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Rechtsterroristische Akzelerationisten Hurra, diese Welt geht unter

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Das Ende der Zeiten? Darunter steht, für wen: Aufruf, auf schwarze Jugendliche zu husten.

Die allgemeine rechtsextreme Szene scheint mit aktuell noch zwischen wissenschaftsfeindlichem Unglauben bzw. Leugnung der Corona-Pandemie und Verschwörungsideologie über daran „Schuldige“ zu schwanken. Wie reagiert die rechtsterroristisch interessierte Szene auf Corona?

Oh, rechtsterroristische Gruppen auf Telegram sind jetzt happy! Der Ausnahmezustand ist da, den Akzelerationisten ja grundsätzlich befürworten, herbeiführen oder verstärken wollen. Sie freuen sich, dass Ausnahmezustand herrscht, dass die Menschen nun zu Preppern werden und sich auf den gesellschaftlichen Zusammenbruch vorbereitet, dass sie auch zunehmend Waffen kaufen. Sie freuen sich das Lieferketten zusammenbrechen könnten, was ja auch Radikalisierung in der Bevölkerung verstärken kann, dass die medizinische Versorgung schwieriger wird, dass die Aktienkurse stürzen.

Und ein bisschen ist diese international vernetzte und international handelnde Community auch erleichtert. 2019 gab es viele Anschläge aus diesem Umfeld (Christchurch, Poway, Oslo, El Paso, Halle), doch zuletzt herrsche der Eindruck vor, dass weniger passiert. Das liegt vor allem an der Schließung der Plattform 8chan. Die Akzelerationisten in den Telegram-Gruppen verstehen sich als Elite, als Generäle, als Strategen. Die machen Podcasts oder Memes, aber die wollen keinen Selbstmord nach Anschlägen begehen. Das lebensmüde Fußvolk, dass als letzte vermeintlich heroische Tat einen rechtsterroristischen Anschlag als Höhepunkt, aber auch Ende ihres Lebens begeht, das fanden sie auf 8chan, aber 8chan ist geschlossen und bisher gibt es keinen passenden Ersatz. Aber nun kommt Corona, Chaos greift sich Raum, und es gibt viel Platz für beim National Socialist Movement, Vorherrschaft Divison oder Blutkrieg Division – und wie sie alle heißen -, antisemitische Verschwörungserzählungen zu verbreiten und auf den Untergang der liberalen Gesellschaft zu hoffen – wonach in der Welterzählung der Rechtsterrorist*innen die „Vorherrschaft der weißen Rasse“ zum Tragen kommen soll.

Was Akzelerationisten schreiben:

Nun sind rechtsextreme Akzelerationisten aber genau die Leute, die nicht nur hoffen, sondern auch handeln wollen. Wozu rufen sie auf?

Sie wollen Chaos verstärken, und ein adäquates Mittel scheint ihnen zu sein, die Infrastruktur anzugreifen. Sie rufen zu Attentaten auf die Stromversorgung auf. Sie freuen sich, dass bald alle Geschichtsmasken tragen werden und dann nicht mehr zu erkennen ist, ob aus Angst vor Corona oder weil der Träger einen rechtsterroristischen Anschlag ausführt. Die Anschläge sollen dazu dienen, militärisches Eingreifen nötig zu machen – ein Bürgerkrieg wird angestrebt.

Gibt es in der Szene auch Ideen, Corona zu verstärken? Das ist ja auch tödlich…

Das ist, ehrlich gesagt, eher ein Meme, also ein bildliche Erzählung im Internet. Da gibt es viele Memes, wie Corona verbreitet werden soll, à la „Wenn ich mich angesteckt habe, gehe ich in die Synagoge, gehe ich in die Moschee, huste ich Polizisten an“. Das ist Gerede, das tun Menschen nicht wirklich. Es ist Ausdruck von Antisemitismus, von Muslimfeindlichkeit, von Rassismus, aber kein ernsthafter Plan. Das funktioniert eher wie „Corona Challenges“ wie z.B. Automaten ablecken in der Öffentlichkeit: Dummes Gerede, das nicht wirklich jemand macht.

Rassismus und Corona (Galerie):

Was sind das für Mitglieder in den rechtsterroristisch-akzelerationistischen Telegram-Gruppen?

Viele Mitglieder scheinen vor allem online rechtsextrem zu sein, suchen aber durchaus auch Kontakt zu in der Offline-Welt existierenden rechtsextremen Strukturen, denn sie suchen ja Vernetzung und Verbündete. In den elitär organisierten Telegram-Gruppen gibt es junge und alte Mitglieder, aber wenn ich mir etwa rechtsterroristische Kanäle auf Instagram ansehe, das sind es leider auch oft 15-Jährige Kids, die Terroraufrufe von „Atomwaffen Division“ liken.

Nehmen solche Einstellungen jetzt in Corona-Zeiten unter Jugendlichen zu?

Es entsteht zumindest eine größere Gefährdungslage. Die Jugendlichen im Shutdown haben keinen Offline-Kontakt mehr zu ihren Peergroups. Die Autoritäten – Eltern, Lehrer*innen – sind selbst verwirrt und wissen nicht Bescheid. Die Jugendlichen sind längere Zeit des Tages online, zocken, vernetzen oder amüsieren sich. Rechtsextreme bemühen sich jetzt um Ansprachen, denn viele Jugendliche sind auf der Suche nach Erklärungen, und Rechtsextreme haben welche, wenn auch keine Guten: Sie haben Feindbilder, die Schuld sind an der Katastrophe, sie zeichnen ein einfaches Schwarz-Weiß-Bild der Welt und sie bieten das Heldenepos an, falls ein Jugendlicher bereit sein sollte, in die Welt zu gehen und Gewalt anzuwenden: Er kann dann online ein „Heiliger“ werden, ein „Saint“, so nennen Rechtsterroristen ihre tödlich „erfolgreichen“ Kameraden. Kurzum: Eltern sollten sich wirklich dafür interessieren, was ihre Jugendlichen so im Internet tun. Denn sonst gibt es zu den radikalisierenden Stimmen im Internet kein Korrektiv mehr, keine abweichende Meinung, die für Menschenrechte spricht und zu bedenken gibt, dass ein Selbstmordanschlag alle weiteren Möglichkeiten vernichtet.

Antisemitismus und Corona:

Gibt es in der rechtsterroristisch interessierten Szene besonders beliebte Verschwörungserzählungen?

Ihre Verschwörungserzählungen sind noch antisemitischer als anderswo. Jüdinnen und Juden sind für sie weiterhin das Feindbild Nummer 1. Außerdem sehen Nazis eine „Säuberung“ am Werk und sehen so die Krise als Chance für das Überleben der Fittesten, und das sollen natürlich Weiße sein. In diese Szene ist aber auch Ökofaschismus überaus beliebt, der den Corona-Virus jetzt als „Heilung“ für die Welt von der „Krankheit Mensch“ sehen. „Feuerkrieg Division“ hatte ein Sharepic mit der Aufschrift „Save Bees, Plant Trees, Shoot Refugees“ Ökofaschismus ist im Moment auch ein Querfront Thema – ähnliche Menschenverachtung ist auch in der linken Szene zu sehen.

Ökofaschistisches Telegram-Posting von „Feuerkrieg Division“.

So viel zur Theorie. Gab es schon Vorfälle?

Es gab einen Attentatsversuch in den USA, da wollte ein Rechtsextremer – Online-Spitzname „Werwolfe 84“, in Telegram-Gruppen vom „National Socialist Movement“ und „Vorherrschaft Divison“ aktiv – einen Sprengstoffanschlag auf ein Krankenhaus in Belton verüben, um damit Infrastruktur anzugreifen,, offenbar als Reaktion auf dieAusgangssperre, die zuvor verkündet worden war. Corona sah er als „Erfindung der Juden“ an als “excuse to destroy our people”, also als nicht wirklich real, sondern zum Nutzen von Jüd*innen erfunden – ein uralte antisemitische Erzählung. Ironie des Schicksals, dass er auf der Fahrt zum Attentat von der Polizei gestoppt und schwer verwundet wurde – und dann im Krankenhaus behandelt wurde, wo doch sein Plan war, ein Krankenhaus in die Luft zu sprenge. Er ist allerdings an den Folgen der Verletzungen gestorben.

Ist die Erzählung, dass Corona nur eine „Erfindung“ sei, so stark, dass die Rechtsextremen gar keine Angst haben?

Anfangs hat die rechtsterroristische und meme-interessiert Online-Szene Corona so sehr gefeiert, dass das Bild von „Corona Chan“ entwickelt wurde – der Virus als asiatisches Manga-Mädchen, dem mit „Hail Corona Chan“ gehuldigt wurde.

„Corona Chan“ – Das Virus als sexualisierte Darstellung eines chinesischen Mädchens mit Fledermausflügeln.
Dieser Post feiert: Corona Chan und sagt „Hail COVID-19“ – weil die Welt ins Chaos fällt.

Inzwischen sickert langsam die Erkenntnis durch, dass das Virus keinen Unterschied macht zwischen Herkunft, Hautfarbe und Nationalitäten, dass es mitnichten nur alte Menschen, Frauen oder Migrant*innen befällt, wie andere Verschwörungserzählungen lauten. Jetzt geben sogar Naziterroristen zu: Sie haben Angst.

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