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Rechtsradikale Reise AfD-Politiker spricht bei „Alternativ för Sverige“ vor rechtsextremem Publikum

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Auf der Bühne der "Alternativ för Sverige" in Stockholm spricht Stefan Korte von der AfD, links (sic) stehen die Aktivisten des rechtsextremen "Nordic Resistance Movements". (Quelle: EXPO )

Wenn Rechtsradikale reisen, dann gern, um Gleichgesinnte zu treffen – von denen es in Europa leider nicht wenige gibt. In Schweden sind zwar die Schwedendemokraten die zentrale rechtspopulistische Partei, doch die „Alternativ för Sverige (AfS)“ möchte nun ebenfalls mit Islamfeindlichkeit und Europafeindlichkeit bei der kommenden Parlamentswahl am 11. September punkten. Vorbild ist, schon der Name zeigt es, die Alternative für Deutschland (AfD). Insofern auch nicht verwunderlich, dass die Partei einen AfD-Politiker eingeladen hat. In seiner Rede beschreibt er Deutschland als „Dritte-Welt-Land“, dass von „Zombis einer linken Agenda“ gelenkt werde, und forderte das in Teilen rechtsextreme Publikum auf, für das „Europa der Vaterländer“ zu kämpfen.

Blick auf die Wahlkampf-Auftakt-Kundgebung der „Alternativ för Sverige“; Quelle: EXPO

„Alternativ för Sverige“ – eine rechtsextrem positionierte Partei

Die „Alternativ för Sverige“ wurde im März 2018 gegründet. Der Gründer und Vorsitzende Gustav Kasselstrand war zuvor Vorsitzender der Jugendorganisation der Schwedendemokraten – bis hinausgeworfen wurde. Mehrere Politiker der Schwedendemokraten, die aktuell im Parlament sitzen, liefen zur AfS über, darunter der frühere Schwedendemokraten-Führer Mikael Jansson und Parlamentarier Jeff Ahl (vgl. expo.se). Siegessicher und mit hohen Wahlkampfkosten zog die „Alternativ för Sverige“ 2018 in den Rijkstags-Wahlkampf – erhielt aber nur 0,31 Prozent der Stimmen. Das Programm der AfS ist vor allem migrations- und islamfeindlich. Nach ihren rassistischen Vorstellungen soll es etwa kein Asylrecht in Schweden mehr geben und alle Moscheen sollten zurückgebaut werden. Sie stellte zur Kirchenwahl 2021 unter anderem den Rechtsextremen und Holocaustleugner Carl Lundström, der etwa am Holocaust-Gedenktag 2020 auf Facebook schrieb: „Ich denke, ein wichtiger Grund für die Propaganda ist es, den Menschen vorzugaukeln, dass eine Stimme für die Schwedendemokraten zum Beispiel zu industrialisiertem Massenmord führt. Wenn den Wählern aber klar gemacht wird, dass die Gaskammergeschichten von Anfang an eine Lüge waren und am Ende auch eine Stimme für Adolf Hitler nicht zum industrialisierten Massenmord führte, dann löst sich das wichtigste Machtargument gegen die Opposition in Luft auf. Wie Kohlendioxid.“ Weil Holocaustleugnung bei den Schwedendemokraten nicht gut ankam, kandidierte Lundström dann für die “Alternativ för Sverige” (vgl. Expo.se). Die Partei unterhält freundschaftliche Beziehungen neben der AfD zu Rechtsradikalen in ganz Europa, etwa zur „Lega Nord“ in Italien, zu „Vlaams Belang“ in Belgien und der estonischen „Conservative People‘s Party“. Auch mit dem dänischen Rechtsextremen und notorischen Koranverbrenner Rasmus Paludan arbeitete die AfS zusammen – bis bekannt wurde, dass der Rechtsextreme in einem Discord-Chat Sex mit minderjährigen Kindern aktzeptabel fand.

Reichstagsführung mit Verschwörungsideologen

Interessant sind einige Umstände im Umfeld der Veranstaltung in Stockholm am Samstag, 6. August 2022. Die „Alternativ för Sverige“ lud sich zum Wahlkampfauftakt für die Wahl zum schwedischen Reichstag Gäste ein –  Politiker von AfD (Deutschland) und „Mi Hazánk Mozgalom“ (Ungarn). Geboten wurde eine Führung durch das schwedische Parlament, den Riksdag, und die Gelegenheit zur Rede bei der Auftakt-Veranstaltung. Nur sitzt die AfS gar nicht im Parlament. Wie sie trotzdem Besucher einladen kann? Das funktionierte über Roger Richthoff. Der sitzt seit 2014 für die Schwedendemokraten im schwedischen Parlament. Allerdings wurde Richthoff den Schwedendemokraten in der Pandemie zu verschwörungsideologisch und zu antisemitisch. So verbreitete er unter anderem die Lüge, Barack Obama und George Soros würden Geheimlabore in der Ukraine nutzen, um im Schatten der Pandemie einen Geonzid an Christen zu verüben (vgl. expo.se). Zum 30. März musste Richthoff die Schwedendemokraten verlassen. Er sitzt aber weiter als „Unabhängiger“ im Parlament, und als solcher führte er am 06. August die Gäste der AfS und AfS-Anführer Gustav Kasselstrand durch den Riksdag. Wer hätte nicht gern solche Freund*innen?

Neonazis im Publikum werden „übersehen“

Nachmittags dann der Wahlkampfauftakt der „Alternativ för Sverige“. Sehr viel Publikum, so zeigt es die YouTube-Aufzeichnung, war nicht anwesend. Wer allerdings da war: Aktivisten des „Nordic Resistance Movement“, der rechtsextremen und gewaltbereiten skandinavischen Organisation, die europaweit Neonazis ausbildet und vernetzt (vgl. Belltower.News). Zu übersehen waren sie nicht: Sie hatten ein großes Banner dabei. Das Rechercheteam der schwedischen Organisation „Expo“ beschreibt das Verhältnis von AfS und den Neonazis vom „Nordic Resistance Movement (NRM)“ so: „Die ‚Alternativ för Sverige‘ versucht, so zu tun, als gäbe es das ‚Nordic Resistance Movement‘ nicht. Sie wollen die Neonazis nicht verteidigen – das wäre schädlich für das eigene Image.  Sie wollen sie aber auch nicht verurteilen, dann würden sie als zu ‚politisch korrekt‘ für rechtsextreme Wähler*innen gelten.“

Uniformierte Aktivisten des rechtsextremen „Nordic Resistance Movments“ mit Plakat „Eine revolutionäre Wahl“. Quelle: EXPO

Wer von der AfD möchte sich in dieser Umgebung zeigen?

Aus Ungarn war als Redner der rechtsextreme László Toroczkai eingeladen, Parteivorsitzender von „Mi Hazánk Mozgalom (MHM, Unsere-Heimat-Bewegung)“. „Mi Hazánk“ hatte sich 2018 von der rechtsextremen ungarischen Partei „Jobbik“ abgespalten, weil ihnen „Jobbik“ zu lasch, zu demokratisch, zu konservativ geworden war – und sitzt inzwischen selbst im ungarischen Parlament.

Musikalisch begleitet wurde die „Alternativ för Sverige“-Veranstaltung übrigens durch einen Solo-Auftritt von Bruno Hansen, der Leadsänger der schwedischen Rechtsrock-Band „Ultima Thule“ ist. So weit, so offen rechtsextrem.

Welcher AfD-Politiker möchte sich in so einem Umfeld präsentieren? Offenbar nicht viele, denn einen prominenten Redner bekam die AfS nicht. Auf ihrer Bühne erschien Stefan Korte. Korte ist ein Politiker der AfD Brandenburg und er ist Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Christian Wirth aus dem Saarland (vgl. Belltower.News). Online präsentiert er sich bei der AfD Brandenburg mit einem Demonstrationsfoto aus Vorwende-Zeiten, einem “Fck Antifa”-Aufkleber und einem “Mir stinken die Linken”-Sticker.

Für Christian Wirth organisierte Korte aus dessen Abgeordnetenbüro im April 2019 eine „Wertekonferenz“ (sic) im Deutschen Bundestag. Laut Eigenangabe konnten sie auf der Vernetzungveranstaltung Vertreter europäischer Parteien begrüßen, die sich für ein Europa der Vaterländer und den Erhalt der traditionellen, europäischen Werte einsetzen.“ Das „Europa der Vaterländer“ ist ein rechtsextremes Konstrukt, das die AfD in Deutschland inzwischen offen befürwortet.

Seine Kontaktfreudigkeit zu europäischen Rechtsradikalen ist offenbar Stefan Kortes Qualifikation für den Auftritt in Schweden: Er scheint sehr an der Netzwerkbildung der europäischen rechtsextremen Parteien interessiert zu sein. 2019 reiste er im Auftrag der AfD nach Litauen, sprach als Gastredner bei einer Veranstaltung der rechtsradikalen Vereinigung „Litauen ist hier / Lietuva yra čia“. Diese Rede war kein Erfolg: Hinterher warf die litauische konservative Politikerin und Ex-Verteidigungsministerin Rasa Jukneviciene der AfD vor, sie sein nur eine von Russland finanzierte Marionette – was Korte und Wirth empört zurückwiesen. Wobei es enge Verbindungen von AfD-Politiker nach Russland gibt, vgl. Tagesschau.de und Deutschlandfunk.

Stefan Korte von der AfD Brandenburg auf der Showbühne der „Alternativ för Sverige“. Quelle: EXPO

Von linken Zombies und Guten gegen Gutmenschen

Nun also spricht Stefan Korte in Stockholm, und seine Rede zeigt, dass er in einem rechtsradikalen Umfeld offenbar gut aufgehoben ist. Aus Deutschland hat Korte den Fans der “Alternativ för Sverige” und dem NRM Erschreckendes zu berichten: Im Jahr 2000 sei noch alles „normal“ in Deutschland und Schweden gewesen. Aber nun sei Deutschland ein „Dritte-Welt-Land mit einer kommunistischen, antideutschen Regierung“, so die meinungsstarke und realitätsferne Eröffnung. Schuld an der Misere sei die „erzwungene Entnazifizierung nach dem Krieg“, die Frankfurter Schule und Adorno, und schon schaltet Deutschland saubere Atomreaktoren ab und alte Leute müssen in Wurmlöchern leben, weil sie nicht mehr heizen können. Fern der Heimat lässt Stefan Korte seinem Weltbild ungehemmt freien Lauf. „Linke“ und „die EU“ hätten als oberstes Ziel, Familien zu zerstören und „Gender Madness“ zu preisen, die „Grünen“ propagierten „wahrhaft faschistische Weltsichten“, Merkel sei eine Verbrecherin, die aber auch niemand aufgehalten habe, auch Politiker  europäischer Nachbarländer nicht. Jetzt würden „Minoritäten“ mit Milliarden unterstützt, während die Sozialkassen leer seien, und im Krieg zwischen Russland und der Ukraine müsse man ja wohl auch mal beide Seiten hören und sich fragen: „Cui bono?“ Ja, die Lieblingsphrase der Verschwörungsgläubigen fällt wörtlich. Und am Krieg sei doch eigentlich die Nato schuld. Hier also kommt Korte nun zu dem Punkt, der vielleicht der erste ist, der die Schwed*innen im Publikum interessieren dürfte: Schweden soll nicht in die NATO. Denn, hey, vielleicht ist „die russische Attacke“ ja nur eine Medieninszenierung, um neue Nato-Partner zu erlangen? So schwurbelt Korte, immer wieder betonend, das sei nicht nur seine Meinung, sondern die der ganzen AfD. Applaus gibt es keinen, aber er darf immer weiter reden. Im Publikum kommt wohl an, dass er davor warnt, dass um das „Europa der Vaterländer“ gekämpft werden müsse, sonst fällt es an „komplett Verrückte, die ihren Verstand verloren haben und wie Zombies einer linken Agenda folgen, die ihnen irgendjemand an irgendeinem Punkt eingeflüstert hat.“ Das klingt stark nach strukturellem Antisemitismus. Damit es nicht so auffällt, gibt es zwischendurch Motivationsrhetorik: „Vergesst nicht, wir sind die Guten! Wir dürfen Europa nicht den „Do gooders“ („Gutmenschen“) überlassen.“

Podiumsdiskussion: László Toroczkai, Mi Hazánk,  im Gespräch mit Stefan Korte, AfD, und Moderatorin; Quelle: EXPO

Im Interview mit der AfS-Moderatorin kommt es noch zu folgendem bemerkenswerten Dialog: Stefan Korte: „Der Erfolg der AfD in Deutschland ist, dass Menschen wieder anfangen, über Politik zu streiten, weil sie eine echte Opposition haben.“ Moderatorin: „Oh, Sie geben Menschen eine Stimme! Wie wir auch. Und dafür werden wir also antidemokratisch genannt!“ Korte steigt ein: „Ja! In Deutschland denkt die Mehrheit konservativ, aber sie traut sich nicht mehr, etwas zu sagen, weil sie dann als Rassisten und Faschisten bezeichnet werden.“ Moderatorin: „Oh, da sind wir in einer ähnlichen Situation, wenn es um freie Rede geht, die unterdrückt wird.“ Alle diese Desinformationen sind offen zugänglich und einsehbar auf YouTube, mit (beeindruckenden) 26.000 Zugriffen seit dem 06. August, so schlimm ist die Unterdrückung der freien Rede in Deutschland und Schweden.

Der Artikel entstand in Kooperation mit dem Team unserer schwedischen Partner-Portal EXPO.

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