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Life-Coaches Von neoliberaler Hustler-Männlichkeit in den Faschismus

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Fans des momentan wegen Menschenhandels und Vergewaltigung angeklagten Influencers Andrew Tate sind unangenehme Gesprächspartner. Sie imitieren seinen anstrengenden Sprachduktus, behaupten von sich, „Alpha“ zu sein und deswegen nicht zuhören zu müssen, und sie rattern immer die gleichen formulaischen Aussagen herunter, die sie sich von Tate abgeschaut haben. Eine davon ist: „Welche Farbe hat dein Bugatti“?

„Welche Farbe hat dein Bugatti?“

Ziel der Frage ist nichts anderes, als sich über Menschen lustig zu machen, die sich kein überteuertes Luxusauto leisten können, und mit dem eigenen Reichtum zu protzen – selbst wenn dieser, wie im Falle von Tate, durch Zuhälterei und Multi-Level-Marketing-Betrug erreicht worden ist. Denn obwohl Tates provokant vorgetragene Misogynie einer der Gründe ist, wieso ihn sich in ihrer patriarchalen Vorherrschaft gekränkt fühlende junge Männer zum Vorbild auserkoren haben – das Versprechen, als Tate-Jünger es ebenfalls zum Besitzer eines Bugattis werden zu können, ist mindestens genauso ansprechend.

Dies ist darin begründet, dass die Performance hegemonialer Männlichkeit im neoliberalen Kapitalismus untrennbar mit der Inszenierung von Reichtum und finanziellem Erfolg verknüpft ist. Ein „richtiger Mann“ zu sein, das bedeutet Geld haben, finanziell unabhängig sein – und dies auch zeigen können. Diese Vorstellungen neoliberaler „Hustler“-Männlichkeit – also Männer, die rund um die Uhr sehr hart und sehr erfolgreich arbeiten – und faschistische Männlichkeitsideale sind jedoch gar nicht so weit voneinander entfernt. Deshalb ist es nicht überraschend, dass viele dieser Life- und Finanzcoaches regelmäßig bei antifeministischen, maskulinistischen, oder gar protofaschistischen Inhalten landen – und diese an ihre oftmals jugendlichen und leicht zu beeinflussenden Anhänger weitervermitteln. Diese bezahlen dafür sogar noch Geld, auch im deutschsprachigen Raum.

Rise and Grind für das Hustler-Life

Wer Multimillionär werden will, muss früh damit anfangen – wie zum Beispiel die Jungs von „Future One Percent“. Sie haben, wie sie auf TikTok erzählen, die Schule abgebrochen um als coole Business-Typen durchzustarten.  Dies bieten sie auch ihren Followern an. Diese können Teil der „FOP“-Community werden, natürlich nicht ohne vorher eine „Einrichtungsgebühr“ von 35 Euro und einen Monatsbeitrag von 17,50 Euro gezahlt zu haben. Laut Selbstangaben richtet sich die aus mehreren Chatgruppen bestehende Community an „Menschen, die von nichts und niemandem abhängig sein wollen, um in absoluter Freiheit zu leben, Menschen, die das absolute Maximum aus ihrer Persönlichkeit rausholen wollen“ und „Menschen, die sich nicht mit dem normalen Leben zufrieden geben und nach mehr streben.“

Das „Mehr“ besteht, so zumindest laut den TikTok und Instagram-Videos der Teenager, aus: dem Genuss möglichst proteinreicher und schnell gekochter Gerichte, dem Filmen von Videos, und einer nicht näher definierten Arbeit, der sie aber wie ein echter Wolf of Wallstreet von morgens um acht bis tief nach Mitternacht nachgehen. Deutschland wollen sie alsbald verlassen, geben sie auf Social Media an: die Bewohner*innen dieses Landes hätten ein zu großes „NPC-Mindset“. „NPC“, das steht für „Non Player Character“, also „Nichtspielercharakter“ – und ist ein derogativer Begriff, der aus Kontexten von Imageboards wie 4chan und der Alt-Right stammt. Er suggeriert, dass alle anderen Menschen wie fremdgesteuerte Figuren aus einem Videospiel seien, anstatt der eigenständige Hauptcharakter, als den sich die zukünftig führenden „Ein Prozent“ der Menschheit betrachten.

Die beiden Wannabe-Millionäre haben einen immer wiederkehrenden Gast in ihren Videos: einen gewissen Nino Haralambidis. Ihm und seinem Bruder Elias Haralambidis hätten sie „extrem viel zu verdanken“. Vermutlich meinen sie damit: „Wir haben uns von den beiden abgeguckt, andere Jugendliche in ein extrem dubioses Multi-Level-Marketing-System zu schleusen und andere Menschen zu verachten.“

Champlife: Vom Life-Coach zum Pick Up-Artist

Vielleicht möchten die beiden aus dem baden-württembergischen Trossingen stammenden Brüder das deutsche Äquivalent von Andrew und Tristan Tate werden. Es spricht zumindest einiges dafür: ihre Frauenverachtung, ihr Abklatsch von Tates „Hustler-Akademie“, und vor allem die pseudo-tiefgründigen, aber letztendlich ausgesprochen inhaltsleeren Tweets, die wirken, als wären sie von Chat GPT konzipiert worden. Elias Harambalidis begann seine Karriere als Gaming-YouTuber, Nino hingegen als Sportler. Inzwischen betreiben sie die über eine Briefkastenfirma in den Vereinigten Arabischen Emiraten angemeldete Agentur „Champlife“. Deren Aufgabe: leicht zu beeindruckende Jungen lehren, das Leben als NPC hinter sich zu lassen und zu einem echten Alpha-Mann aufzusteigen – natürlich gegen die entsprechende Gebühr von 30 Euro im Monat, zuzüglich 120 Euro Einrichtungsgebühr. Genau wie bei ihrem Zöglingen von „FOP“ winkt dafür der exklusive Einblick in ein paar Chatgruppen, in denen die User sich gegenseitig ihres Hustler-Lifestyles versichern und Tipps zu zukunftssicheren Anlagen wie Crypto-Währungen und NFTs austauschen können.

Auf der “Champlife”-Homepage geben sie einen Einblick in ihr „Grindset“, auch wenn nur ein kleiner Auszug für Nicht-Mitglieder aufrufbar ist. Grind steht für die (monotonen) Aufgaben, die wieder und wieder bezwungen werden müssen, hier kombiniert mit dem „Mindset“, also der Einstellung, die das mit Leichtigkeit ermöglichen soll. Auch sie sehen sich als intellektuell überlegene, rationale und nicht von weibischen Lächerlichkeiten wie Emotionalität oder Empathie abgelenkte Machertypen. Die Beziehungen zu anderen Menschen sind dementsprechend rein instrumentell: die Haralambidis-Brüder predigen, sich nur mit Menschen zu umgeben, die ebenfalls „Gewinner“ sind, alle anderen sind nur Ballast. Echte Männer, so betont Nino, dürfen auf keinen Fall schwach sein, und sowieso sei die Entscheidung zu „Stärke“ oder „Schwäche“ sowieso nur eine Sache der Einstellung.

Klingt nicht nur wie eine Sekte, ist vermutlich auch so was ähnliches (Quelle: Webseite)

In einer Weltsicht, in der andere Menschen nur als beliebig austauschbares Mittel zur Steigerung der eigenen gesellschaftlichen Position benutzt werden, ist es naheliegend, dass auch Frauen lediglich als Objekte betrachtet werden. Für einen selbsterklärten Alpha-Mann ist die Aufgabe einer Frau nämlich primär, ihn in seiner Männlichkeits-Performance zu bestätigen. In Blog-Posts und TikToks, in denen sich Elias und Nino auf sensible Frauenversteher wie Kollegah oder Jordan Peterson beziehen, erklären sie dann auch direkt, wie es laufen muss mit den Ladies. Einer der Tipps lautet: sie durch emotionale Manipulation verletzen, ihr Selbstbewusstsein brechen, sie komplett abhängig machen. Kurz: klassische Techniken der explizit frauenfeindlichen „Pick Up-Artists“, also von Männern, die den emotionalen Missbrauch von Frauen zur Dating-Strategie erhoben haben.

Wen diese paar Texte überzeugt haben. Kann auch für das Schnäppchen von 750 Euro den “Champlife”-Kurs „Soul Locked – Die Gesetze der Liebe“ erwerben. Das dahintersteckende Frauenbild ist inhärent misogyn: “Champlife” suggeriert ganz im Stil der Redpill– und Blackpill-Ideologie, dass Frauen eigentlich alle inhärent submissiv, also unterwürfig, seien und sie es nach einem dominanten und finanziell abgesicherten Alpha verlangen würde; zu „nette“ Männer müssen hingegen in der „Friendzone“ ihr Dasein fristen. Sowieso seien Frauen ohne einen Mann an ihrer Seite auch eigentlich unvollkommen, erklärt Nino in einem in holprigem Englisch formulierten Tweet weiter.

Das finale Ziel sei übrigens nicht, so viele One Night-Stands wie möglich zu haben, sondern Frauen soweit emotional abhängig zu machen, dass sie dem Mann komplett und für immer hörig seien. Auf seinem Instagram-Account prahlt Nino Harambalidis damit, dass Frauen sich seinen Namen tätowieren lassen würden. Dies ist übrigens auch eine Technik, die regelmäßig von Zuhältern und Menschenhändlern angewandt wird, um ihre Opfer zu brandmarken.

Das ist übrigens ein Paradebeispiel für emotionalen Missbrauch. (Quelle: Screenshot Homepage)

Doch nicht nur Frauen sollen emotional von den Brüdern abhängig gemacht werden. Videos der “Champlife”-Events zeigen Männer, die neben dem Besuch von Seminaren gemeinsam Sport und Schießübungen machen und im Gleichtakt schreiend ihre Zugehörigkeit zum Hustler-Kollektiv beschwören. Wer Parallelen zu einem Kult erkennt, liegt gar nicht so weit weg. Ein ehemaliges Mitglied schreibt auf der Online-Plattform Gutefrage.de: „Champlife hat bei mir eine Psychose und schwere Depression ausgelöst! Champlife ist eine üble Manipulation! Dein Unterbewusstsein wird auf übelste Weise manipuliert und verändert! Du nimmst nicht mehr die Reize in deiner Umgebung war und wirst innerlich und äußerlich abgetötet! Champlife ist Gift und tut unsichere Menschen beeinflussen und umbringen! Unsichere leicht zu manipulierende Menschen werden hier missbraucht und getötet. Nino Champ und Elias Cuz sind Mörder und dreckige Schweine! Auch wenn du ihnen nur folgst wirst du davon krank werden und dir wird es schlecht gehen! Viele die in Champlife waren sind aus ihrer Ausbildung geflogen, haben ihr Abitur verhauen und sind in weiteren Stadionen durch ihre Überheblichkeit gestorben! Champlife tötet die Seele und den Kopf Champlife tötet jeden! Lass es mit Champlife und frage in deinem Umfeld die Dinge die dich bewegen und dich beschäftigen!“

Andere Bewertungen klingen positiver, unter anderem die von einem gewissen Roman M.: „Die große Gruppe an inspirierenden Leuten und die daraus entstehende Dynamik sorgt dafür, dass meine innere Energie in produktive Bahnen gelenkt wird […]. Ich fühle mich besser denn je.“ Bei Roman M. handelt es sich um den Vorsitzenden der FPÖ-Jugend Salzburg, seit Jahren regelmäßiger Gast auf Veranstaltungen und Demonstrationen der „Identitären Bewegung“.

Vom Fitnesscoach zum Frauenhasser: Karl Ess

Für alle, die das Privileg haben, Karl Ess nicht zu kennen: es handelt sich um einen ehemaligen Fitness-Coach und Verkäufer von Säften und veganen Supplements. Seit einigen Jahren protzt er auf Instagram, wo ihm über 400.000 Menschen folgen, jedoch lieber mit Sportwagen anstatt seinen Muskeln, und auf YouTube redet der selbstbezeichnete „Serienunternehmer“ vor seinen über 300.000 Abonnent*innen nicht nur darüber, wie sich das eigene Mindset optimieren lässt um ebenfalls Millionär zu werden, sondern verbreitet zunehmend menschenfeindliche und verschwörungsideologische Falschbehauptungen. Darüber, dass der ehemalige Fitness-Coach und vegane Influencer Karl Ess sein Vermögen auf einer dubiosen Betrugsmasche aufgebaut hat, wurde schon an anderen Stellen berichtet, hier soll es um seine reaktionären Einstellungen und Aussagen gehen – und davon gibt es wahrlich genug.

Ähnlich wie andere libertäre „Entrepreneure“ und „Hustler“ hält sich Ess für dem durchschnittlichen Normie um Längen überlegen. Er hat schließlich ein – mutmaßlich auf aggressivem Marketing und Betrug – basiertes Vermögen, eine Armada verunsicherter Jugendlicher als Anhänger, und ein derart stabiles Selbstbewusstsein, dass er auch nur die leistete Kritik an seiner Person in mindestens 30 Minuten langen Videos beantworten muss. Sein ideales Leben besteht, so betont er, „aus arbeiten und schlafen“ – und genau das verlangt er auch von einem potenziellen Assistenten (der explizit männlich sein muss). Von diesem verlangt er „24 Monate ohne Urlaub“ und „24/7“ Dauertätigkeit, keine Beziehung, und auch mal „48-72 Stunden ohne Essen und Schlaf auskommen“. Voraussetzungen für den persönlichen Leibsklaven sind außerdem „krankhaft ehrgeizig“ und „leidensfähig“ zu sein, außerdem „alles zu machen was ich sage“ und „Andrew Tate und Donald Trump“ geil finden. Dafür verspricht Ess eine Zukunft als Multimillionär.

Arbeitsrechtlich übrigens alles nicht wirklich legal. (Screenshot: Reddit)

Auch Ess bemisst den Wert eines Menschen an dessen finanziellem Erfolg – auch, oder gerade wenn dieser auf der Ausbeutung anderer besteht. Ideologisch anknüpfend an eher zweifelhafte Persönlichkeiten wie Henry Ford oder Ayn Rand zelebriert er den „Unternehmer“ als wichtigstes Element der Gesellschaft. In einem Instagram-Video von 2020 fragt er den Coach-Kollegen Lorenz Konat, was denn eine bessere Wahl wäre: drei Tage pro Jahr mit den „Lieblings-CEOs“ verbringen (ganz originell sind es Elon Musk und Donald Trump) und von deren Weisheiten zu profitieren (beispielsweise eine Social Media-Plattform in den Grund zu wirtschaften?) oder „fünf von den allerheftigsten Bräuten“ als „Sklavin“ halten zu dürfen.

Konat entscheidet sich selbstverständlich für das Essen mit Männern, die mehrere Unternehmen in den Sand gesetzt haben, da er sich deren Wissen aneignen, damit ein Vermögen verdienen und sich die Frauen dann so untertan machen könnte. Das Ganze zeugt nicht nur von einem brutalen Unwissen bezüglich kapitalistischer Produktionsweisen, sondern gibt einen Vorgeschmack auf das misogyne Frauenbild der Finanz-Coaches. Denn die Verkommenheit des Weibes unter der Moderne wird zunehmend Thema in den Videos, Reels und TikToks von Ess. Dies zeigt sich auch in seinen Instagram-Abonnements, zu denen antifeministische Ikonen wie Tate, Jordan Peterson oder Johnny Depp zählen.

Frauen hemmen nur

Ess verlangt von sich und seinen Anhängern, das eigene Leben komplett auf die neoliberale Selbstzurichtung zu trimmen. Frauen würden diese jedoch hemmen, erklärt er in einem Video. Denn: Männer sind von Natur aus einfach mehr auf Konkurrenzdenken ausgerichtet, Frauen hingegen zu emotional für den harten, täglichen Grind im Kapitalismus. Außerdem würden Frauen von Männern verlangen, Zeit und Arbeit in eine Beziehung zu stecken, anstatt in ihr aufsteigendes Unternehmertum – und wie Karl Ess vermittelt, ist jede Sekunde, die nicht in den Aufbau eines versprochenen Vermögens, sondern irrelevante Sperenzchen wie erfüllende emotionale Beziehungen gesteckt wird, eine verlorene Sekunde.

Alles, was nicht harte, kalte und erfolgsorientierte Männlichkeit ist, verachtet Ess. Gerade auf TikTok verpackt er seine Menschenfeindlichkeit in leicht konsumierbare Häppchen und spricht sich zum Beispiel für Zwangsarbeit für Hartz IV-Empfänger*innen, gegen linken Journalismus, gegen Corona-Maßnahmen, gegen die körperliche Selbstbestimmung von Frauen und gegen Feminismus generell aus.

Generell, so erklärt er in einem weiteren Video, sollten Männer erst Beziehungen beginnen, wenn sie 30 Jahre alt sind, und sich davor auf Vermögensaufbau fokussieren. Männer, erklärt er wichtigtuerisch, könnten Frauen nämlich nur dann etwas bieten, wenn sie bereits etwas erreicht hätten – selbstverständlich auf finanzieller Ebene. Dass die Beziehung zu einem Mann, der keinerlei Erfahrungen damit hat, Konflikte auszutragen oder über die eigenen Bedürfnisse oder Gefühle zu sprechen primär frustrierend ist, kommt ihm nicht in den Sinn. Der Wert von Frauen hingegen würde sich primär an ihrem Aussehen und ihrer Fruchtbarkeit messen. Deshalb seien gerade jüngere Frauen adäquate Partnerinnen – impliziert ist, dass sie außerdem weniger Erfahrung und Selbstbewusstsein hätten und deswegen leichter zu manipulieren seien.

Dominante Männer, aufblickende Frauen

Generell wollen, führt er in mehreren Videos auf, Frauen zu Männern „aufblicken“, von ihnen „erobert werden“. Sowieso seien Frauen, die Sex mit mehreren Menschen gehabt hätten, „Gebrauchtware“, hätten ihren „sexuellen Marktwert“ aufgebraucht und ihren Zenit mit 25 erreicht. Außerdem seien westliche Frauen durch den Feminismus zu anspruchsvoll geworden, würden sich zu schnell von Partnern trennen, nur weil diese emotional ein bisschen missbräuchlich seien und seien generell sexuell zu freizügig. Deswegen sei es für einen Mann in der Beziehung wichtig, dominant zu sein, seiner Partnerin Social Media-Accounts und männliche Freunde zu untersagen und sie am besten ökonomisch und emotional in ein Abhängigkeitsverhältnis zu manövrieren. All dies sind Aussagen, die seit Jahren von Vertretern der Männerrechtsbewegung und Alt-Right verbreitet werden und die Frauen auf Dekorationsobjekte oder potenzielle Gebärmaschinen reduziert und ihnen somit den Subjektstatus abspricht.

Die wissenschaftlichen Hintergründe dafür sind übrigens nicht existent. (Quelle: YouTube)

Zerstört der Feminismus die deutsche Wirtschaft?

Die aus fragiler Männlichkeit herrührende Angst vor weiblicher Emanzipation politisiert sich konkret im Antifeminismus, und auch dazu hat Karl Ess ein paar Dinge zu sagen. Denn: die Moderne und der Feminismus zerstörten unsere Gesellschaft und führten unweigerlich in die Degeneration.

Es sei schlecht, wenn Männer „verweichlichen“ würden, während Frauen sich geschlechtsfremden Anwandlungen wie einer Karriere widmen würden, erklärt er in gleich mehreren Videos. Der Feminismus schadet der deutschen Wirtschaft, so Ess – und diese Aussage ist nur marginal davon entfernt, dass Feminismus dem deutschen Volke schaden würde. Denn, führt er weiter aus: durch den Feminismus würden deutsche Frauen weniger Kinder bekommen, Männer würden keine starken Vaterrollen mehr verkörpern, das Land und seine Kinder sind also verdammt zu verkümmern. Gleichzeitig würden mehr Migrant*innen ins Land einwandern. Dies klingt nicht nur verdächtig nach dem faschistischen Verschwörungsnarrativ des „Großen Austausch“, dem die Identitäre Bewegung oder rechtsterroristische Mörder anhängen – es ist dieses Verschwörungsnarrativ. Zur reaktionären Ideologie des Coaches past, dass er in anderen Videos gegen die transgeschlechtliche Influencerin Dylan Mulvaney hetzt, sexuelle Gewalt auf Männer mit Migrationshintergrund projiziert, TikTok als ein Versuch der chinesischen Regierung ansieht, den Westen zu schwächen, dass er sich für die AfD ausspricht oder zusammen mit dem rechtspopulistischen Türsteher und Kickboxer Michael Kuhr für eine radikale Abschiebepolitik plädiert.

Gäbe es mehr „linksgrünes Theorie Denken“ gäbe es vielleicht weniger Abonnenten für die Inhalte von Karl Ess (Quelle: YouTube)

Der Lifecoach-Bereich boomt – und damit die Menschenverachtung

„Future One Percent“, „Champlife” und Karl Ess sind nur rein kleiner Auszug aus dem Sumpf hyperkapitalistischer, männerbündischer Menschenfeinde. Da gibt es zum Beispiel noch Felix Hosse, ein Libertärer, der sich als Finanz- als auch Dating-Coach vermarktet, sich über „Woke Culture“ echauffiert und auf dem „anarchokapitalistischen Sommercamp“ der Gruppe „Liberty Rising“ referiert. Oder der ehemalige Coach und selbsternannte „Kingmaker“ Bastian Yotta, der sich inzwischen ins Ausland abgesetzt hat, um juristischer Verfolgung wegen Betrugs zu entgehen. Er gibt in Videos offen zu, Frauen lediglich als „Löcher“ zu betrachten oder betrunkene Freundinnen vergewaltigt zu haben, äußert sich zudem ausgesprochen rassistisch und LGBTIQ-feindlich. Ein weiteres Beispiel wäre der unter dem Pseudonym „SuperExtreme“ agierende YouTuber Felix F., der Content zu „Gesellschaftskritik, Persönlichkeitsentwicklung, Psychologie, Borderline, Dating, Kryptowährungen und vielem mehr“ produziert.

Jungen und männliche Jugendliche – eine verunsicherte, leicht zu beeindruckende Zielgruppe

Ihr Publikum: Jungen und männliche Jugendliche – also eine verunsicherte, leicht zu beeindruckende Zielgruppe. Die Adoleszenz ist Phase der Identitätsfindung, und diese ist oftmals an Geschlecht geknüpft. Also versuchen diese Jungen, hegemonialen Männlichkeitsvorstellungen nachzueifern. In patriarchalen Verhältnissen wird die „richtige“ Performance von Geschlecht belohnt, Abweichungen davon hingegen sanktioniert. Kurz: trotz all der Gewalt und Zurichtung, die Männlichkeitsbilder auch für Jungen bedeuten, versuchen sie, diesen nachzueifern. Diese Konstitution von Männlichkeit immer mit der Abwertung des nichtmännlich konnotierten einher. Diese Sozialisation und die Unsicherheit in der Adoleszenz nutzen diese Coaches als Rekrutierungsfaktor.

Sie alle suggerieren ihrem oft noch sehr jungen Publikum, anhand von narzisstischer Selbstüberhöhung und brutaler Abhärtung und der gleichzeitigen Abwertung von allem, was auch nur ansatzweise unmännlich und „woke“ konnotiert ist – also Emotionalität, Zärtlichkeit, Schwäche, Solidarität, Moderne und gesellschaftliche Emanzipation – einen Ausweg aus den Unsicherheiten der Pubertät. Mit dem Befolgen der richtigen Regeln, die es gegen ein paar Euro monatlich zu erlernen gibt, versprechen sie ihren Jüngern, sie von pickligen Losern zu Alpha-Männern mit tollem Auto und attraktiver Freundin zu coachen.

Doch dieses Männlichkeitsbild ist nicht nur frauenverachtend, sondern auch immer latent bis offen faschistisch. Inwieweit diese neoliberale Männlichkeitsvorstellung ideologisch und historisch mit Faschismus zusammenhängt, erklären wir in Teil II.

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