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Schwerpunkt (Anti)feminismus Kinderkriegen als weißer Überlebenskampf

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(Quelle: Unsplash)

„Trad Wives“ ist die Kurzform für „Traditional Housewives“ und eine Selbstbezeichnung für Frauen, die sich auf ihre vermeintlich natürliche Rolle als Hausfrau und Mutter „zurückbesinnen” wollen. Sie finden sich in den Sozialen Medien, im Subreddit „Red Pill Women” (RPW) oder auch auf Dating Webseiten, wo sie fieberhaft nach „spouse material” und ihrem „Dream Husband” (DH) Ausschau halten. Auf der rechtsextremen Dating Website White Date (BTN berichtete) liest sich das dann in etwa so: „my biggest joy would be to fulfill my life purpose within the vocation of marriage and have a beautiful, large, white family” — „Mein größte Freude wär es, meinem Leben Sinn in der Berufung zur Ehe zu geben und eine wunderschöne, große, weiße Familie zu haben.”

„White Extinction”

Die Angst vor dem Aussterben der Weißen ist in rechts-alternativen und rechtsextremen Kreisen omnipräsent. Erzählungen vom „White Genocide”, der „White Extinction” oder auch die Erzählung vom „Großen Austausch” kreisen im Kern alle um denselben Inhalt: Die weiße Bevölkerung werde durch gesteuerte Migrationsbewegung ersetzt und ausgetauscht. Weiße würden erst zu einer Minderheit und auf lange Sicht gänzlich verdrängt und verschwinden – und währende alle Stolz auf ihre Herkunft sein dürften, würde dies ausschließlich Weißen untersagt. Dies ende schließlich in einer Politik, die die Interessen der Weißen nicht nur nicht genügend vertrete, sondern gleich „anti-weiß” sei.

Screenshot Telegram.

Im Angesicht der drohenden „White Extinction” wähnt man sich in einem Krieg, dem „natality war”, „Geburtenkrieg”. Es steht vermeintlich also nicht weniger als das eigene Überleben auf dem Spiel. Und um dem Entgegenzusteuern, wird die „große, weiße Familie” zum Dreh und Angelpunkt. Denn, so die Erzählung, könne durch mehr weiße Kinder der „Große Austausch” verhindert werden. 2017 setzte die rechts-alternative Social-Media-Aktivistin „Wife with a purpose” (mittlerweile laut ihrer Instgram-Selbsbeschreibung „Politically retired”) dies ganz pragmatisch in die Tat um und rief zur „White Baby Challenge” auf. “As a mother of 6, I challenge families to have as many white babies as I have contributed.” („Als sechsfache Mutter rufe ich Familien dazu auf, genausoviele Kinder wie ich zu bekommen.) Frauen wurden hier also explizit aufgerufen, ihren Beitrag in diesem selbst inszenierten Krieg zu leisten.

Submissive Wives, Redpilled Moms

Im „natality war” stehen die „Trad Wives” an vorderster Front. Schließlich widmen sie sich der größten und wichtigsten Aufgabe: dem Kinderkriegen und der Kindererziehung. Doch nicht nur das. Die „Trad Wives” müssen dabei die perfekte Gehilfin ihres Mannes sein. Es versteht sich fast von selbst, dass wenn der „DH” endlich gefunden ist, das eigene Leben aufgegeben wird um ein neues als „SAHM” („Stay At Home Mom”) zu beginnen. Dies wird unter anderem auf „RPW” oder auch auf „White Date” diskutiert. Dafür sind Unterwürfigkeit und Gehorsam essenziell. Eine empfohlenen Methode bei den „Redpilled Women” ist „Shut The Fuck Up” (STFU). Alles muss still und demütig hingenommen werden, Konflikte darf es mit dem „Captain” keine geben. Ergänzend dazu heißt es auf einem Sharepic auf Instagram: „Complaining is toxic”. Sich über die nun wirklich widrigen Umstände im Tradhome zu beschweren, wird hier also sogar als etwas schädliches dargestellt.

Screenshot Instagram.

Neben dem großen übergeordneten Ziel scheint es im Alltag doch relativ viel — besser gesagt, ausschließlich — um die stille Rundumversorgung des ach so schwer arbeitenden Alleinverdieners zu gehen. Die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Sorgen haben dabei keine Daseinsberechtigung.

So schreibt etwa eine „RPW”-Userin, dass sie ein Jahr brauchte, um sich von dem misogynen Content im offiziellen „The Red Pill”-Subreddit nicht angegriffen zu fühlen. Mittlerweile könne sie dort aber ohne mit der Wimper zu zucken mitlesen und habe viel gelernt— schließlich würden Männer in allen anderen Foren zensiert. Nun würde sie Männer wirklich verstehen und habe unter Anderem gelernt, ihre eigenen Fehler zu erkenne. So könne man sich zum Beispiel mit Fragen wie „Are you guilty of witholding sex?” selbst überprüfen, ob man den „DH” nicht verärgert habe.

Und auch das eigene Glück kann mit ein paar simplen Tricks noch potenziert werden. So wird an anderer Stelle empfohlen, man solle sich als Traumhausfrau doch mindestens zweimal am Tag mit einer Haarbürste aus Wildschweinborsten die Haare kämmen und beim Kleiderkauf auf ein besonders angenehmes Rockmaterial achten. Dieses sollte beim Bewegen nämlich nicht unangenehm am Körper haften bleiben — schließlich muss die gesamte Hausarbeit alleine darin verrichtet werden. Dass der Rock beim Sitzen aber unbedingt über die Knie gehen muss, wird an dieser Stelle auch noch einmal betont. Und wenn es doch hart auf hart kommt, gibt es noch ein Geheimrezept: einfach mal die Mundwinkel nach oben ziehen und die Stirn entspannen (“„will instantly change your mood”). Falls eine dann aber doch noch nicht so richtig glücklich ist und zwischen Kindererziehung, Homeschooling, Hausarbeit und Hobbys wie „decorating” sich unbedingt noch selbständig machen muss, dann aber bitte, wenn die Kinder schlafen.

Screenshot „White Date”.

Naturalisierung von Geschlecht

Die rechtsextreme Alt-Right-Aktivistin Lana Lokteff erklärt in ihrem Video „The Truth About Trad Wives” grundlegendes über die Geschlechtervorstellungen der „Trad Wives”. Neben dem Bedrohungsszenario der „White Extinction” — Lokteff bezeichnet sich selbst als „traditional woman in an anti-white decade” —  geht das „Trad Wife”-Dasein mit der Vorstellung einer hierarchischen Geschlechterordnung einher. In dieser Ordnung bilden Männer und Frauen ein Gegensatzpaar, dass sich ergänzt und komplementäre, vermeintlich „natürliche” Wesensarten hat. Gemäß dieser Wesensarten sollen dann bestimmte Aufgaben erfüllt werden. Geschlecht wird hier nicht als sozial konstruiert, sondern als natürlich gegeben betrachtet.

Lokteff erklärt das so: „Marriage is about teamwork: and some team members are more suited for a specific task” — „Eine Ehe ist Arbeit im Team und manche Teammitglieder sind für bestimmte Aufgaben besser geeignet”.. Wie diese Aufgaben verteilt sind, ergibt sich laut Lokteff dann vollkommen „natürlich”. Schließlich sei es das „natürliche Bedürfnis” von Frauen zu „nähren” und Kinder zu erziehen. „Trad Wives” erfüllen mit ihrer Romantisierung des unterwürfigen Hausfrauendaseins also lediglich ihre „natürliche” Aufgabe.

Die „natürlichen” Wünsche von Frauen sind auch in einem aktuellen Video von Brittany Sellner Thema. In „The War On Feminine Beauty” klagt die Partnerin des österreichischen IB-Kaders Martin Sellner darüber, dass Feministinnen „beauty shaming” betreiben würden, wenn sie beispielsweise mediale Schönheitsideale kritisierten. Dabei liege es doch in der Natur von Frauen, gut aussehen zu wollen. Dies sei ihr „natürlicher Instinkt für Schönheit”, gar ihr „organischer Wunsch”.

Feindbild Feminismus

Antifeminismus ist ein fester Bestandteil der „Trad Wife”-Subkultur, so ist etwa Regel Nummer fünf im „Red Pill Women”-Subreddit: „No Feminism”. Schließlich setzen sich Feministinnen für Gleichberechtigung und vielfältige Lebensformen ein und versuchen, Geschlechtergrenzen aufzuweichen. Hängt die eigene Identität jedoch zum Großteil an einer Vorstellung fest, in der Frauen und Männer qua Natur Aufgaben und Funktionen zugewiesen werden, fällt die Abwehr gegen das Aufweichen dieser Strukturen eben umso stärker aus. Je mehr die Geschlechtergrenzen verwischen, umso vehementer müssen sie verteidigt werden.

Und wenn man davon überzeugt ist, dass Frauen und Männer auf „natürliche” Art und Weise verschieden sind, dann wird so letztendlich auch eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt. Somit wird Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts nicht mehr als Diskriminierung wahrgenommen, sondern als „natürliche” Behandlung, die gar dem weiblichen Wesen entspreche.

Die Hochglanz-Darstellung des „Trad Wife”-Lifestyles auf Plattformen wie Instagram scheint umso vehementer mit der eigenen Unterordnung brechen zu wollen. Die „Trad Wives” inszenieren sich dort als die perfekten, selbstbestimmten Managerinnen des Alltags. Gleichzeitig wird dort das Bild eines bescheidenen und friedlichen Lebens, abseits von Chaos und Stress entworfen. Ein Blick in die politisierte „Trad Wife”-Subkultur genügt jedoch, um festzustellen, dass die dahinterstehenden Überzeugungen gar nicht friedlich sind, sondern mit Verschwörungserzählungen von weißer Überlegenheit, Hass gegenüber Migrant*innen, Feministinnen und LGBTIQ-Feindlichkeit einhergehen.

Dass Feminismus nicht nur bei den „Trad Wives” als Angriff auf die Familie bis hin zur größten Bedrohung „westlicher Zivilisation”  inszeniert wird, zeigt auch der antifeministische Backlash der letzen Jahre. Über allem schwebt die in der sogenannten „euen” Rechten allzu oft artikulierte Angst vor der „Gleichmacherei”. Soll heißen: In der durch Feminismus und „Gender-Gaga” verweiblichten Gesellschaft gebe es keine „richtigen” Männer und Frauen mehr. Dies zeigt sich unter Anderem in der Mobilisation gegen sexuelle Vielfalt unter dem Kampfbegriff „Frühsexualisierung“, im Protest gegen Gender-Studies als vermeintlicher „Gleichheitswahn”, oder in Angriffe auf geschlechtersensible Sprache und Gleichstellung von lesbischen, schwulen und queeren Paaren. Ähnlich wie der Antifeminismus, bietet auch die „Trad Wife”-Subkultur Anknüpfungspunkte zu verschiedenen politischen Spektren und dockt an weit verbreitete sexistische Überzeugungen an; von traditionell-christlich über rechts-alternativ bis zu weißen Suprematistinnen und Rechtsextremistinnen.

Wie die Historikerin Alexandra Minna Stern betont, sind Frauen in der Alt-Right symbolisch zwar omnipräsent, haben jedoch minimale Repräsentation. Umso ernstzunehmender und gefährlicher ist also eine Subkultur, die eben dieser Unterrepräsentation entgegenwirkt und sich der misogynen Ordnung nicht nur fügt, sondern sie aktiv bekräftigt. Denn für den imaginierten “natality war” ist die Mitarbeit von Frauen unabdingbar.

 


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