Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Argumente Widerlegungen für gängige Verschwörungstheorien

Ausschnitt aus dem Titelbild der Broschüre "Wissen, was gespielt wird ... Widerlegungen für gängige Verschwörungstheorien" der Amadeu Antonio Stiftung
Ausschnitt aus dem Titelbild der Broschüre "Wissen, was gespielt wird ... Widerlegungen für gängige Verschwörungstheorien"

Verschwörungstheorien zeichnen ein Bild der Gesellschaft, in dem abgrundtief böse Menschen die Versklavung oder Vernichtung aller „Guten“ anstreben. Damit „erklären“ ihre Anhänger*innen widersprüchliche politische, wirtschaftliche und geschichtliche Ereig-nisse. Sie entwerfen ein apokalyptisches Bild, aus dem es nur einen Ausweg zu geben scheint: den Kampf der Guten gegen die „Verschwörung“. Dies hat konkrete Konsequenzen für diejenigen, die als vermeintliche Verschwörer*innen identifiziert werden. Denn wenn sich die „Verschwörung“ vermeintlich nicht an Gesetze und Regeln hält, muss es die andere Seite auch nicht – so zumindest stellen es Verschwörungstheoretiker*innen dar. Der Holocaust ist das mörderische Beispiel dafür, wie der antisemitische Mythos der „jüdischen Weltverschwörung“ zur Vernichtung von Millionen Menschen führen kann. Bis heute kursieren Theorien, die die Verantwortung für die globalen Missstände in die Hände einer fiktiven mächtigen Gruppe legen – diese Vorstellung greift auf den antisemitischen Mythos der „jüdischen Weltverschwörung“ zurück und wird seit Jahrhunderten verbreitet.

Verschwörungstheorien greifen zugleich eine der wich-tigsten Grundlagen der liberalen Demokratie an: den Pluralismus. Ihre Idealvorstellung der Gesellschaft ist eine völkische Gemeinschaft, in der alle die glei-che Meinung vertreten (müssen). Demokratien leben jedoch davon, dass Menschen ihren Widerspruch politisch organisieren dürfen – dies geschieht gemeinhin in politischen Parteien oder Interessensverbänden wie Gewerkschaften oder Umweltverbänden. Verschwörungstheorien diffamieren diese Vielfalt des politischen Widerspruchs als „Fremdbestimmung“, „Verrat“ oder „Diktatur“. Zu den vermeintlich von der Verschwörung gesteuerten Parteien soll es nur noch eine Alternative, nur noch eine mögliche Politik geben – das ist antipluralistisch und damit undemokratisch.

Diese Artikelserie, die als Handreichung bei der Amadeu Antonio Stiftung erschienen ist, soll dabei helfen, Verschwörungstheorien zu widerlegen und ihre Verbreitung einzudämmen. Dazu wurden einige der aktuell populären Verschwörungstheorien zusammengestellt, die in ihnen enthaltenen Missverständnisse, Lügen und Desinformationen aufgedeckt und ihnen mit Fakten begegnet. Man nennt das auch Debunking.

Dies ist nicht immer einfach möglich, schließlich lassen sich Dinge, die nicht existieren (etwa „die große Weltverschwörung“), nur in den seltensten Fällen mit Fakten widerlegen. Und: Die Gleichheit der Menschen, wie sie in den Menschenrechten ausgedrückt ist, lässt sich nicht beweisen – sie ist das geteilte Ideal, das Fundament einer Gesellschaft, in der niemand ohne negative Konsequenzen diskriminiert oder getötet werden darf. Wer diese Überzeugung nicht teilt, greift die offene Gesellschaft an.

Kritik oder Verschwörungstheorie?

Gesellschaft ist, was wir daraus machen. Dabei kommt es zu Konflikten, und es geht nicht immer automatisch fair zu. Nicht alle verfügen über die gleichen Chancen, manche erleben materielle Armut, Diskriminierung oder werden sozial ausgeschlossen. Kritik an diesen Umständen ist eine Grundbedingung liberaler Demokratien.

Nicht alles, was sich als solche ausgibt, ist jedoch Kritik: Es gibt wichtige Unterschiede zwischen legitimer Kritik und Verschwörungstheorien.

Lieber nach Erklärungen suchen als nach Schuldigen

Für konkrete Probleme gibt es teilweise klar benennbare Gründe oder Verantwortliche, die durchaus kritisiert werden können und sollten. Aber nicht alle globalen Krisen können auf einzelne Verantwortliche oder Auslöser reduziert werden. Wer „eine kleine Gruppe Mächtiger“ für die Ausbeutung in der Welt verantwortlich macht, personalisiert ein sehr vielschichtiges Problem. Diese Personalisierung erzeugt Hass auf diejenigen, die für die „Gruppe Mächtiger“ gehalten werden. In der Regel handelt es sich dabei um eine antisemitische Verschwörungserzählung, weil seit Jahrhunderten die Lüge über eine „jüdische Weltverschwörung“ verbreitet wird.

Der Weg ist das Ziel

Wissenschaft versucht, komplexe Zusammenhänge oder Phänomene zu verstehen. Dazu gehört ergebnisoffenes Arbeiten. Alle Gedankenschritte und Forschungsgrundlagen müssen nachvollziehbar sein, dürfen kritisiert oder widerlegt werden. Wichtig ist der Erkenntnisgewinn. Eine Verschwörungstheorie hingegen kennt schon die Antwort, bevor sie die Frage stellt. Ihr Ziel ist nicht Erkenntnisgewinn, sondern die Suche nach Informationen, die das eigene Weltbild bestätigen. Die Existenz einer Verschwörung wird nicht zur Debatte gestellt, sondern steht bereits vor jeder Information fest. Zudem bietet Verschwörungsdenken leicht zugängliche Identitätsangebote. So fühlen sich die meisten Verschwörungstheoretiker*innen als „Aufgewachte“, die verstanden haben, „was wirklich gespielt wird“, und als Kämpfer*innen für „das Gute“ gegen „die böse Weltverschwörung“. Dies hebt sie vom Rest der Gesellschaft ab.

Zur Gesellschaftskritik gehört auch Selbstkritik

Wer vorgibt, alles zu hinterfragen, sollte vor sich selbst nicht Halt machen. Die eigene Position hin und wieder einer eingehenden Kritik zu unterziehen, hilft dabei. Es geht nicht darum, immer zu 100 % richtig zu liegen, sondern die Fähigkeit zu entwickeln bzw. nicht einzubüßen, menschenfeindliche, diskriminierende und verschwörungstheoretische Anteile in der eigenen Meinung zu erkennen.

No World Order – Handeln gegen Verschwörungsideologien

Das Projekt „No World Order. Handeln gegen Verschwörungsideologien“ wurde im Jahr 2015 ins Leben gerufen, um die Zivilgesellschaft über die Gefahren aufzuklären, die von Verschwörungsideologien ausgehen und Gegenstrategien aufzuzeigen. Das Besondere an „No World Order“ ist seine Expertise zum Verhältnis von Verschwörungsideologien und Antisemitismus. Das Projekt richtet sich an Multiplikator*innen aus der Politik, dem Bereich schulischer und außerschulischer Bildung, Mitarbeitende von Beratungsstellen und NGOs sowie Fachpersonen des Forschungsfeldes Conspiracy Theory Studies. Als eines der ersten Projekte hat No World Order das Themenfeld „Verschwörungstheorien“ konstant bearbeitet und führt diese Arbeit bis heute fort.

Kontakt:

Hier geht es zu den Widerlegungen gängiger Verschwörungstheorien (wird fortlaufend veröffentlicht):

Die Broschüre

„Wissen, was wirklich gespielt wird … Widerlegungen für gängige Verschwörungstheorien“.

Herausgegeben von der Amadeu Antonio Stiftung und von der „Gemeinnützige Respekt! Kein Platz für Rassismus GmbH“, Berlin 2019

Zu beziehen über: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/wissen-was-wirklich-gespielt-wird/

Als PDF zum Download: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2019/10/Verschw%C3%B6rungstheorien_widerlegen.pdf

Weiterlesen

Impffrei.work beschreibt sich auf der Webseite als „die alternative Jobbörse“ – und vermittelt Ungeimpfte mit Stellen in Seniorenpflegeheimen

Impffrei.work Die Jobbörse für Impfgegner:innen

Ein Jobportal vermittelt Arbeitsplätze für Impfgegner:innen – auch im Gesundheitswesen als Altenpflegerin oder Arzthelfer. Auf Impffrei.work werden neben Stellenausschreibungen auch…

Von|
Rechtsoffen und verschwörungsideologisch: Die Plakatwand am Eingang des Hamburger Musikclubs „Docks“

„Docks“ und „Große Freiheit 36“ Hamburger Club-Betreiber auf Schwurbler-Kurs

An den Fassaden der Veranstaltungsorte „Docks“ und „Große Freiheit 36“ sind seit Monaten Plakate zu sehen, die die Covid-Pandemie leugnen und verschwörungsideologische Medien empfehlen. Die Musikszene reagiert empört. Und der Clubbetreiber Karl-Hermann Günther ist im „Querdenken“-Spektrum bestens vernetzt.

Von|
anastasia2

Die esoterische Anastasia-Bewegung Der Traum der arischen Öko-Gemeinschaft

Die Anastasia-Bewegung aus Russland breitet sich auch in Deutschland weiter aus. In ihren Reihen finden sich Esoteriker*innen, Ökos und Reichsbürger*innen wieder, aber auch Rechtsextreme können der Bewegung – nicht zuletzt wegen ihrer Blut-und-Boden-Ideologie – etwas abgewinnen. Ihre Anhänger*innen vernetzen sich zunehmend und versuchen, Schulen zu gründen. Ein Ausflug in eine krude und antisemitische Welt.

Von|
Eine Plattform der