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Demokratie in Gefahr? Vize-Landrat in Bautzen kündigt Rechtsbruch bei Impfpflicht an

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Udo Witschas (CDU,l), Erster Beigeordneter im Landratsamt Bautzen, spricht während einer Kundgebung gegen Corona-Maßnahmen davon, die Impfpflicht in seinem Landkreis nicht befolgen zu wollen. (Quelle: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert)

Der Landkreis Bautzen wolle die ab März geplante Impfpflicht in seinen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern nicht durchsetzen. Das kündigte zumindest der CDU-Vize-Landrat, Udo Witschas, am Montagabend vor Demonstrierenden an.

In Bautzen waren am Montag, dem 24. Januar 2022,  nach Schätzungen der Polizei mehr als 2.000 Teilnehmer:innen auf den Beinen. Sie zogen vor das Landratsamt.  Vize-Landrat Udo Witschas trat vor die Teilnehmer und sprach: „Wenn Sie mich danach fragen, was das Gesundheitsamt des Landkreises Bautzen machen wird ab dem 16.3., dann werden wir unseren Mitarbeitern im Pflege- und im medizinischen Bereich kein Berufsverbot, kein Betretungsverbot erteilen.“ Witschas erntete tosenden Beifall der Anwesenden vor der Eingangstür des Landratsamtes.

Der Politiker verkündet so auf der Pandemieleugern:innen- und Impfgegner:innen-Versammlung am Montagabend, dass sich das Gesundheitsamt des Landkreises Bautzen nicht an ein am 10. Dezember 2021 beschlossenes Bundesgesetz halten wolle. Der aktuell wieder zur Landratswahl antretende Udo Witschas hat damit einen offenen Rechtsbruch angekündigt. Wie die Landesregierung und wie die CDU darauf regieren werden, ist bisher noch unklar.

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Udo Witschas wird zur Galionsfigur der Rechtsextremen und Querdenker:innen

Ein Video der Rede, das die rechtsextreme Vereinigung „Freie Sachsen“ veröffentlichte, verbreitet sich unterdessen wie ein Lauffeuer. Keine 24 Stunden später hat das Video bereits über 540.000 Views.

In zahlreichen Telegram-Kanälen wird der Landrat für seinen „Mut“ gefeiert. Zu jenen rechtsextremen Meinungsmachern, die das Video weiterverbreiteten, gehören unter anderem, der Kopf der deutschsprachigen rechtsextremen „Identitären Bewegung“, Martin Sellner der rechtsextreme Hetzer Sven Liebich, der neonazistische Geschäftemacher Tommy Frenck, der antisemitische Veganer Attila Hildmann. Und auch die neofaschistische Kleinstpartei „Der III. Weg“ findet lobende Worte. Sie spricht etwa von einem „Meilenstein“. In einem Blogbeitrag heißt es:

„Ein Jeder der immer sagt, man könne eh nichts verändern, wird nun eines besseren belehrt. Nun gilt es dran zu bleiben, damit die Proteste noch größer werden. In Bautzen wurde eine Etappe erreicht, doch noch nicht das Ziel. Weitere Bürgermeister und Landräte müssen durch die Proteste sprichwörtlich einknicken, bis die skrupellose Impfpflicht und alle Zwangsmaßnahmen wieder abgeschafft wurden sind. Das System ist gefährlicher als Corona!“  (Fehler im Original)

Doch Witschas scheint nicht der einzige Politiker zu sein, der dem Druck der Schwurbler:innen und Demokratiefeind:innen nachgibt oder auf Anerkennung im antidemokratischen Milieu hofft. Auch der ehemalige CDU-Politiker und nun parteilose Oberbürgermeister von Freital, Uwe Rumberg, unterstütze am Montagabend offen die Anti-Maßnahmen-Proteste und legitimiert damit diese in großen Teilen unsolidarischen Protestler:innen als gleichberechtigte Gesprächspartner:innen. Er legitimiert somit rechte Kräfte, die nichts weiter wollen als einen politischen Umsturz.

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„Freie Sachsen“ wittern „Wendezeit“

Die Radikalisierungs-Beschleuniger des rechtsextremen Netzwerkes „Freie Sachsen“ sprechen sogleich von „Wendezeit“ und dass die Regierung Kretschmers zu Ende sei, „sie muss unverzüglich zurücktreten oder wird durch die Bürger abgesetzt werden.“

Wahltaktik der CDU? Das Spiel mit der Demokratie

Die Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz wittert unterdessen in Witschas Verhalten wahltaktisches Manöver, da er im Juni zur Wiederwahl im Landkreises Bautzen antritt. Sehr gut möglich also, dass sich Witschas an das rechtsextreme und impfskeptische Milieu seines Wahlkreises anbiedern will. Doch im Gegensatz zum parteilosen Freitaler Bürgermeister ist der Vize-Landrat aus Bautzen noch CDU-Mitglied. Bereits 2017 hat Witschas bereits bewiesen, dass er keine Berührungsängste zu Neonazis hat. Durch Chatverläufe ließen sich gute Kontakte zu einem NPD-Politiker nachweisen, dem er auch interne Informationen aus seiner damaligen Zuständigkeit, dem Ausländeramt, mitteilte.

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Anbiederungsversuche an das rechtsextreme und demokratiefeindliche Milieu aus den Reihen der CDU werden wir in Zukunft vielleicht noch häufiger sehen, da die CDU auf Bundesebene nun nicht mehr in Regierungsverantwortung ist. Doch auf dem Spiel steht hier nichts Geringeres als unsere freien Werte und letztendlich unsere Demokratie. Statt einen Kotau vor Demokratiefeind:innen hinzulegen, sollte es doch eigentlich oberste Priorität demokratischer Politiker:innen sein, demokratische Bürger:innen zu stärken.  

Update: 26.01.2022

Der Landkreis Bautzen stellt nun klar, die Impfpflicht werde wohl doch umgesetzt – allerdings stehe die Versorgungssicherheit in Kliniken, Heimen und beim ambulanten Pflegedienst an erster Stelle. Im Interview mit ZDFheute machte Witschas allerdings deutlich: „Wir bleiben bei der gleichen Aussage wie gestern: Ein Betretungsverbot ist aus diesen Gründen nicht umsetzbar, also zum Zeitpunkt 16.3.“.

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„Freie Sachsen“ AfD in der Radikalisierungsfalle

Die AfD ist auch 2022 von Orientierungslosigkeit und Zerstrittenheit geprägt. Derzeit streitet sie intern über den Umgang mit den „Freien Sachsen“, einer rechtsextremen Kleinstpartei, die ihr im Freistaat den Rang als rechte Protestpartei abgelaufen hat.

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Neue Broschüre Wie gehe ich mit Impfgegner:innen um?

Wie kann ich Desinformationen zum Thema Impfen erkennen? Welche menschenverachtende Inhalte stecken in Anti-Impf-Aussagen? Warum ist organisierte Impfgegnerschaft eine Gefahr für die Demokratie? Antworten gibt die neue Broschüre „Immun gegen Fakten“ der Amadeu Antonio Stiftung.

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