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Jahresrückblick 2022 Berlin – Gesellschaftliche Krisen als kontinuierlicher Stresstest

Einsamer Aufmarsch vor dem Berliner Reichstag: Die umgedrehte Deutschlandflagge weist auf einen Reichsbürger hin. (Quelle: Berlin-gegen-Nazis.de)

An die Verbreitung pandemie-bezogener Verschwörungserzählungen, die bereits die letzten beiden Jahre geprägt hatte, schloss 2022 nahtlos der Versuch einer Inszenierung von Sozialprotesten von rechts an. Die Vielfalt dieser diffusen Angriffe auf die Demokratie stellt für Berlins Engagierte eine anhaltende Herausforderung dar. Die MBR unterstützte in diesem Zusammenhang zahlreiche Akteur*innen bei der Entwicklung einer demokratischen Positionierung, die sich gegenüber Vereinnahmungsversuchen von rechts abgrenzt und einen sicheren Rahmen für das eigene Engagement bietet.

Geringere Dynamik und Außenwirkung der „Corona-Proteste“ in Berlin

Die rechtsoffene und verschwörungsideologische Szene in Berlin hat 2022 an Dynamik verloren und es bisher nicht geschafft, Themen erfolgreich zu besetzen, die über die Beschäftigung mit der Corona-Pandemie hinausgehen. Die „Montagsspaziergänge“ hatten 2021/22 in vielen Bundesländern noch zehntausende Menschen über Monate auf die Straße gebracht. Das maßgeblich durch die rechtsextreme Gruppierung „Freie Sachsen“ initiierte Format führte in Berlin zur Umbenennung bereits bestehender Strukturen (u.a. in „Freie Berliner“), es führte allerdings nicht zu langanhaltenden Mobilisierungserfolgen.

Gleichzeitig zeigte sich die Szene personell verfestigt. Sie verfügt inzwischen über technische Infrastruktur und Räumlichkeiten, sodass sie ihre Aktivitäten auch ohne breite gesellschaftliche Anschlussfähigkeit aufrechterhalten kann.

Gerade in Berlins Mitte bieten sich mit dem Regierungsviertel und einer Vielzahl von Medienhäusern verschiedene Möglichkeiten, um die für die verschwörungsideologische Szene konstitutive und sinngebende Schuldzuweisung an konkrete Personen und Gruppen zu betreiben und Feindbilder zu markieren. Daher war Berlin als Regierungssitz in den letzten zwei Jahren immer wieder ein Anziehungspunkt für Mobilisierungen aus dem gesamten Bundesgebiet. Im Jahr 2022 gingen jedoch auch diese Mobilisierungen nach Berlin zurück. Eine Ausnahme war die sogenannte „Woche der Demokratie“, die vom 30. Juli bis 6. August ausgerichtet wurde. Die täglichen Versammlungen in dieser Woche zielten auf das seit Jahren kultivierte Feindbild Presse sowie auf die Selbstvergewisserung des verschwörungsideologischen Protestmilieus und die Fortschreibung der verschiedenen Widerstandserzählungen durch die beteiligten Protagonist*innen.

Pandemie-Leugner*innen suchen gesellschaftlichen Anschluss

Im Unterschied zu den recht heterogen zusammengesetzten Versammlungen zu Beginn der Pandemie handelte es sich 2022 bei den Teilnehmenden in der Regel um regional aktive Verschwörungsgläubige, die in ihrem lokalen Wirkungskreis einen beständig mobilisierbaren Kern ansprechen können, jedoch selten größere öffentliche Wahrnehmbarkeit erzielen.

Verhältnismäßig viel Aufmerksamkeit erhielt zum Jahresende eine Versammlung unter dem Label „Freie Geister“ aus dem Spektrum der Pandemie-Leugner*innen. Ausgerechnet am 9. November, dem Jahrestag der antisemitischen Novemberpogrome 1938, sollte sie provokativ an Orten jüdischen Lebens in Berlin-Mitte vorbeiführen. Trotz politischem Druck, die geplante Route zu ändern, musste eine angemeldete Gedenkkundgebung am Mahnmal eines ehemaligen Deportationssammellagers kurzfristig zu einer Gegenprotest-Kundgebung umfunktioniert werden, um schließlich eine Routenänderung zu erwirken. Ob der symbolische Schutz des Mahnmals auf diese Weise gelingen würde, war bis zuletzt unklar – es hatte keine Kommunikation der Versammlungsbehörde und Senatsinnenverwaltung mit den Veranstalter*innen der Gedenkkundgebung sowie der Öffentlichkeit gegeben.

Am Ende des Jahres 2022 ist festzustellen, dass das Protestmilieu mittlerweile insgesamt durch ein mehr oder weniger geschlossenes verschwörungsideologisches Weltbild zusammengehalten wird. Grundzug dieses Weltbildes ist die andauernde Bezugnahme auf Verschwörungsnarrative zur Erklärung gesellschaftlicher und persönlicher Krisenlagen. Dies war im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie für Teile der Gesellschaft anschlussfähig, scheint jedoch in der aktuellen Krisensituation weniger zu funktionieren. Deutlich wurde dies im Februar 2022 mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Nach einer kurzen Orientierungsphase setzte sich eine pro-russische Perspektive mit einem diffusen Friedensbegriff durch. Derartige Positionen hatten einflussreiche Stichwortgeber*innen der Szene bereits vor der Corona-Pandemie vertreten (vgl. Tagesspiegel).

Versammlungen jüngeren Datums thematisierten inflationsbedingte Preissteigerungen, die Energiepolitik und die Sanktionen gegen Russland und integrierten diese Themen in gängige Verschwörungserzählungen vom „Great Reset“ oder „Transhumanismus“ (vgl. Gegneranalyse, Belltower.News).

Verschwörungsideologen, „Reichsbürger“, Rechtsextreme – bedrohliche Allianzen

Begleitet wurde diese aus den Protesten gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen hervorgegangene Mobilisierung von einer fortschreitenden inhaltlichen Radikalisierung bis hin zur Propaganda für einen Systemsturz. Begründet wird die Notwendigkeit, die parlamentarische Demokratie zu beseitigen, mit einer permanenten Krisensituation. Damit rücken rechtsextreme Positionen, darunter solche aus dem Milieu der „Reichsbürger“, stärker in den Vordergrund. Wie weit diese Radikalisierung geht, zeigte sich Anfang Dezember 2022 bei bundesweiten Durchsuchungen gegen eine terroristische Vereinigung. Zu deren Mitgliedern zählt die Bundesanwaltschaft auch eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete, die bis zu ihrer Verhaftung als Richterin am Berliner Landgericht tätig war. Die Radikalisierung zeigt sich aber auch darin, dass sich verschiedene Protagonist*innen zunehmend den radikalen Kräften innerhalb des Milieus annähern. So ist Anselm Lenz, Initiator der ersten sogenannten Hygiene-Demo im März 2020 in Berlin und Protagonist der verschwörungsideologischen „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“, als Redner beim rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“ sowie dem Sommerfest des rechtsextremen Compact-Magazins aufgetreten.

Auch Protagonist*innen der Berliner AfD suchten den Anschluss zur verschwörungsideologischen Protestszene. Eine wichtige Rolle bei dieser inhaltlichen Annäherung spielen verschwörungsideologische und rechtsextreme Online-Netzwerke und -Medien. Insbesondere die in Österreich gegründete Plattform AUF 1 begann im Juli 2022, die Berichterstattung in Deutschland zu intensivieren, und hat mittlerweile eine tragende Funktion eingenommen. In Berlin soll ein fester Redaktionssitz entstehen – mit Martin Müller-Mertens, dem ehemaligen Chef von Compact-TV, an der Spitze.

Mutmaßliche Angehörige dieser Mischszene versuchten darüber hinaus in aggressiver Weise, Einfluss auf öffentliche Einrichtungen zu nehmen, etwa indem sie dort offensiv ihre Inhalte platzierten. Zum Beispiel wurden in der Bezirkszentralbibliothek Tempelhof-Schöneberg nicht nur Flugblätter ausgelegt, es wurden auch Bücher, die sich mit linker politischer Theorie befassen oder kritisch mit Rechtsextremismus auseinandersetzen, mehrmals gezielt beschädigt. Die Bibliothek startete daraufhin Ende 2021 die bis heute laufende Veranstaltungsreihe „Starke Seiten“, bei der sie Autor*innen der beschädigten Bücher sowie engagierte Initiativen und Fachprojekte gegen Rechtsextremismus einlädt.

Die Ermittlungsbehörden und der Verfassungsschutz tun sich unterdessen offenbar schwer damit, das Phänomen begrifflich zu fassen und klar zu definieren. Für die Mischszene aus „Reichsbürgern“, Anhänger*innen von Verschwörungserzählungen und Rechtsextremen wurde eigens die neue Kategorie „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ geschaffen. Nicht nur wird die polizeiliche Kriminalstatistik durch die neue Kategorie verzerrt, indem Straftaten aus dieser Mischszene, etwa gegen Büros demokratischer Parteien, keiner rechten Motivation zugeordnet werden. Sie verstellt auch den Blick darauf, dass dieses Spektrum ideologisch mit Versatzstücken des Rechtsextremismus arbeitet, die eben nicht von einem rechten Rand oder politischen „Extremen“ herkommen, sondern durch die Radikalisierung und Enthemmung der sogenannten Mitte der Gesellschaft entstehen.

Rechtsextreme Parteien zwischen Zerfall und Konsolidierung: „Der III. Weg“ und die NPD

Wie bereits im Jahr zuvor stagnierte auch 2022 der traditionelle Rechtsextremismus in Berlin.

Als aktivster Zusammenschluss trat erneut die rechtsextreme Kleinstpartei „Der III. Weg“ in Erscheinung, und zwar vorwiegend durch Propaganda, etwa in Form von Aufklebern und Flugblättern. Eine Kundgebung oder Demonstration veranstaltete „Der III. Weg“ 2022 in Berlin nicht. Berliner Protagonist*innen traten bei einzelnen überregionalen Veranstaltungen der Partei in Erscheinung oder fielen in einigen Stadtbezirken mit Flugblattaktionen und Informationsständen auf. Letztere wurden allerdings in insgesamt geringerer Anzahl als im Vorjahr durchgeführt. Insgesamt haben sich die Konsolidierung und der langsame Ausbau der Strukturen des „III. Weges“ 2022 in Berlin fortgesetzt, ohne dass jedoch besondere Fortschritte feststellbar gewesen wären.

Indes setzt sich die Tendenz, als Sammelbecken für die verbliebenen neonazistischen Protagonist*innen der Hauptstadt zu fungieren, fort: Jugendliche Rechtsextreme aus Ostberliner Bezirken und dem Umland, die vorher als „Division MOL“ auftraten, sind mittlerweile Teil von „Der III. Weg“. Auch einige ehemalige Berliner Aktivisten der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ sind 2022 zum „III. Weg“ gewechselt. Das hat den ohnehin schon desolaten Zustand der Berliner NPD weiter verstärkt; wahrnehmbare Aktivitäten gab es von ihr zuletzt nicht mehr. Aufgrund des Personalmangels und fehlender Konzepte ist auch keine Veränderung absehbar. Bei der voraussichtlichen Wiederholung der Wahlen auf Landes- und Bezirksebene in Berlin wird die NPD höchstwahrscheinlich erneut äußerst schwach abschneiden.

Strafverfolgung militanter Neonazis

Die rechtsextremen Angriffsserien der Jahre 2009 bis 2019 mit Schwerpunkt Neukölln („Neukölln-Komplex“) war auch 2022 ein wichtiges Themenfeld der MBR. Dies lag zum einen an der Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus im Mai, zum anderen am Beginn der Hauptverhandlung gegen mehrere tatverdächtige Neonazis im August vor dem Amtsgericht Tiergarten. Die MBR berät seit mehreren Jahren eine Gruppe von Betroffenen der rechtsextremen Angriffsserie, welche die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gefordert hatte und sich weiterhin öffentlich für Aufklärung einsetzt. Zudem sagte ein Mitarbeiter der MBR Anfang Dezember als Zeuge im Gerichtsverfahren zu rechtsextremen Drohsprühereien an und in Wohnhäusern aus, die im Rahmen der Serie angebracht worden waren.

Nachdem der Untersuchungsausschuss in den ersten Sitzungen vor allem Betroffene der rechtsextremen Angriffsserien angehört hatte, wurde Ende November die MBR als Sachverständige  zu den Hintergründen und möglichen behördlichen Versäumnissen im Zusammenhang mit den Taten befragt. Im Vorfeld hatte die MBR auf der Grundlage ihrer Expertise aus über 20 Jahren Beobachtung, Analyse und Beratungstätigkeit in Neukölln den Ausschuss-Mitgliedern ein rund 40-seitiges Gutachten zur Verfügung gestellt. Der Untersuchungsausschuss wird seine Tätigkeit 2023 mit der Befragung von Zeug*innen aus den Behörden fortsetzen. Die weitere Arbeitsfähigkeit des Gremiums hängt von der Zulieferung angeforderter Akten und möglichen Auswirkungen des im Januar wegen der Wiederholung der Berlin-Wahlen beginnenden Wahlkampfes ab.

Die Gerichtsverhandlung, in der ohnehin nur ein kleiner Teil der Taten der Angriffsserie zur Anklage gebracht worden ist, nähert sich dem Ende, ist aber bis zum Redaktionsschluss dieses Textes noch nicht abgeschlossen. Die Verfahren gegen zwei der ursprünglich fünf angeklagten Neonazis wurden gleich zu Beginn abgetrennt und werden seitdem gesondert verhandelt. Ein dritter Angeklagter wurde in einem ebenfalls abgetrennten Verfahren wegen Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit der Verherrlichung des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß zwischenzeitlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Somit standen zuletzt nur noch die beiden Hauptverdächtigen der Brandstiftungen wegen dieser und weiterer – zum Teil unpolitischer – Straftaten vor Gericht. Am 15. Dezember wurde schließlich einer der beiden Hauptverdächtigen vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen und lediglich für Propagandadelikte, die nicht zur rechtsextremen Angriffsserie zu rechnen sind, zu einer Geldstrafe verurteilt. Erst wenige Tage zuvor war eine Verurteilung ebendieses Rechtsextremen zu einer Bewährungsstrafe nach einer rassistischen Attacke auf einen Taxifahrer rechtskräftig geworden. Das Gericht hatte diese Verurteilung entgegen der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft bei seiner Entscheidung allerdings nicht berücksichtigt. Im Januar 2023 wird in dem Prozess nur noch ein Hauptverdächtiger, der ehemalige Neuköllner NPD-Vorsitzende, auf der Anklagebank sitzen. Das Urteil wird Anfang Februar erwartet.

Die Prozessführung hatte bei Beobachter*innen von Beginn an Fragen aufgeworfen. So war einer der ursprünglichen Angeklagten zwar auf einem Polizeivideo bei einem der Angriffe der Serie identifiziert worden, er wurde aber für diese Tat nicht angeklagt. Auch andere wichtige Fragen blieben im Prozess unbeantwortet. Warum brauchte es erst eine Videoaufnahme vom Anbringen einer Drohsprüherei, die während der verdeckten Überwachung eines Geschädigten zufällig entstand, um die seit vielen Jahren einschlägig als rechtsextrem bekannten Verdächtigen zu identifizieren? Wie kamen die Rechtsextremen an die Adressdaten der Betroffenen? Welche Rolle spielten dabei die von der Berliner Datenschutzbeauftragten beanstandeten Abfragen in polizeilichen Informationssystemen? In welchen Netzwerken wurden die Täter*innen politisch sozialisiert, und inwiefern konnten sie auf Hilfe und Unterstützung durch rechtsextreme Strukturen zurückgreifen? Eine Antwort auf diese Fragen erwarten die Betroffenen und die kritische Öffentlichkeit nun von der Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses (vgl. nsu-watch.info).

Die Berliner AfD auf der Suche nach Orientierung

Nach den deutlichen Verlusten bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus (AGH) und zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVVen) im September 2021 sah sich der Berliner Landesverband der rechtspopulistischen, in weiten Teilen rechtsextremen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) 2022 erneut mit einem internen Richtungsstreit konfrontiert.

Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar tat sich die Partei, wie schon in der Anfangsphase der Corona-Pandemie, sichtlich schwer mit der eigenen Positionierung. So vermied es die Landes- und AGH-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker in einer Aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses, den russischen Präsidenten namentlich zu nennen, und sprach stattdessen von „Westmächten“ als Beteiligten in einem „Konflikt“. Schon im Vorfeld war die Berliner Parteispitze gezwungen gewesen, den bundesweit immer bekannter werdenden Abgeordneten Gunnar Lindemann zur Mäßigung aufzufordern, nachdem dieser die Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete durch die russische Regierung positiv kommentiert hatte.

Innerhalb der Berliner AfD-Prominenz stand Lindemann, der bereits in der Vergangenheit immer wieder mit Reisen auf die Krim oder als „Wahlbeobachter“ im Donbass von sich reden gemacht hatte, mit seiner pro-russischen Position zunächst allein, fand aber bald Zustimmung in seinem AfD-Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf, in anderen AfD-Landesverbänden sowie bei weiteren Teilen der extremen Rechten. Zusammen mit Brandenburger AfD-Mitgliedern und dem Chefredakteur des rechtsextremen Compact-Magazins veranstaltete Lindemann etwa einen Gesprächsabend, bei dem russische Propaganda verbreitet wurde, hielt Vorträge bei der „Identitären Bewegung“ in Österreich und beteiligte sich an einem Verein, der prorussische Medien vor allem finanziell unterstützt (vgl. tagesschau.de).

AfD-Fraktionen und AfD-Verbände in anderen Berliner Bezirken erklärten sich hingegen solidarisch mit der Ukraine, positionierten sich gegen den Krieg und stimmten für entsprechende Resolutionen anderer Parteien. Rhetorisch in den Vordergrund rückten dabei Vaterlandsverteidigung, Kampf um nationale Selbstbestimmung und Sehnsucht nach dem Wiedererstarken kämpferischer Männlichkeit. Entsprechend forderte die AfD die Aufrüstung der Bundeswehr und eine stärkere Militarisierung der deutschen Gesellschaft.

Auch in Kriegszeiten: Rückbesinnung auf Migration als rechtspopulistisches Identitätsthema der AfD

Die Berliner AfD widmete sich innerhalb des Diskurses um den Krieg gegen die Ukraine aber weiterhin ihrem rechtspopulistischen Identitätsthema schlechthin: der Migrationspolitik. Schon früh inszenierte die Berliner Landesvorsitzende einen Besuch der provisorisch eingerichteten und durch ehrenamtliche Helfer*innen getragenen Aufnahmestelle am Berliner Hauptbahnhof. So sollte die AfD als humanitäre Unterstützerin von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine dargestellt und gleichzeitig ein organisatorisches Versagen des rot-grün-roten Senats bei der schnellen Aufnahme von Geflüchteten und der Versorgung mit Unterbringungsplätzen angeprangert werden.

Warum sich die AfD plötzlich „migrationsfreundlich“ inszenierte, wurde in einem Antrag der AfD-Fraktion im AGH deutlich. Der Antrag „Volle Solidarität mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine: Klare Priorisierung bei der Versorgung“ forderte die zuständigen Stellen dazu auf, „Personen ohne Aufenthaltsrecht nach den rechtlichen Vorgaben schnellstmöglich in ihre Heimatländer zurückzuführen“, um in Unterkünften Platz für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu schaffen. Im Verlaufe des Jahres mehrten sich aber auch parlamentarische Drucksachen und Äußerungen, in denen Ressentiments gegen eine angebliche Vorzugsbehandlung von Geflüchteten aus der Ukraine geschürt wurden.

Eine Auseinandersetzung aus dem Vorjahr beschäftigte die kommunalen Gremien auch 2022: In vier Bezirken hat die AfD das Vorschlagsrecht für das Amt eines Bezirksstadtrats. Bis zum Redaktionsschluss dieses Textes war allerdings in nur in einem Bezirk der Kandidat der Partei gewählt worden. In den übrigen Bezirken scheiterten die Vorschläge der AfD in allen Wahlgängen an der Mehrheit der demokratischen Parteien. Die Frage nach der Abwägung zwischen Wertehaltungen einerseits und möglichen Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit der Gremien andererseits stellte sich in Beratungen der MBR auf verschiedenen Ebenen. Im November reichten AfD-Fraktionen aus drei Bezirksverordnetenversammlungen schließlich Klage vor dem Verwaltungsgericht ein. Die Senatsinnenverwaltung lehnte als zuständige Bezirksaufsicht ein Einschreiten ab. Dabei berief sie sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wahl des Bundestagsvizepräsidenten, nach der das Recht auf einen Wahlvorschlag nicht bedeute, dass die vorgeschlagenen Kandidat*innen auch gewählt werden müssen.

 „Unser Land zuerst!“ – Nationalistische AfD-Mobilisierung ins Regierungsviertel

Die Berliner AfD folgt mit ihrer Positionierung zu Russland insgesamt der Bundespartei, die sich als selbsternannte „Partei des Friedens für Europa“ für eine Stärkung der Beziehungen zu Russland und eine Beendigung der Sanktionen einsetzt. Die Öffnung der Gaspipeline Nord Stream 2 war auch eine der populistischen Forderungen, mit denen die Bundespartei am 8. Oktober 2022 unter dem Slogan „Unser Land zuerst! Wir stehen an Deiner Seite!“ zu einer Demonstration ins Berliner Regierungsviertel mobilisierte (vgl. Belltower.News).

Unterstützt durch Debattenbeiträge von Strategen aus dem Spektrum der „Neuen Rechten“, die versuchten, Szenarien von „Volksaufständen“ und einem „Systemsturz“ zu verbreiten, wurden von der Kampagne der AfD vor allem Ängste vor Energieengpässen, Blackouts und Verelendung geschürt (vgl. mobit.org). Zwar gelang es der Partei, bis zu 10.000 Personen in Berlin zu versammeln, jedoch setzten sich diese nach Einschätzung der MBR zu großen Teilen aus AfD-Mitgliedern und ihrem direktem Umfeld zusammen.

Unter ihnen waren auch mehrere bekannte Protagonist*innen und Medienmacher*innen der rechtsextremen und verschwörungsideologischen Szene, die bereits regelmäßig bei größeren Versammlungen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen aufgefallen waren. Die Jugendorganisation der AfD „Junge Alternative“ machte durch Lautstärke und Parolen der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ auf sich aufmerksam.

Der Berliner AfD gelang es auch im Anschluss an die Großversammlung nicht, zu einem „heißen Herbst“ zu mobilisieren, sodass es in der Hauptstadt weiterhin an einem Angebot fehlt, das imstande wäre, das potenziell abrufbare rechtsextreme und antidemokratische Potenzial regelmäßig auf der Straße zu versammeln.

Am ehesten finden solche Versuche der Partei im Bezirk Steglitz-Zehlendorf statt. Hier bemüht sich der AfD-Bezirksverband um den ehemaligen Abgeordneten Andreas Wild und sein Vereinslokal „Staatsreparatur“, an die verschwörungsideologischen „Montagsspaziergänge“ anzuschließen. Wild ist trotz eines Parteiausschlussverfahrens weiterhin gut in den Bezirksverband integriert. Er organisiert regelmäßig Veranstaltungen mit Rechtsextremen, etwa vom „Institut für Staatspolitik“ oder vom Compact-Magazin, und hält wöchentlich Kundgebungen mit niedriger zweistelliger Personenzahl auf dem Steglitzer Rathausvorplatz ab. Unterstützung erhofft sich der Bezirksverband dabei vor allem von den zahlenmäßig stark geschrumpften verschwörungsideologischen Spaziergängen, an denen sich zu Beginn des Jahres noch Berliner Politiker*innen der AfD öffentlichkeitswirksam beteiligten – so in Steglitz-Zehlendorf u.a. mehrfach die Berliner Landesvorsitzende Kristin Brinker und der Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio. Unterstützt durch juristische Ratschläge, politische Statements und parlamentarische Anfragen wurde versucht, sich das Protestpotenzial der meist unangemeldeten Versammlungen zunutze zu machen.

Auch der „Jungen Alternative“ gelang kein Mobilisierungserfolg mehr. Mit einer LGBTIQ*-feindlichen Kampagne wurde zwar zu einer Kundgebung gegen eine in Schöneberg geplante „Regenbogen-Kita“ aufgerufen. Trotz gleichlautender Kampagnen in rechten Medien und Social-Media-Kanälen bestand der Großteil der etwa 40 Teilnehmenden aber aus zugereisten Mitgliedern der „Jungen Alternative“ Brandenburg. Vor Ort prägte eine von einem breiten Bündnis getragene Gegenkundgebung mit hunderten Teilnehmenden das Bild (vgl. Tagesspiegel).

Trotz fehlender eigener Mobilisierungskraft konnte die Berliner AfD, zumindest in den Umfragewerten, vom aktuellen gesellschaftlichen Klima und den politischen Debatten profitieren. Nach den Wahlen in Niedersachsen, bei denen die AfD zweistellig abschnitt, läuft in Berlin zu Beginn des Jahres 2023 erneut der Wahlkampf an. Bei der Wiederholung der Wahlen zum Berliner AGH und den BVVen setzt die AfD auf das bewährte Identitätsthema Migrationspolitik und warnt vor einer Wiederholung der „Flüchtlingskrise“ von 2015. Vor dem Hintergrund einer weiterhin anhaltenden Energiekrise wird Angst vor möglichen Blackouts geschürt, mit der Forderung nach härteren Strafen bedient die AfD zudem die emotional aufgeladenen Debatten um Klimaschutzaktivismus und die Angriffe Polizist*innen und Feuerwehrleute in der Silvesternacht.

Demokratisches Engagement in der Krise?

Gesellschaftliche Krisen betreffen auch diejenigen, die sich in Berlin gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren. Sich schnell verändernde Lebenssituationen, vergleichsweise neue mobilisierungsstarke Themen wie corona-bezogene Verschwörungserzählungen und damit einhergehende Straßenproteste oder der Angriffskrieg Russlands führten in den bestehenden Initiativen und Bündnissen zu einem großen Bedürfnis nach Klärung der eigenen Positionen. Diese aufwendigen Klärungsprozesse mussten zudem pandemiebedingt häufig im digitalen Raum stattfinden. Nach zwei Jahren zeigte sich, dass der digitale Austausch den direkten Austausch, der in Präsenz an Orten des gemeinsamen Engagements stattfindet, nicht ersetzen konnte. Zugleich fällt der Weg aus den digitalen Räumen zurück in die vor-pandemischen Routinen zuweilen schwer. Ohnehin zeitlich verdichtete Arbeitsverhältnisse und die zunehmend mühsame Bewältigung der eigenen Lebensverhältnisse gehen zu Lasten intensiver Diskussionen und zeitaufwendiger Proteste am Feierabend.

Die Folgen sind vielfältig: Ehrenamtliche Initiativen sind weniger aktiv, Bündnisse werden kleiner, die Sichtbarkeit von Mobilisierungen zu demokratischen Protesten und die Beteiligung an diesen nehmen ab. Dies trifft insbesondere auf Orte zu, die nicht zu den Lebensmittelpunkten der engagierten Berliner*innen zählen, wie beispielsweise das Berliner Regierungsviertel, das auch 2022 meist der Aufmarschort bundesweiter Mobilisierungen aus dem verschwörungsideologischen oder rechtspopulistischen Spektrum blieb. Trotz alledem entstanden während der Hochphase der „Montagsdemonstrationen“ zum Jahresbeginn 2022 in mehreren Bezirken auch neue Initiativen, in Spandau und Reinickendorf wurden sogar größere Bündnisse gegründet. Im ersten Halbjahr gab es montags insgesamt über 150 Kundgebungen gegen verschwörungsideologische Versammlungen in allen 12 Berliner Bezirken: ein ermutigendes Zeichen in schwierigen Zeiten (vgl. Berlin-gegen-Nazis.de).

Als beratendes Projekt hat die MBR dabei immer wieder beobachtet, vor welch große Schwierigkeiten demokratische Akteur*innen gestellt sind – etwa wenn es darum geht, kursierende Narrative politisch eindeutig einzuordnen. Die MBR veröffentlichte daher auch im zurückliegenden Jahr regelmäßig fachliche Einschätzungen, die auf der Beobachtung der Versammlungsaktivitäten auf der Straße und der relevanten Kanäle in den Sozialen Medien beruhen. Ihr Fachwissen über die aktuellen Entwicklungen in den Phänomenbereichen Antisemitismus, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Verschwörungsideologien stellt die MBR allen Beratungssuchenden in Berlin zur Verfügung.

Auch 2022 setzte sich der Trend der vergangenen Jahre fort, dass sich Berliner*innen in alltäglichen Kontexten zunehmend mit Rassismus und Antisemitismus konfrontiert sahen. Vorfälle ereigneten sich nicht nur auf der Straße oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern auch in den Kitas ihrer Kinder, im Betrieb oder im eigenen Wohnumfeld. Im zurückliegenden Jahr beriet die MBR etwa die Bewohner*innen mehrerer Mietshäuser, nachdem explizit antisemitische, NS-verherrlichende und rassistische Schriftzüge und Zeichnungen in Hausfluren und Treppenhäusern angebracht worden waren.

Wachsam bleiben!

Die MBR stellt für 2022 einen Rückgang von Beratungen zum Umgang mit Verschwörungsideologien fest. Einer der Gründe ist, dass das Wissen  über die allgemeinen Mechanismen und Wirkungsweisen verschwörungsideologischen Denkens nach Beobachtung der MBR erfreulicherweise gestiegen ist – ohne Frage auch ein Erfolg der umfangreichen Qualifizierungs- und Beratungsangebote, welche die MBR und andere zivilgesellschaftliche Fachprojekte bereitstellen. Der Aufklärungs- und Beratungsbedarf bleibt aber auf hohem Niveau, wobei im Beratungsalltag verstärkt eine Rückkehr klassisch rechtsextremer Phänomene und der sich daraus ergebenden Herausforderungen zu beobachten ist.

Ob die weiterhin angespannte Corona-Lage oder das Kriegsgeschehen in Europa, ob die steigenden Lebenserhaltungs- und Energiekosten oder der Klimawandel – Rechtsextreme und verschwörungsideologische Protagonist*innen versuchen seit jeher, Verunsicherungen zu funktionalisieren und so Menschen für ihre Agenda zu gewinnen. Dabei können sie an gesellschaftlich weit verbreitete antidemokratische Einstellungen anknüpfen, wie zuletzt die aktuelle Leipziger Autoritarismus-Studie zeigt. Wenn etwa ein gutes Drittel der Berliner*innen der Aussage zustimmt, dass die Hintergründe der Corona-Pandemie nie ans Licht der Öffentlichkeit kommen werden, dann knüpft dies an Einstellungen an, die nicht erst in den „Corona-Protesten“ entstanden sind (vgl. Berlin-Monitor). Eine diffuse, aber rigorose Protesthaltung gegen politische Entscheidungsträger*innen, oft mit antisemitischer Codierung, sowie eine generelle Ablehnung von oder Distanz zu demokratischen Prinzipien und Verfahren ist zunehmend zur Klammer eines Milieus geworden, in dem offen rechtsextreme mit verschwörungsideologischen Einstellungen zusammentreffen.

Gemeinsam ist dem Protestmilieu die Überzeugung, sich im Widerstand zu befinden, und so bilden sich neue Allianzen, die eine Bedrohung für alle demokratisch Engagierten darstellen. Dass diese Allianzen bis weit in mittelständische Kreise und auch in die Sicherheitsbehörden hineinreichen, wurde zuletzt anlässlich der bundesweiten Razzia einmal mehr deutlich, bei der Unternehmer, Selbstständige, eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD und Berliner Landesrichterin sowie ein Mitarbeiter des „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) der Bundeswehr in Untersuchungshaft genommen wurden.

Zu solchen Verstrickungen von ehemaligen wie aktiven Angehörigen der Sicherheitsbehörden passen Berichte über rechtsextreme Personen und Haltungen innerhalb der Berliner Polizei. Zuletzt war Mitte Dezember 2022 öffentlich geworden, dass in zwei Chatgruppen mit mehr als 60 Mitgliedern aus der Polizeibehörde rassistische Inhalte ausgetauscht wurden. Erst im November hatte die Berliner*innen eine Recherche verunsichert, der zufolge ein Berliner LKA-Beamter in Begleitung eines Rechtsextremen aus der „Nordkreuz“-Gruppe ohne Erlaubnis in Länder der ehemaligen Sowjetunion gereist war. Dass im Oktober eine erste Berliner Polizeistudie erschien, die u.a. feststellt, dass „gesellschaftlich diskriminierende Wissensbestände […] – wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen – naturgemäß auch in polizeilichen Praktiken“ existieren, ist aus Sicht der MBR zu begrüßen. Es handelt sich um einen wichtigen ersten Schritt, um wenigstens ein angemessenes Problembewusstsein zu schaffen.

Im Jahr 2022 zeigte sich noch ein Konflikt unter den Engagierten in der Hauptstadt: Nach dem Verbot pro-palästinensischer Versammlungen im Mai brach eine Auseinandersetzung auf, die vordergründig das Verhältnis von Zivilgesellschaft und repressiven Behördenhandeln zum Gegenstand hatte, jedoch schon länger virulent ist und sich letztlich um das Verhältnis von Antisemitismus und Rassismus dreht.

Es bleibt eine wichtige Aufgabe, eine Position zu finden, die beide Phänomene, Antisemitismus wie Rassismus, benennt, ohne eines zu negieren, und einen Umgang findet, der eine Spaltung von Initiativen und Bündnissen verhindert. Dieses Spannungsfeld produktiv aufzulösen, ist wichtig in einer gesellschaftlichen Situation, die wohl auch im Jahr 2023 breite Proteste gegen demokratiefeindliche Versammlungen erfordern wird.

Die politisch Verantwortlichen in die Pflicht nehmen!

Auch wenn bei den verschwörungsideologischen und rechtsextremen Versammlungen auf den Straßen Berlins zuletzt – mit wenigen Ausnahmen – eher abnehmende Zahl Teilnehmender zu verzeichnen waren, bedeutet das nicht, dass antidemokratische Einstellungen und Netzwerke an Bedeutung verloren hätten. Vielmehr existiert ein großes Mobilisierungspotenzial, das, wie etwa die Montagsspaziergänge zu Beginn des Jahres 2022 gezeigt haben, anlassbezogen stets reaktivierbar und erweiterbar ist. Insbesondere die Versuche etwa der AfD, durch die Aufteilung in „gute“ und „schlechte“ Geflüchtete eine rassistische und migrationsfeindliche Stimmung zu erzeugen, verlangen die volle Aufmerksamkeit der demokratischen Zivilgesellschaft und der Berliner Politik.

Dabei wird auch der Umgang von Politik und Verwaltung mit der demokratischen Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle spielen. Zu betonen, wie wichtig die Positionierung gegen demokratiefeindliche Demonstrationen sei, an das zivilgesellschaftliche Engagement zu appellieren oder es symbolisch auszuzeichnen – all das ist notwendig. Vor allem aber müssen die politischen Rahmenbedingungen so gestaltet sein, dass sich Menschen möglichst ohne persönliche Gefährdung und mit dem Gefühl der Sichtbarkeit und Wirksamkeit engagieren können. Insbesondere bei Protesten gegen Versammlungen aus dem rechtsextremen, rechtspopulistischen und verschwörungsideologischen Spektrum war 2022 zu beobachten, dass das erst 2021 neu geschaffene Berliner Versammlungsgesetz mit dem vielversprechenden Titel „Versammlungsfreiheitsgesetz“ in der Praxis eher repressiv ausgelegt wird und sicherheitspolitische Erwägungen häufig Vorrang erhalten.

Die im Gesetz neu geschaffenen Rechte auf Protest in Sicht- und Hörweite und auf ungehinderten Zugang zu Protestversammlungen, die Stärkung der Rechte von Versammlungsleitungen gegenüber erheblichen Störungen, die frühzeitige Veröffentlichung von Demonstrationsrouten, die eine niedrigschwellige Organisation von Gegenprotesten ermöglicht – all das scheint in der praktischen Umsetzung des Versammlungsrechts hinter Sicherheitsmaßnahmen zurückzustehen. Neu ist diese restriktive Praxis nicht, wie die Erfahrungen einer Anwohner*inneninitiative aus den Jahren 2018/19 zeigen (vgl. rechtsaussen.berlin). Das neue Versammlungsfreiheitsgesetz bietet allerdings die Chance, die im Gesetz neu formulierten Rechte wahrzunehmen und auf sie zu insistieren.

 

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