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Verfassungsschutz AfD-„Flügel“ wird beobachtet – „Compact“-Magazin wird zum Verdachtsfall

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Björn Höcke gilt als Chef der AfD-internen rechtsextremen Organisation "Flügel". (Quelle: picture alliance/Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa)

 „Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sind aktuell die größte Gefahr in Deutschland“ sagt Thomas Haldenwang gleich zu Anfang der Pressekonferenz. Der Mord an Walter Lübcke und die Terroranschläge von Hanau und Halle nennt er eine „blutende Wunde“. Er spricht davon, dass die Sprache so weit enthemmt wird, dass „es keine Hemmungen mehr gibt. Provokationen von gestern werden zur Normalität von heute“. Zu diesen Enthemmungen tragen auch Verschwörungserzählungen wie die der „Umvolkung“ oder des „Großen Austauschs“ bei. Der permanente Ausnahmezustand, der so immer wieder an die Wand gemalt werde, führe mit dazu, dass immer wieder Gewalt und Terror entstehen. Bemerkenswert an Haldenwangs Ausführungen ist auch, dass der Verfassungsschutz offenbar nicht mehr an „Einzeltäterhypothesen“ festhält. Selbst hinter allein handelnden Tätern stehe, so Haldenwang, ein Netzwerk aus Unterstützer*innen, dass gegebenenfalls auch nur online existiert.

Zur Enthemmung und Normalisierung trägt aus Sicht des Verfassungsschutzes auch der „Flügel“ der AfD bei. Besonders Björn Höcke, Andreas Kalbitz und Hans-Thomas Tillschneider zählt der Geheimdienst zu den Köpfen der parteiinternen Gruppierung. Und besonders die Äußerungen aus dieser Gruppe stehen offenbar im Fokus. Auch deswegen benennt Haldenwang jetzt auch die „Compact Magazin GmbH“ mit Sitz im brandenburgischen Werder als Verdachtsfall. Im gleichnamigen Verschwörungsheft „Compact“ – Chefredakteur ist Jürgen Elsässer – erschien zum Beispiel ein Nachdruck der Dresdner Rede von Flügel-Chef Höcke, in der er das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas als „Denkmal der Schande“ bezeichnete. Das Heft entwickelte sich in den vergangenen Jahren vom Verschwörungsthema weg hin zum Sprachrohr der AfD und besonders der Rechtsextremen aus dem Flügel. So hatte Chefredakteur Elsässer unter anderem Doris von Sayn-Wittgenstein zu einer Konferenz eingeladen. Damals noch AfD-Mitglied, verkündete die Flügel-Frau von der Bühne das Engagement ihrer Familie in der Gedächtnisstätte Guttmanshausen, einer Organisation von Holocaustleugner*innen. Immerhin wurde Sayn-Wittgenstein mittlerweile aus der Partei ausgeschlossen.

Der Verfassungsschutz rechnet mit etwa 7000 Flügel-Mitgliedern, die jetzt stärker im Fokus der Behörde stehen werden. Das sind immerhin doppelt so viele Personen, wie die NPD Mitglieder zählt. Für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, die zur Gruppierung gehören, wird es Einzelfallprüfungen geben. Aber Haldenwang macht klar: „Extremisten haben nichts im öffentlichen Dienst zu suchen.“ 

Die sogenannte „neue“ Rechte – die sich gern intellektuell gibt und sich oberflächlich vom Rechtsextremismus distanziert – nimmt laut Verfassungsschutz vielmehr eine Scharnierfunktion zwischen bürgerlichen Kreisen und dem Rechtsextremismus ein. Aber gerade die Ideologieelemente, die hier immer wieder und wieder angebracht werden, gehören zu den Gründen der Beobachtung. Vor allem geht es dabei um die „Umvolkung“ oder den „Großen Austausch“. Auch der „intensive Kontakt“ von Höcke zu Götz Kubitschek, der seinen Anhänger*innen als Vordenker der sogenannten „neuen“ Rechten gilt, ist dem Verfassungsschutz nicht entgangen. Höckes Ideologie ist besonders zentral für die Beobachtung. Laut Verfassungsschutz vertritt der AfD-Chef aus Thüringen ein „völkisches Gesellschaftskonzept“, dass dem Kollektiv Vorrang vor den Einzelnen gibt und „Migranten pauschal vorverurteilt“. Immer wieder käme es zu einer „Verächtlichmachung des Parlamentarismus“ durch Flügel-Vertreter*innen. Das politische System Deutschlands ist demnach der eigentliche Gegner des Flügels und damit eines großen Teils der AfD. 

In der schon seit Jahren diskutierten Frage, ob Höcke unter dem Namen Landolf Ladig in rechtsextremen Zeitschriften Artikel veröffentlicht hat, ist der Verfassungsschutz sicher: „Unter dem Pseudonym Landolf Ladig wurden Texte veröffentlicht, die von niemand anderem stammen können, als von Björn Höcke.“

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Für die AfD gehörte bisher der Flügel zur Partei klar dazu. Georg Pazderski, bis Januar 2020 Landesvorsitzender der AfD in Berlin sagte im Sommer 2019: „Ich halte den ‚Flügel für wichtig. Er muss die Partei nach rechts abdichten. Er muss die Wand nach rechts sein. Und zwar auf dem Boden des Grundgesetzes.“ Tino Chrupalla, aktuell einer der Vorsitzenden der Partei, hält den Flügel „für einen Bestandteil in dieser Partei – eine Strömung wie in anderen Parteien auch.“ Und auch Alexander Gauland wollte von Distanzierungen bisher nichts wissen. Nach der Landtagswahl in Thüringen im Oktober 2019 sagte er, „Herr Höcke rückt die Partei nicht nach rechts. Herr Höcke ist die Mitte der Partei.“ 

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