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Überblick Rechter Terror in Deutschland 2015 – 2019

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Rechte Gewalttaten sind „Botschaftstaten“: Sie treffen nicht nur die Opfer, sondern sind auch ein Angriff auf die Gruppe, für die die Opfer stehen. (Quelle: picture alliance / Frank Ma)

Der NSU erschien vielen einzigartig, doch rechtsterroristische Tendenzen sind in Kommen: Seit 2015 sind zahlreiche rechte Terrorgruppen und Einzelpersonen öffentlich gemacht, die meisten angeklagt und viele verurteilt worden – aber nicht alle. Wir wollen einen Überblick geben, welche rechtsterroristischen Organisationen und Netzwerke es in Deutschland neben dem NSU noch gibt, wann diese bekannt wurden und wie der Stand der Ermittlungen ist.

2015

Old School Society (OSS)

Mai 2015: Razzien in Bayern, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern. Vorwurf: Verdächtige horteten Sprengstoff und Waffen für gezielte Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte, Moscheen und „Salafisten“.

März 2017: Rechtskräftige Urteile gegen vier Mitglieder durch das OLG München, Freiheitsstrafen zwischen drei und fünf Jahren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten eine terroristische Vereinigung gebildet hatten. Ihr Ziel sollen Anschläge auf Geflüchtete gewesen sein. Sie hätten damit Migrant*innen aus Deutschland vertreiben wollen, erklärte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Dabei hätten sie auch den Tod von Menschen billigend in Kauf genommen.

Im November 2018 wird ein weiteres Mitglied der OSS wegen der Vorbereitung eines Anschlags auf eine Geflüchtetenunterkunft in Borna angeklagt.

Januar 2019: Anklage gegen zwei weitere Mitglieder der OSS wegen der Anschlagsplanung auf eine Unterkunft in Borna.

März 2019: Ein dritter Prozess beginnt in Dresden, wegen des geplanten Anschlags auf die Geflüchtetenunterkunft in Borna.

Gruppe Freital

September 2015: Gegen drei Männer der „Gruppe Freital“ wird Haftbefehl erlassen. Sie sollen Sprengstoffanschläge in Freital und Umgebung durchgeführt haben.

März 2018: Sieben Männer und eine Frau werden vom OLG Dresden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Sechs der Angeklagten wurden wegen versuchten Mordes verurteilt, zwei wegen Beihilfe zum versuchten Mord. Ihnen werden fünf Anschläge in Freital und Dresden zur Last gelegt.

Der Prozess um die „Gruppe Freital“ verdient deshalb viel Beachtung, weil er eindringlich zeigt, wie sich Menschen in einem rassistischen Umfeld immer weiter radikalisieren und schließlich bereit sind für ihre menschenverachtende Ideologie Menschenleben in Kauf zu nehmen.

Erst durch das Eingreifen der Bundesanwaltschaft wurde der Fokus des Verfahrens auf eine organisierte Struktur in Freital gelegt. Davor wollte die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft das Ganze wegen geringerer Bedeutung vor einem Amtsgericht zur Anklage bringen.

2016

Anschlag am OEZ München, David Sonboly

Juli 2016: Der Schüler David Sonboly erschießt am 22. Juli 2016 bei einem Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) München neun Menschen und danach sich selbst. Sämtliche Opfer hatten Migrationshintergrund. Die öffentliche Rezeption des Attentatsmotivs hat sich mit der Zeit verschoben. Wurde zunächst von einem „Amoklauf“ eines „geistig verwirrten“ Einzeltäters ausgegangen, verdichteten sich die Hinweise auf ein rassistisches Tatmotiv durch Aussagen von Mitschüler*innen. Außerdem bezog sich Sonboly auf die Taten des rassistischen Massenmörders von Anders Breivik.

Januar 2018: Der Verkäufer der Tatwaffe, der Waffenhändler Phillip K. wird wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen, Körperverletzung und illegalem Waffenhandel zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Laut vorsitzendem Richter ist K. „ohne Zweifel ein Rassist und rechtsradikal, ein überzeugter Anhänger Hitlers und des Dritten Reichs.“

Mai 2018: Recherchen des Spiegel und des MDR zeigten darüber hinaus zwei Jahre später die Vernetzung des Attentäters Sonboly in rechtsextremen Chatgruppen auf. Über diese hatte er unter anderem Kontakt zu einem US-amerikanischen Rechtsextremen, der später ein Attentat an einer High School in den USA verübte.

Sprengstoffanschlag auf Moschee in Dresden

September 2016: Kurz vor den Feierlichkeiten zum 3. Oktober in Dresden gibt es Rohrbombenanschläge auf die Fatih Camii Moschee und auf das Kongresszentrum. Der Tatverdächtige Nino K. wird im Dezember 2016 festgenommen. Die Anklage gegen ihn lautet auf versuchten Mord und das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Beim Verfahren im August 2018 fordert die Staatsanwaltschaft zehn Jahre und neun Monate Haft.

September 2018: Das Landgericht folgt der Forderung der Staatsanwaltschaft fast in vollem Umfang. Das Urteil lautet auf neun Jahre und acht Monate Haft.

Ein Jahr vor der Tat, trat K. als Redner bei einer flüchtlingsfeindlichen Kundgebung von Pegida in Dresden auf. Das „Antifa Infoblatt“ verweist in diesem Zusammenhang auf Pegida als „Durchlauferhitzer“, also Radikalisierungspunkt, für Nino K. und andere, die sich durch den Zuspruch und die großen Demonstrationen ermutigt fühlen ihren Rassismus in die Tat umzusetzen.

Weisse Wölfe Terrorcrew (WWT)

Februar 2016: Die „Weiße Wölfe Terrorcrew“ (WWT) wird vom Bundesinnenministerium verboten. Sie war ursprünglich als Fanclub einer Rechtsrock-Band entstanden und hatte sich über die Jahre zu einer gewalttätigen Kameradschaft entwickelt, die durch nationalsozialistische Äußerungen und Gewalttaten auffiel. Deutliche Bezüge zum verbotenen Neonazi-Netzwerk von „Blood & Honour“ und dessen bewaffneten Arm „Combat 18“ ließen zumindest eine Nähe zum Rechtsterrorismus plausibel erscheinen. Bereits 2008 war bei einer Durchsuchung der Wohnung eines WWT-Mitglieds in Hamburg eine Schrotflinte samt Munition gefunden worden. Außerdem wurde im Juni 2012 ein Schweizer Neonazi aus dem Umfeld der WWT nach Mordversuch und Flucht nach Hamburg festgenommen.

Dezember 2018: Fünf Mitglieder der WWT-Ortsgruppe Bamberg werden Ende 2018 wegen geringerer Delikte zu unterschiedlich kurzen Haftstrafen verurteilt. Den Vorwurf der kriminellen Vereinigung sieht das Gericht nicht bestätigt.

2017

Franco A./Nordkreuz/Hannibal/Uniter

Die Fälle von Nordkreuz, Franco A. und Hannibal sind recht unübersichtlich und miteinander verwoben. Sie haben das Potential, die größte und am besten vernetzte Gruppe aufzudecken. Im Verdacht beteiligt zu sein stehen Bundeswehroffiziere, Polizist*innen und andere Staatsbeamt*innen. Bei Durchsuchungen wurden bereits Waffen, Sprengstoff und Namenslisten linker Politiker*innen gefunden.

Franco A.

Januar 2017: Bundeswehroffizier Franco A. fliegt bei dem Versuch auf eine im Flughafen Wien versteckte Schusswaffe abzuholen. Es stellt sich heraus, dass er sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Geflüchteter aus Syrien ausgegeben hatte. Höchstwahrscheinlich, um nach der Durchführung eines geplanten Anschlages den Verdacht auf Geflüchtete zu lenken.

Mai 2017: Die Bundesanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen.

November 2017: Der Haftbefehl gegen Franco A. wird wegen fehlenden dringenden Tatverdachts vom Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt aufgehoben; gegen den Willen der Bundesanwaltschaft, die daraufhin Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof einlegt.

Dezember 2017: Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Frano A. wegen Anschlagsvorbereitung, Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffen- und Sprengstoffgesetz, wegen Diebstahls und Betrugs. Er hatte sich laut Anklage mehrere Waffen, darunter ein Sturmgewehr und Pistolen, mehr als 1.000 Schuss Munition und mehr als 50 Sprengkörper, besorgt.

November 2018: Im Zuge der Ermittlungen gegen Franco A. wird auch ein Offizier des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) wegen Geheimnisverrats angeklagt. Dieser soll Verdächtige in dem Verfahren vor anstehenden Ermittlungen gewarnt haben.

März 2019: Besagter MAD-Offizier ist in erster Instanz vom Vorwurf des Geheimnisverrats freigesprochen worden, die Staatsanwaltschaft kündigte an in Berufung zu gehen.

Nordkreuz

September 2017: Durch Medienberichte über Hausdurchsuchungen wird ein in verschiedenen norddeutschen Bundesländern aktives Netzwerk unter dem Namen „Nordkreuz“ bekannt. Mehrere Objekte in Mecklenburg-Vorpommern werden durchsucht, unter anderem die Wohnhäuser zweier Polizist*innen. Die Mitglieder der Gruppe werden zu Anfang der Ermittlungen noch als „Prepper“ bezeichnet, die sich offenbar auf einen Bürgerkrieg oder einen anderen Krisenfall vorbereiteten. Sie horteten dazu jedoch nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Waffen und legten Listen linker Politiker*innen an, die im Falle des Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung mindestens entführt, wenn nicht sogar ermordet werden sollten. Diesem Netzwerk gehörten neben Polizist*innen auch andere Beamt*innen, sowie mehrere Reservist*innen der Bundeswehr an. Die Entführungspläne gingen so weit, dass Polizist*innen in Uniform in einer Krisensituation potenzielle Zielpersonen zu Hause abholen sollten, unter dem Vorwand sie in Sicherheit zu bringen. Das eigentliche Ziel war aber sie zu entführen, an Sammelpunkte zu bringen und dort zu ermorden.

Auch Franco A. ist laut Recherchen der taz Teil dieses Netzwerks (siehe unten).

Hannibal

November 2018: Im Zuge von Recherchen der taz stellt sich heraus, dass die Gruppe „Nordkreuz“ nur eines von sechs Regionalchaptern eines Netzwerks in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist. „Nordkreuz“ wird von André S. angeführt, einem Elitesoldaten der Kommando Spezialkräfte (KSK), auch bekannt unter seinem Chat-Alias „Hannibal“. Es stellte sich heraus, dass das Netzwerk weit größer ist als vorher bekannt und neben Polizist*innen und Soldat*innen auch Mitarbeiter*innen des Verfassungsschutzes umfasst.

Februar 2019: Nach Recherche von SWR und Focus kommen im Interview mit einem ehemaligen KSK-Soldaten weitere Details über das Netzwerk und seine Verbindung mit dem Verein „Uniter“ ans Licht. Diese bestätigen offenbar die Meldungen von den Feindeslisten, Waffendepots und Mordabsichten. Dabei soll „Uniter“ das eigentliche Netzwerk darstellen.

Uniter

Der Verein Uniter präsentiert sich als Reserverist*innen-Verein, jedoch ist auch hier der ehemalige KSK-Soldat mit dem Decknamen „Hannibal“ in einer führenden Position aktiv. Nach Recherche der taz sind oder waren viele der Mitglieder deckungsgleich mit Nordkreuz und anderen Prepper-Gruppen, auch Franco A. war Teil von Uniter.

März 2019: Weitere Recherchen der taz decken eine Verbindung von Verfassungsschutz und Uniter e.V. auf. Ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg war Gründungsmitglied und saß im Vorstand. Pikantes Detail: dieser Mann namens Ringo M. war 2005 in der selben Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit wie Michèle Kiesewetter, die im April 2007 vom NSU ermordet wurde.

Stephan K., Sprengstoffanschlag S-Bahnhof Hamburg-Veddel

Dezember 2017: Der wegen Totschlags aus rechten Motiven vorbestrafte Stephan K. lässt auf dem Bahnsteig der S-Bahn-Station im Hamburger Stadtteil Veddel eine selbstgebaute Nagelbombe, bestehend aus illegalen Böllern und Schrauben, explodieren. Bei der Explosion werden Umstehende verletzt.

Juli 2018: Im Prozess belastet zunächst eine der Zeug*innen, eine Ex-Freundin von K. sowohl den Angeklagten, als auch die Polizei. Diese hätte ihren frühen Hinweisen auf den Täter keinen Glauben geschenkt.

Oktober 2018: Das Urteil lautet auf 10 Jahre wegen versuchten Mordes, der Anwalt des Beschuldigten kündigte Revision an.

Auch bei dieser Tat ist von einem rassistischen Motiv auszugehen. S. war jahrelang in der Neonazi-Szene aktiv und bereits Anfang der 1990er Jahre wegen Totschlags an dem Kapitän Gustav Schneeclaus verurteilt worden, der Hitler einen „großen Verbrecher“ genannt hatte. Auch K.s Umfeld besteht aus überzeugten Rechtsextremen, wie die Vernehmungen im Prozess deutlich machten. Auch die Richterin hielt eine rassistische Motivation des Anschlags für „ziemlich wahrscheinlich“.

Dazu die Pressemitteilung von Aktivist*innen, die ebenfalls eine Prozess-Beobachtung durchführten.

2018

Prozess Sprengstoffanschlag Düsseldorf-Wehrhahn

Juli 2000: Bei einem Bombenanschlag in Düsseldorf-Wehrhahn werden zehn Menschen verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich. Ein ungeborenes Baby stirbt. Bei den Opfern handelt es sich überwiegend um jüdische Zuwanderer*innen aus Osteuropa.

Januar 2018: Fast 18 Jahre später wird dem Inhaber eines Militaria-Ladens unweit vom Tatort mit Kontakten zu Rechtsextremen Ralf S. vorgeworfen den Bombenanschlag begangen zu haben, die Anklage lautet auf zwölffachen Mordversuch.

Juli 2018: Ralf S. wird freigesprochen, kurz vorher war der Angeklagte bereits aus der U-Haft entlassen worden. Der Richter begründete dies unter anderem mit seinem Zweifel ob S. geistig in der Lage wäre eine Bombe zu bauen und zur Explosion zu bringen. S. ist ehemaliger Soldat.

Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft gefordert und reichte eine Woche später Revision gegen das Urteil ein. Der BGH dürfte frühestens 2019 über das Urteil entscheiden.

Pressemitteilung von Aktivist*innen zum Urteil: „Der Angeklagte hat einen Erste-Klasse-Freispruch bekommen – von Aufklärung kann keine Rede sein.“

Nordadler

April 2018: Die Bundesanwaltschaft wirft vier Männern aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen vor, eine Neonazi-Terrorgruppe gegründet zu haben und durchsucht ihre Wohnungen. Nach Erkenntnissen des LKA Niedersachsen standen „Staatsfeinde“, Jüd*innen und linke Aktivist*innen im Visier der Neonazis. Außerdem sollen sie Immobilien in Thüringen für ein eigenes „Siedlungsprojekt“ sondiert haben.

Nordic Division

September 2018: Bei Razzien in mehreren Kieler Wohnungen findet die Polizei Waffen. Weil ein Mitglied auf einem Foto mit einer Maschinenpistole posierte, war der Verfassungsschutz bereits auf die Gruppe aufmerksam geworden. Die Gruppe von acht Neonazis aus Deutschland und der Schweiz hatte offenbar über den Messenger „Telegram“ Gewaltfantasien gegen Flüchtlinge ausgetauscht und zeigte offen ihre Sympathie für den Nationalsozialismus. Die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen zwei Männer und eine Frau aus Schleswig-Holstein wegen der Beschaffung von Kriegswaffen und Volksverhetzung.

Revolution Chemnitz

Oktober 2018: Sieben Männer werden in Untersuchungshaft genommen, die in Verdacht stehen rassistische Morde geplant zu haben. Sie stammen aus der rechtsextremen- und Hooligan-Szene in Sachsen. Tom W., einer der Rädelsführer von Revolution Chemnitz, war auch schon in der bereits verbotenen Neonazi-Kameradschaft „Sturm 34“. Einige Tage danach wird mit Maximilian V. noch ein achter Verdächtiger fest genommen.

Am Rande einer Pro Chemnitz-Demonstration im September 2018 hatten sie bereits einen „Testlauf“ gestartet, bei dem sie gezielt vermeintliche Migrant*innen angriffen. Das erklärte Ziel von „Revolution Chemnitz“ sei gewesen einen Umsturz herbei zu führen. In der internen Kommunikation der Gruppe fiel dabei die Aussage, dass der NSU nur eine “Stümpertruppe” gewesen sei.

Dezember 2018: Dem Rädelsführer Christian K. wird außerdem Volksverhetzung vorgeworfen. Er soll auf einem öffentlichen Facebook-Profil ein Bild des Konzentrationslagers Buchenwald mit der Aufschrift „Jedem das Seine“, versehen mit einer Mickey Mouse, gepostet haben. K. behauptet stattdessen sein Facebook-Profil sei gehackt worden.

Blood & Honour (B&H)

Dezember 2018: Unter Leitung der Generalstaatsanwaltschaft München werden in vier verschiedenen Bundesländern 15 Objekte durchsucht und fünf  Personen festgenommen. Sie stehen im Verdacht das verbotene Netzwerk „Blood and Honour“ reaktiviert und fortgeführt zu haben. Dabei geht es vor allem um den Vertrieb von Rechtsrock und Merchandise

März 2019: Die fünf Verdächtigen sind wieder auf freiem Fuß, gegen sie wird jedoch weiterhin ermittelt.

Jahrelang galt die elitäre und ultra-rassistische Neonazi-Organisation „Blood & Honour“ als eine der bedeutendsten rechten Terrorzellen in Deutschland – bis zum ihrem Verbot im Jahr 2000. Verschwunden ist das Netzwerk seither allerdings nicht – vielmehr verfolgen die Aktivist*innen ihr Ziel, die Vorherrschaft der „weißen Rasse“ in einem Führerstaat nach nationalsozialistischer Prägung, im Untergrund weiter. In jüngster Zeit sind verstärkt Aktivitäten des Netzwerkes in Deutschland wahrnehmbar. So griff die Bundespolizei mit Hilfe der GSG9 im September 2017 ein Dutzend Neonazis aus dem B&H-Umfeld an der Deutsch-Tschechischen-Grenze auf. Sie hatten gerade ein Schießtraining im Nachbarland absolviert.

Combat 18

Fast noch gefährlicher als B&H dürfte „Combat 18“ sein. 1992 in England als Saalschutz für die faschistische British National Party gegründet, entwickelte sich „Combat 18“ in den folgenden Jahrzehnten international und ist als bewaffneter Arm des Neonazi-Netzwerks “Blood & Honour” bekannt. Seit 2000 in Deutschland verboten, wiesen Presse- und Antifa-Recherchen immer wieder auf Aktivitäten im Untergrund hin. Zuletzt im Juli 2018, als massive Hinweise auf internationale Verknüpfungen, Bewaffnung und Schiesstrainings ans Licht gebracht wurden.

Noch sind offiziell keine erneuten Ermittlungen gegen Combat 18 in Deutschland eingeleitet worden. Ein konspiratives Treffen in Sachsen, im April 2019, deutet jedoch auf weitere Aktivitäten hin: Rechtsterroristische Allianz zwischen „Brigade 8“ und „Combat 18“

2019

Autoanschlag Bottrop

Silvester 2018/19: In Bottrop und Essen rast ein Mann in der Silvesternacht mit dem Auto in Menschengruppen und verletzt mindestens acht Personen. Die Opfer kommen aus Syrien und Afghanistan. Ungewöhnlich: Es wird bereits am nächsten Tag von einem rassistischen Tatmotiv ausgegangen.

Ob es sich jedoch um Terror, oder eine Amokfahrt handelt, darüber sind sich Behörden und berichtende Medien uneins. In einem Interview setzt sich der Soziologe Matthias Quent dafür ein, die Tat als Rechtsterrorismus einzuordnen: „Was die Tat in Bottrop wie auch den Münchner OEZ-Anschlag 2016 von reinen Amoktaten unterscheidet, ist die Opferauswahl und ihre politische Botschaft.“

National Socialist Knights of the Ku Klux Klan Deutschland (NSK KKK)

Januar 2019: Die Polizei geht in acht Bundesländern mit Razzien gegen Mitglieder der rechtsextremen Gruppe „National Socialist Knights of the Ku Klux Klan Deutschland“ (NSK KKK) vor. Im Zentrum der Ermittlungen stehen 17 Beschuldigte im Alter von 17 bis 59 Jahren. Ihnen wird vorgeworfen die kriminelle Gruppe NS KKK gegründet zu haben. Bisher wurde jedoch kein Haftbefehl erlassen. Bei den Razzien stellten die Ermittler*innen über 100 Waffen sicher.

Nur wenige Tage danach verkündet ein NSK KKK-Mitglied aus Hohenerxleben über soziale Netzwerke die Auflösung der Gruppe. Hintergrund der öffentlichen Erklärung ist offenbar, dass sich die Mitglieder dadurch ein geringeres Strafmaß erhoffen. Denn neben den Anklagen der Einzelpersonen wegen illegalem Waffenbesitz und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, könnten die Beschuldigten als Gruppe noch den Straftatbestand der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ erfüllen. Dann könnten ihnen bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen. Um als kriminelle Vereinigung eingestuft zu werden, müssen sich mindestens drei Personen mit dem Ziel vereint haben, gemeinsam schwere Straftaten zu begehen, deren Strafmaß mindestens zwei Jahre beträgt.

April 2019: Offenbar bestand die Gruppe bereits seit Sommer 2016, wie durch eine kleine Anfrage der Linkspartei heraus kam.

The Aryans

Januar 2019: Die Generalbundesanwaltschaft offenbart, dass sie bereits seit vorherigem Jahr Ermittlungen gegen die Gruppe wegen Terrorverdachts führt. Diese Ermittlungen dauern an.

Wenig später kommt im Rahmen des Gerichtsverfahrens ein brisanter Nebenaspekt ans Licht: Offenbar gab ein hessischer Polizist im Jahr 2016 Informationen an die Gruppe weiter.

Die Gruppe „The Aryans“ trat das erste Mal durch einen Angriff auf eine Gruppe von Jugendlichen am Rande eines Aufmarsches der Neonazi-Kleinstpartei „Die Rechte“ am 1. Mai 2017 in Halle/Saale größer in Erscheinung. Die Polizei ermittelte wegen schwerer Körperverletzung. Im Februar 2019 wurden zwei Mitglieder der Aryans für den Überfall in Halle verurteilt: Carsten M. (40) wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu drei Jahren und sechs Monaten Haft. Martina H. (42) erhielt für gefährliche Körperverletzung in einem Fall eine Bewährungsstrafe von einem Jahr.

Es bestehen bei den Aryans außerdem personelle Überschneidungen mit der sächsischen “Oldschool Society” (OSS), gegen deren Mitglieder derzeit wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird.

Weitere Verdachtsfälle

Brandanschläge auf Linke in Neukölln

Mai 2016: Eine Serie von Brandanschlägen auf linke Szeneorte und -lokalitäten, Politiker*innen und Unterstützer*innen von Geflüchteten beginnt.

Januar 2019: Über 50 Anschläge sind mittlerweile bekannt. Die Bezirksregierung von Neukölln fordert den Generalbundesanwalt dazu auf, die Ermittlungen zu übernehmen, dieser lehnt ab.

Weitere Anschläge

August 2018: Hausdurchsuchung bei 26-jährigem in Essen wegen Vorbereitung eines rassistischen Anschlags

Oktober und Dezember 2018: Anschläge auf ICE-Trasse in Bayern und Berlin womöglich mit rechtsterroristischem Hintergrund

Dezember 2018: In Rheine (NRW) sticht ein Täter in einer Pizzeria und in einer Kneipe unvermittelt drei Gäste nieder. Alle drei überleben mit Verletzungen. Es gibt Berichte, dass der Täter den Hitlergruß gezeigt haben soll, das dritte Opfer war libanesischer Staatsbürger.

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Zum ersten Gedenktag Ein Jahr nach dem Hanau-Anschlag häufen sich die Fragen

Polizeinotrufe, die ins Leere laufen, ein Notausgang, der verschlossen war, ein rechtsextremer Verschwörungsideologe, der Waffen besitzen durfte. Ein Jahr nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau häufen sich die Fragen. Hätte das rassistisch motivierte Attentat verhindert werden können? Das Vertrauen der Überlebenden und Hinterbliebenen in die Behörden ist erschüttert. Eine Bestandsaufnahme.

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