.facebook.com/infobuero.org)

 

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