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Monitoring Wie „patriotische“ Facebook-Seiten Hass verbreiten

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"Ich bin Patriot, aber kein Nazi" - am Titel dieser Facebook-Seite bestehen berechtigte Zweifel, wenn zugleich Aktionen der neurechten "Identitären Bewegung" geteilt werden. (Quelle: Screenshot)

Text: Simone Rafael, Monitoring: Malte Switkes vel Wittels

„Ich bin kein Nazi! Ich liebe nur mein Land“, ist ein klassischer Satz von Menschen, die sich als „Patriot_innen“ bezeichnen. Sie reklamieren ihre Liebe zu Heimat, Tradition und Kultur, und fragen gern anklagend, ob das denn „schon ein Verbrechen“ sei. Dies ist natürlich nicht der Fall. Doch auf diversen sich „patriotisch“ gebenden Facebook-Seiten mit vielen Mitgliedern bleibt es nicht bei der puren Heimatliebe: Sie wird in Stellung gebracht, um gegen andere Länder, Traditionen und Kulturen zu hetzen, also Rassismus und besonders Islamfeindlichkeit zu verbreiten.  Außerdem gehört zum Repertoire: Sexismus, Hetze gegen „Gutmenschen“ und Politiker_innen – kurz: Propaganda, die an offenen Rechtsextremismus erinnert und oft auch dort herkommt.

Wie sieht das praktisch aus?

Die größte Website im Feld ist „Ich bin Patriot, aber kein Nazi„. Über 80.000 Menschen gefällt die Facebook-Seite, die aktuell offen eine Demonstration der neurechten „Identitären Bewegung“ in Wien bewirbt, die das gute alte Rechtsaußen-Thema des „Volkstods“ unter dem Motto „Der große Austausch“ bedient:

Klassisches Stilmittel, hier im Bild rechts zu sehen: Gern wird ein historisches Zitat genommen – hier von Carl Theodor Körner – aus dem Zusammenhang gerissen und neu kombiniert – hier mit einem Foto der Bundesregierung.

Aber was teilt „Ich bin Patriot, aber kein Nazi“ denn sonst so? Einerseits Erwartbares und praktisch Unproblematisches:

 

Dieses Level wird allerdings relativ schnell verlassen. Es bleibt zwar schwarzrotgold, aber nun wird ein Allgemeinplatz addiert und als Erkenntnis präsentiert – mit dem nicht ausgesprochenen Subtext, Flüchtlinge und Asylbetrug gleichzusetzen.

Interessant eine Diskussion auf „Ich bin Patriot, aber kein Nazi“ über Burkas, die schnell darin mündet, dass der Admin postet, das Christentum habe ausgerechnet im Mittelalter „Humanität und Nächstenliebe“ in die Welt gebracht – ins Netz gestellt mit einer natürlich quellenlosen Hetzgrafik, wie viel schlimmer „islamische Invasionen“ gegenüber den christlichen Kreuzzügen seien. Dafür gibt es selbst in den eigenen Reihen Widerspruch:

Die Hetze gegen Islamist_innen gehört zum Standard-Repertoire der Seite – ebenso wie die rassistische Rechtfertigung der Hetze durch den Administrator der Seite: „Wir sind gegen Köpfe abschneiden. Wenn das für Dich Nazis sind, dann sind wir wohl Nazis.“

Demokratischen Problem-Lösungs-Verfahren steht der Admin auch eher skeptisch gegenüber, wie der Kommentar zu diesem homophoben Foto eines jungen Mannes in rechtsextremem Pulli zeigt:

In der weiteren Diskussion wird die Aggression von Leser_innen der Seite zur Gewalt ausgemalt und befürwortet. Doch mehr als „nur“ inhaltlich gibt es auch praktisch Überschneidungen zur organisierten rechtsextremen Szene – hier in Form der neurechten „Identitären Bewegung“. Die wird nicht nur im Kopf der Seite, sondern auch in Postings beworben:

Dass auf dieser Seite bisweilen diskutiert wird, wie weit rechtsaußen noch patriotisch ist, erklärt sich aus der Reichweite, die mit über 80.000 Fans sehr groß ist. Trotzdem scheinen die offenen rechtsextremen Postings der Admins die Fans der Gruppe nicht genug abzuschrecken, um auszutreten.

Weit in die rechtsextremen Szene vernetzt ist die Seite „Für Familie, Volk und Heimat – Multikulti und Islamisierung stoppen“ (über 14.000 Fans): Offene rechtsextreme Bezüge finden sich schon unter den prominent präsentierten Likes der Seite: etwa die NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“. Auch die „Hooligans gegen Salafismus“ werden verlinkt, über Aktivitäten der neurechten „Infidels“ berichtet. Der Beliebtheit der Seite tut das offenkundig keinen Abbruch. Die „Patriot_innen“ hier schätzen offenkundig die rechtsextreme Propaganda, der andere Titel dient eher als Feigenblatt.

 

Diese  Facebook-Seiten sind Teil eines großen „patriotischen“ Netzwerks, das an allen Stellen auch in die rechtsxtreme und natürlich rechtspopulistische Szene vernetzt ist. Über 11.000 Menschen klickten etwa auf „Gefällt mir“ bei „Deutsch sein ist kein Verbrechen“, einer Seite, die problematische Postings politischer Gegner_innen oder Migrant_innen vorführt und als symptomatisch beschreiben. „Heimatliebe ist kein Verbrechen“ finden rund 7.000 Fans, verbinden dies aber mit Gedenken an NS-Kriegsverbrecher, Anti-Antifa-Hetze und Rassismus. Auf „Das Volk steht auf“ (4.000 Fans) wird auf schwarzrotgoldenem Grund mit dem HoGeSA-Slogan „Gemeinsam sind wir stark“ geworben und in den Beiträgen über „Nein zum Heim“-Seiten gegen Flüchtlinge gehetzt. Auf „Ich bin stolz, deutsch zu sein“ (über 7.000 Fans) sieht Rassismus so aus (und wird in der Einleitung „garniert“ mit der Hetze gegen sexuelle Vielfalt):

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„Zeig Flagge, Deutschland“ hat dagegen offenbar so viel Angst vor der Rechtmäßigkeit der eigenen Inhalte, dass es sicherheitshalber 3 Versionen davon gibt – falls die anderen von Facebook gelöscht werden. Auf einer dieser Seite finden sich fantastische Postings wie diese hier:

„Quelle“ der „Nachricht“ ist eine amerikanische islamfeindliche Website, die offenkundig Verschwörungstheorien zu ihrem Repertoire zählt. Einen Wahrheitsgehalt hat die Meldung natürlich nicht. Doch die Taktik, Artikel von rechtspopulistischen, islamfeindlichen, neurechten Medien zu teilen, ist in diesem Spektrum sehr beliebt – um damit eine scheinbare Objektivität zu vermitteln („Schau, andere sagen es auch“).

Immer noch über 6.000 Menschen mögen „Der Patriot„, der ebenso wie „Für Familie, Volk und Heimat“ mit Germania, Goethe und Schiller titelt:

Allerdings wird hier auch sofort die „Balaclava Küche“ verlinkt – eine Nazi-Hipster-Aktion aus der offen rechtsextremen Kameradschaftsszene, zudem mit einem Bericht vom rechtsextremen „Rock für Meinungsfreiheit“-Festival in Hildburghausen. Hier sind die Bezüge zur offen rechtsextremen Szene also nur wenig patriotisch verbrämt, was auch Postings wie diese zeigen:

Den Nazi-Hipster-Bezug beweisen auch Postings wie dieses, das Tierschutz mit sexistischer Abwertung verknüpft:

 

Zu den Seiten, die auf „patriotischen“ Seiten besonders gern verlinkt werden, gehört etwa „Schnauze voll von der BRD GmbH Pseudostaat-Regierung“ (über 14.000 Fans; Als Facebook-URL übrigen „Deutsche Revolution 2015“): Hier finden sich Hass auf die Demokratie neben Reichsbürger-Ideologie und Rassismus.

Auf dieser Seite wünschen sich die User_innen, die aktuelle Regierung würde wie „bei Hitler“ erschossen:

Islamfeindliche Hetzblogs dienen wiederum als Quelle, um Unwahrheiten journalistisch erscheinen zu lassen – und zugleich in guter verschwörungstheoretischer Manier zu behaupten, man könne zu diesen Dingen ja nichts wissen, weil sie bewusst verschwiegen würden. Michael Mannheimer ist das Pseudonym der gerichtsbekannten Islamhassers Karl-Michael Merkle, der unter dieser „Marke“ bloggt und für PI-News schreibt – alles das ohne jeden Wahrheitsgehalt. Interessanterweise ist dieser am 26. Mai 2015 geteilte Artikel übrigens von 2013 und bezieht sich auf einen (!) Vorfall von 2012. Doch so weit lesen die empörten Kommentator_innen ja gar nicht – die eigene rassistische Weltsicht ist ja eh schon bestätigt.

Kein Wunder: „Schnauze voll…“ sondert eine beeindruckende Masse von Hass ab, das müssen die Betreiber_innen auch zu älterem Material greifen oder Dinge einfach zweimal posten: An einem Tag setzt die Facebook-Seite 93 Postings ab (gezählt am 26.05.2015).

Auch beliebt bei den „Patriot_innen“: „Gefällt mir, weil Gutmenschen panisch zur Nazikeule greifen“ (auch ca. 14.000 Fans).

Die Seite behauptet im Titelfoto, „Je suis Charlie Martell“: Da bezieht sich einerseits auf das terroristische Attentat gegen das Satire-Magazin „Charlie Hebdo“, aber mehr auf Karl Martell, einen frühmittelalterlichen König und Heerführer, der in der islamfeindlichen Szene für die Schlacht von Poitiers gefeiert wird, bei denen er im Jahr 732 muslimische Araber und Berber mit einem Heer aus Franken und Burgundern daran hinderte, nach Frankreich vorzudringen. Die Weltsicht der Seite illustriert dieses Posting:

Vereint werden hier also Homophobie, Antisemitismus und Rassismus – und das ohne ein explizites Wort. Das auszusprechen wird den Leser_innen überlassen, die auch prompt zur Stelle sind. Ein weiterer beliebter Stilgriff:

Migranten als Kronzeugen für die eigenen Abwertungen feiern – hier in expliziter Sprache gegen „Gutmenschen“, Menschen, die dem Holocaust gedenken und politisch Gegner_innen als Redebeiträge bei „Pegida“ in Dresden.

Auch „Humor“ ist ein beliebtes Stilmittel, um Sachen zu sagen, ohne sie offiziell zu sagen:

Ebenfalls in dieses Umfeld gehört noch die Facebook-Seite „Mut zur Wahrheit“ („nur“ rund 2.700 Fans, was aber auch daran liegt, dass die Seite öfter gelöscht wird): Hier besteht das Konglomerat des Hasses aus Reichsbürger-Ideologie, Verschwörungstheorien, Hass auf den Staat, Antisemitismus bis zu Holocaust-Relativierung, Rassismus, garniert mit Pseudo-Germanischem.

„Mut zur Wahrheit“ veröffentlicht nicht nur besonders gern krude Falschmeldungen, sondern probiert sich auch in rassistischem Internet-Aktivismus:

Der Betreiber ist laut Impressum auf der Facebookseite Dan Ganther aus Duisburg. Der NPD-Fan fiel bereits mit der ebenfalls erfolgreichen Facebook-Seite „Kinder sind tabu“ unangenehm auf, die das Thema des sexuellen Kindesmissbrauchs nutzte, um rechtsextreme Ideologie zu verbreiten. Er macht neben „Mut zur Wahrheit“ auf Facebook auch die „Mut zur Wahrheit“-Website und mutmaßlich diverse weitere Facebook-Seiten ähnlichen Themas, die oft zeitgleich dieselben Inhalte teilen.

„Mut zur Wahrheit“ postete aktuell auch ein Bild, dass sich gerade in der Facebook-Pegida-Gemeinde großer Beliebtheit erfreut und die Hetze gegen Flüchtlinge mit dem Thema verbindet, das Menschen immer sofort auf die Barrikaden bringt: Kinder.

Das Schöne am Internet ist allerdings: Die Möglichkeit zur direkten Gegenaktion ist gegeben (hier rechts in den Kommentaren):

Die gleichnamige Website „Mut zur Wahrheit“ sieht übrigens so aus – ein Schelm, der beim Logo an ein stilisiertes Hakenkreuz denkt… Außerdem werden hier gleich zwei beliebte verschwörungstheoretischer Rhetorik-Kniffe angewendet: „Lügenpresse“-Hetze, verkleidet in „Humor“ über sich selbst; und erst einmal im Voraus jede politische Ausrichtung leugnen und behaupten, man sei nur an „kritischem Denken“ interessiert.

 

Was sagt uns das?

Voran sei gesagt: Wir kennen natürlich nicht alle sich „patriotisch“ nennenden Seiten, die es auf Facebook gibt, und schon gar nicht alle, die einen positiven Bezug zu Deutschland herstellen. Seiten, die Heimatliebe und Heimatverbundenheit feiern, ohne dies als Anlass zu nehmen, andere Menschen oder Länder abzuwerten, sind völlig legitim und ausdrücklich mit der nachfolgenden Analyse nicht gemeint. Diese bezieht sich auf das Netzwerk der bisher besprochenen Seiten.

Die hier vorgestellten sich „patriotisch“ gebenden Seiten haben durch ihre proklamierte Ausrichtung eine hohe Überschneidung zu nicht-rechtsextremen, aber für gruppenbezogen menschenfeindliche Vorurteile aufgeschlossene Menschen.  Sie sind Sammelbecken für viele, denen NPD und Co. zu offen rechtsextrem, die „German Defense League“ zu Kreuzrittertum-Versponnen und andererseits die CDU/CSU zu tolerant ist. Für Menschen, die zwar rassistische, islamfeindliche, sexistische, homophobe, antisemitische, kurz rechtsextreme Ideologie teilen, aber stets von sich weisen würden, ein „Nazi“ oder auch nur ein Feind demokratischer Prinzipien zu sein.

Problematisch: In den „patriotischen“ Gruppen werden neue Vorurteile verbreitet und Feindbilder gefestigt – und dies oft durch eben doch rechtsextrem beeinflusste Administrator_innen. Während einerseits die „eigene Kultur“ als die Größte überhaupt dargestellt wird, was ja ein wenig Souveränität zur Folge haben könnte, wird zugleich in völliger Umkehrung der Verhältnisse das Bild als „Opfer“ zelebriert – als „Opfer“ von Flüchtlingen, Muslim_innen, Politiker_innen, Gutmenschen, Kapitalismus, „Neuer Weltordnung“, von einfach allem. Die großmäulige Welt der Patriot_innen ist zugleich eine Welt der Angst. Sie ist deshalb auch die Heimat von „Pegida“ als der Königsbewegung grundloser Ängste. „Pegida“ trägt ja nicht umsonst „Patriotisch“ im Namen. Erst durch die vielen „patriotischen“ Websites ist „Pegida“ das Internetphänomen geworden, dass schließlich sogar Tausende mit ihren Vorurteilen auch auf die Straße brachte.

Im Konzert der Rechtsaußen-Propaganda in Sozialen Netzwerken sind die „patriotischen“ Seiten, ähnlich wie „Politically Incorrect“, die Kopp-Nachrichten oder neu-rechte Blogs, für nicht-rechte Menschen anschlussfähiger und weniger peinlich anzuklicken als „Nein zum Heim„-Seiten oder die NPD. Doch die Analyse zeigt:  Verbreitet wird hier die gleiche Ideologie.

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Alle Screenshots vom 26.05.2015

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