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Jens Maier Sitzt bald ein rechtsextremer AfD-Politiker wieder auf der Richterbank?

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Jens Maier: Sitzt der Rechtsextreme bald wieder auf der Richterbank?
Jens Maier: Sitzt der Rechtsextreme bald wieder auf der Richterbank? (Quelle: Flickr / Jan Maximilian Gerlach / CC BY-SA 2.0)

Trotz aussichtsreichem Listenplatz verpasste der sächsische AfDler Jens Maier bei der Wahl 2021 den Wiedereinzug in den Bundestag. Maier, der zuvor als Richter am Landgericht Dresden tätig war, plant zum März 2022, in die sächsische Rechtsprechung zurückzukehren. Einen entsprechenden Antrag reichte er im Dezember 2021 fristgerecht beim sächsischen Justizministerium ein. Das Problem: Maier ist ideologisch dem rechtsextremen und zumindest formal aufgelösten „Flügel“ rundum Björn Höcke zuzuordnen. Der sächsische Verfassungsschutz führt Maier seit Oktober 2020 deshalb ebenfalls als rechtsextrem (vgl. MDR).

Dass Maier von seinem Rückkehrrecht ins Richteramt Gebrauch machen will, hat Politiker:innen und die Zivilgesellschaft folglich aufhorchen lassen. Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz Komitee erklärte in einem Statement vom 5. Februar, Maier habe sich als „bekennender rechtsextremer Hetzer ins Gedächtnis der Überlebenden des Holocaust eingeschrieben.“ Für Heubner bleibe deshalb zu hoffen, dass Maier von der Rechtsprechung ferngehalten wird.

Jurist:innen streiten über den angemessenen Umgang

Unter Jurist:innen herrscht Uneinigkeit, wie mit Maier umzugehen ist. Denn das sächsische Justizministerium sieht sich selbst die Hände gebunden. Solange Maier nicht wieder in sein Amt eingesetzt ist, ließe sich demnach kein Suspendierungsverfahren einleiten. Die Kompetenz dafür liege zudem bei dem oder der unmittelbaren Dienstvorgesetzten und nicht beim Ministerium selbst (vgl. Legal Tribune Online). Fraglich sei ebenfalls, ob Maiers Tätigkeiten als Bundestagsabgeordneter bei einem Disziplinarverfahren überhaupt Beachtung finden dürften. Mit dieser Einschätzung stellte sich die sächsische Justizbehörde gegen die Argumentation des Bremer Verfassungsrechtlers Andreas Fischer-Lescano. Fischer-Lescano bezeichnete Maiers potenzielle Rückkehr in die aktive Rechtsprechung in den Tagesthemen als „Dammbruch“. In seinem Gutachten hält er am Bestehen von Spielräumen zur Eröffnung eines Disziplinarverfahrens fest.

Die „Neue Richtervereinigung“ und eine Reihe von politischen Akteur:innen haben derweil die grundgesetzliche Richteranklage als mögliches Rechtsmittel gegen den AfD-Politiker ins Spiel gebracht. Mit den Stimmen der schwarz-rot-grünen Koalition und der Linkspartei wäre die hierfür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im sächsischen Landtag prinzipiell erreichbar. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik würde das Bundesverfassungsgericht dann über die Absetzung eines Richters entscheiden. Doch die sächsische CDU konstatiert hierbei „enorm hohe Hürden“. Sie sieht deshalb nicht den Landtag, sondern das von den Grünen geführte Justizministerium in die Pflicht genommen.

Während die juristisch-politische Debatte also ihren Lauf nimmt, mag sich der Rückblick auf das öffentliche Auftreten Jens Maiers lohnen. Wer spricht hier vielleicht in Sachsen bald schon wieder Recht?

Jens Maier, der „kleine Höcke“

Dass Maier ein Verbündeter Björn Höckes ist, belegt nicht nur der Verfassungsschutz. Denn Maier, der sich selbst schon mal als „kleiner Höcke“ bezeichnet hat, trat im Januar 2017 in Dresden als Höckes Vorredner auf. Nicht zuletzt an Wähler:innen der rechtsextremen NPD adressiert, versprach Maier, „Patrioten“ in der AfD „eine echte Heimat“ zu bieten. Den sogenannten „Schuldkult“ – ein diffamierender Begriff für die deutsche Erinnerungskultur und das Gedenken an den Holocaust – erklärte Maier hingegen für beendet. Deutschlands nationale Identität sah er durch die „Herstellung von Mischvölkern“ bedroht.

Im April 2017 sorgte Maier weiterhin mit einer Äußerung zum norwegischen, neonazistischen Massenmörder Anders Breivik für Aufsehen. Laut Vorwaerts, Zentralorgan der SPD, sagte Maier bei einer Konferenz des verschwörungsideologischen Compact-Magazins: „Breivik ist aus Verzweiflung heraus zum Massenmörder geworden.“ Im Zuge der Veranstaltung soll sich Maier ferner wohlwollend auf den neurechten Blogger „Fjordmanberufen haben. „Fjordmans“ Pamphlet „Europa verteidigen“ war indes auch für Breivik ein positiver Punkt der Referenz. Compact entfernte im Nachhinein die Videoaufzeichnung von Maiers Rede. Die Zeitschrift behauptete gar, Maiers vermeintliche Sympathien für Breiviks Anschlag seien von der „Lügenpresse“ konstruiert. Der AfDler selbst gab zu verstehen, er habe nach einer Erklärung und nicht nach einer Entschuldigung für Breiviks Taten gesucht (vgl. Tagesspiegel).

Auch innerhalb der AfD sorgten Maiers Äußerung zu Breivik und seine positiven Bezüge auf die rechtsextreme NPD für Aufsehen. Die damalige Bundesvorsitzende Frauke Petry und der damalige Generalsekretär der sächsischen AfD Uwe Wurlitzer initiierten ein Parteiausschlussverfahren gegen Maier. Im Antrag argumentieren sie, Maier „lobt mehrfach und beharrlich die NPD und ist sich dabei der Tatsache bewusst, dass es sich um eine verfassungsfeindliche Partei handelt“ (vgl. Tagesspiegel). Der Parteiausschuss scheiterte freilich an massivem Gegenwind aus den eigenen Reihen. Nach der Bundestagswahl 2017 verließen stattdessen Petry und Wurlitzer die eigene Partei.

Maier ist weiterhin auch im Internet mit problematischen Äußerungen in Erscheinung getreten. Im Januar 2018 bezeichnete sein Twitter-Account Noah Becker – Sohn des Tennisprofis Boris Becker – als „kleinen Halbn[****]“. Maier behauptete, ein Mitarbeiter habe den Tweet verfasst. Im Januar 2019 verurteilte ihn das Berliner Landgericht dennoch zu einer Schmerzensgeldzahlung. Maier kündigte daraufhin an, in Berufung gehen zu wollen. Letztlich einigte er sich mit Becker auf eine Zahlung in Höhe von 7.500 Euro (vgl. Belltower.News).

AfD-Mann auf der Richterbank

Im Angesicht dieser Fallbeispiele gewinnt der Widerstand gegen Maiers Rückkehr in sein Amt sicherlich an Plausibilität. Doch auch als Richter war Maiers Auftreten in der Vergangenheit besorgniserregend. Dass er dabei in Fragen des Medien- und Presserechts urteilte, hat die Sache gewiss nicht besser gemacht.

Zumindest in zwei dokumentierten Fällen haben sich Maiers politische Einstellungen auf die Amtsausübung ausgewirkt. Der Politologe und anerkannte Experte für Rechtsextremismus Steffen Kailitz plädierte im Jahr 2016 in der ZEIT für ein Verbot der rechtsextremen NPD. Dabei behauptete er, dass die neonazistische Partei „rassistisch motivierte Staatsverbrechen“ plane. Die NPD forderte von der ZEIT und von Kailitz daraufhin eine Unterlassungserklärung zu dieser Passage. Als diese ausblieb, beantragte die Nazipartei vor dem Dresdner Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Politikwissenschaftler. In einem verfahrensrechtlich zweifelhaften Vorgehen übertrug das Landgericht Jens Maier die alleinige Entscheidung. Maier gab der Verfügung in einem Eilverfahren statt. Letztlich erhielt Kailitz bei einer Hauptverhandlung im März 2017 Recht (vgl. Die ZEIT).

In einem weiteren Verfahren mit Bezug zu NPD und AfD erklärte sich Maier kurze Zeit nach seinem Auftritt als Vorredner von Höcke selbst für befangen. Der damalige AfD-Landtagsabgeordnete Detlev Spangenberg hatte gegen das Kulturbüro Sachsen geklagt. Bei der Klage ging es um eine Aufklärungsbroschüre des Kulturbüros aus dem Jahr 2009. Darin enthalten war ein Foto, das Spangenberg gemeinsam mit NPD-Mitgliedern zeigt. Spangenberg und die Neonazis legen Kränze für die Opfer der Dresdner Bombennacht nieder. Sieben Jahre später behauptete Spangenberg, dass er nur zufällig auf dem Foto gewesen sei. Ein Befangenheitsantrag des Kulturbüros gegen Maier war im Sommer zuvor noch zurückgewiesen worden (vgl. Tagesspiegel).

Maiers Engagement für die AfD und seine verbalen Entgleisungen sind im Übrigen auch an seinen alten Dienstherren am Dresdener Landgericht nicht vorbeigegangen. Die Zuständigkeit für Medien- und Presserecht sowie für Verfahren, die den Ehrenschutz betreffen, wurde Maier wenige Tage nach der Rede in Dresden entzogen. Im August 2017 erließ das Gericht gar eine Disziplinarverfügung gegen den AfD-Politiker. Unter Bezug zu der Rede und zu Social-Media-Äußerungen über die NPD sprach das Gericht einen Verweis gegen ihn aus: „In seiner Disziplinarverfügung kommt der Präsident zu dem Ergebnis, dass Richter Maier gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, sich auch außerhalb des Amtes bei politischer Betätigung so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Er habe damit gegen das sog. Mäßigungsgebot des § 39 des Deutschen Richtergesetzes verstoßen“, heißt es hierzu in der zugehörigen Pressemitteilung.

In seinem Buch „Rechte Richter“ beschrieb der Journalist Joachim Wagner den Ausgang dieses Disziplinarverfahrens als „erstaunlich“. Zumindest Wagner sah allen Anlass für härtere Schritte gegen Maier gegeben – vor allem, weil Disziplinarverweise nach zwei Jahren wieder verjährt sind. Der 2017 ausgesprochene Verweis stellt also in der heutigen Lage keinen Grund gegen Maiers Wiedereingliederung in den Justizapparat dar.

Eine derart „kurze Tilgungsfrist“ bezeichnet Wagner deshalb als „eines der zahlreichen ungelösten Probleme der Dritten Gewalt im Umgang mit AfD-Robenträgern.“ Am Fall Maier verdeutlicht sich dergestalt die Notwendigkeit besserer Instrumente zum Schutz vor rechtsextremen Justizbeamten. Denn im Zweifelsfall ist zwar davon auszugehen, dass an Maiers künftiger Dienststelle ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet und zu Ende gebracht wird. Aktuell sieht es jedoch so aus, dass Maier bis dahin erneut auf der Richterbank Platz nehmen könnte.

Foto: Flickr / Jan Maximilian Gerlach / CC BY-SA 2.0

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