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Rechtsterrorismus Zwei rechtsextreme, muslimfeindliche Attentate in Italien und Polen verhindert

Die neue Strategie des international vernetzten Rechtsterrorismus, durch Attentate weiter Attentäter zu motivieren, scheint aufs Bitterste aufzugehen: In den letzten zwei Tagen wurden rechtsextreme Attentate in Italien und Polen verhindert, Anfang November ein Attentat auf eine Synagoge in Colorado (USA).

 
Flaschen mit Chemikalien aus der Wohnung des Warschauer Verdächtigen. (Quelle: Pressematerial ABW)

 

Polen:

Am 10. November hat die Polizei in Polen zwei Männer verhaftet, die Terrorakte gegen Muslime planten. Inspiriert wurden sie offenbar von den Attentaten des norwegischen Utoya-Attentäter Anders Behring Breivik, den Attentäter von Christchurch, Brenton Tarrant, und den norwegischen versuchten Attentäter Philip Manshaus im Sommer 2019. Dies gaben die Sicherheitsbehörden am Mittwoch, den 13. November 2019, bekannt. Die beiden Verdächtigen wurden in Warschau und Szczecin/Stettin verhaftet.

Die Sicherheitsbehörden beobachteten nach eigenen Angaben die Gruppe, zu der die Verdächtigen gehören, schon länger. Sie hatte Pläne geschmiedet, Attacken mit Schusswaffen und Sprengstoff auszuführen. Bei Hausdurchsuchungen wurden große Mengen von Sprengstoff, Gewehre und Munition gefunden. Ziel der Attacken sollten in Polen lebende Menschen muslimischen Glaubens sein.

Gegen die Verdächtigen lag bereits ein gerichtliches Verbot vor, Waffen, Munition und Pyrotechnik zu besitzen, doch die Männer sammelten weiterhin explosive Materialien und Schusswaffen (vgl. Wiadomosci.Dziennik.pl). Bei der Hausdurchsuchung im Warschauer Stadtteil Włochy fanden die Beamt*innen Chemikalien, die für die Herstellung großer Mengen von Sprengstoff geeignet waren, dazu Schusswaffen und Munition. Außerdem wurden acht Flaschen mit hochgiftigen Chemikalien gefunden, Bücher und Datenträger mit Anleitungen für die Herstellung von Sprengstoffen und mit verschlüsselter Kommunikation der Gruppe, und eine geringe Menge Rauschgift.

Damit wären die Verdächtigen in der Lage gewesen, große Anschläge durchzuführen, die eine große Menge an Menschen betroffen hätte. Die Gruppe hatte zuvor bereits öffentlich rassistisch und islamfeindlich agitiert.

Bereits in der vergangenen Woche hatte Polen mit Rechtsterrorismus zu tun: Nach Angaben des Innenministers hatte Polen einen schwedischen Anhänger der „Nordischen Widerstandsbewegung“ ausgewiesen, der nach Polen gereist war, um sich im Umgang mit Waffen schulen zu lassen.

Quellen reuters, Dziennik.

 

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Italien:

Erst am Dienstag, 12. November 2019, war bekannt geworden, dass in der Toskana eine rechtsextreme Gruppe aufgeflogen ist, die nach Medienberichten einen Anschlag auf eine Moschee geplant haben soll. Die Polizei ermittelt gegen zwölf Verdächtige, zwei Personen wurden festgenommen. Es geht um Attentatspläne und illegalen Waffenbesitz. Die Verdächtigen hatten einen Anschlag auf die Moschee in Colle Val d’Elsa  bei Sienna geplant. Auf von den Behörden verbreiteten Fotos waren zahlreiche in der Provinz Siena beschlagnahmte Gewehre, Revolver, eine Panzerfaust und eine Hakenkreuz-Plakette zu sehen. Laut Medienberichten war die Gruppe außerdem in Besitz von TNT und explosiven Materialien und bekennt sich offen zu Faschismus und Nationalsozialismus. Laut „Il Messagero“ wurden außerdem Helme und Uniformen aus dem Zweiten Weltkrieg, Messer, Schlagringe, Holzknüppel und nationalsozialistische und faschistische Symbole sichergestellt.

Die Nachrichtenagentur Ansa berichtet, es gäbe abgehörte Gespräche, in denen der Anschlag mittels Sabotage an einer Gasleitung geplant worden sei. Die Moschee sollte dann in die Luft gejagt werden. Die Gruppe habe davon aber Abstand genommen, weil sie befürchtete, von der Polizei entdeckt zu werden.

Verhaftet wurden ein 60-jähriger Bankier aus Monte dei Paschi, Andrea Chesi, mutmaßlich der Kopf der Gruppe, und sein 22-jähriger Sohn Yuri, bei denen u.a. TNT und Teile von Kriegsbomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wurden.

Der 60-Jährige posierte auf Fotos in SS-Uniform oder wie er eine Panzerfaust hält und sammelte Flaschen mit flüssigen Sprengstoff in seiner Garage. In seiner Freizeit stellte er Schalldämpfer für Pistolen her, mit denen er offenbar auch andere Gruppen beliefern wollte. Zusammen mit seinem Sohn ging er mit Metalldetektoren auf die Suche nach Bomben und Kriegsüberbleibseln auf dem Land. Die Gruppe selbst bezeichnete sich als „jenseits von Casa Pound und Forza Nouva“. Der 60-jährige Bankier propagierte, eine „nationale republikanische Garde“ aufzubauen, die „Gerechtigkeit“ ausüben solle – und zwar mit Waffengewalt und dem Erschießen von Menschen. Ziel des Hasses waren Migrant*innen und Muslim*innen, aber auch demokratische Politiker*innen Italiens.

Izzedin Elzir, Imam von Florenz und Präsident der Islamischen Gemeinschaften von Italien, kommentierte laut „Euronews“: „Die Nachricht (…) hat in unserer Gemeinde so viel Angst ausgelöst. Sicherlich repräsentieren diese Menschen nicht die Realität des Colle Val d’Elsa und auch nicht die toskanische und nicht einmal die italienische Realität. (…) Wir danken der Polizei, die gute Arbeit geleistet hat, und unseren Mitbürgern, die unserer Gemeinschaft große Solidarität entgegengebracht haben, um zu zeigen, dass diese Akte des Extremismus und des Terrorismus Taten sind, die geächtet gehören“.

Die Moschee in Colle Val d’Elsa wurde bereits mehrfach zum Ziel muslimfeindlicher Aktionen: So wurde in der Vergangenheit bereits ein „Schweinefleisch-Picknick“ auf dem Gelände verhindert. Die muslimfeindliche Publizistin Oriana Fallaci hatte bereits 2006 mit Blick auf die Moschee geäußert, sie sei bereit „Sprengstoff zu nehmen und sie in die Luft zu jagen“.

Quellen: Blick, Spiegel, Il Messagero, Euronews

USA:

Am 5. November wurde bekannt, dass das FBI ein antisemitisches Attentat auf eine Synagoge in Pueblo (Bundesstaat Colorado, USA) verhindert hat.

Ein 27-jähriger Rechtsextremer hatte dort geplant, an Halloween die Synagoge Temple Emanuel in Pueblo (Bundesstaat Colorado) in die Luft zu sprengen. Der Verdächtige war den Behörden bei einer verdeckten Internet-Ermittlung aufgefallen und hatte unwissend Kontakt zu einem verdeckten Ermittler auf Facebook. Der 27-Jährige gab im Gespräch an, ehemals ein Skinhead und Mitglied des Ku-Klux-Klan gewesen zu sein. Bei einem Treffen mit dem Ermittler brachte der Mann ein Messer und eine Maske mit in ein Motel und wollte Materialien zum Bau einer Rohrbombe kaufen. Zuvor hatte der Anhänger der „White Supremacy“ („Weiße Vorherrschaft“)-Ideologie über das Ermorden von Jüdinnen und Juden in Online-Foren debattiert und Videos von sich selbst vor der Synagoge in Pueblo geteilt. Online posierte er auf Fotos mit Gewehren und Messern und teilte rassistische „White Supremacy“-Symbolik. Er schrieb u.a.: „Ich wünschte, der Holocaust wäre wirklich passiert … sie müssen sterben“. Außerdem gab er an, er habe bereits ein Jahr zuvor einen „Hexer“ bezahlt, um die Synagoge zu verfluchen, und wollte einen Giftanschlag auf deren Wasserversorgung unternehmen.

Der 27-Jährige war dem FBI laut „CNN“ aufgefallen, weil er nach dem antisemitischen Attentat auf die Synagoge in Pittsburgh im Oktober 2018 zustimmend kommentierte. Außerdem hätten seine Kommentare erkennen lassen, dass er selbst „eine mögliche Bedrohung für die jüdische Community“ sei. Daraufhin bekam das FBI einen Tipp von Mitlesenden. Ein FBI-Mitarbeiter sagt auf der Pressekonferenz nach der Verhaftung: „Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, dass aufmerksame Mitmenschen solche Bedrohungen an die Behörden melden.“ In Kontakt mit verdeckten Ermittler*innen gab der Verdächtige an, er könnte sich einen Anschlag mit einem „Molotow Cocktail“ vorstellen: „Ich möchte etwas, dass denen sagt, dass sie in dieser Stadt nicht willkommen sind. Lass uns diesen Platz von der Karte ausradieren.“

Die Synagoge Temple Emanuel ist 119 Jahre alt und wird von rund 35 Familien besucht. Sie hatte zuvor noch niemals mit Bedrohungen zu tun, nicht einmal mit Vandalismus. Der Rechtsextreme gab die Attentatspläne zu, als er von der Polizei verhaftet wurden.  Nun drohen ihm bis zu 20 Jahre Gefängnis.

Quellen: Jüdische Zeitung, CNN

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