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Nahostkonflikt Der Raketenangriff auf Israel wird online von Antisemit*innen und Rassist*innen instrumentalisiert

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Israel: Eine Projektionsfläche für Rassist*innen und Antisemit*innen
Israel: Eine Projektionsfläche für Rassist*innen und Antisemit*innen (Quelle: Karolina Grabowska/Pexels)

Israel wird man ja wohl noch kritisieren dürfen – so lautet allzu oft der wütende, laute Tenor auf Social Media in Deutschland nach den jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten. Der Antisemitismus grassiert, der islamistische Raketenterror der Hamas wird als Feuerwerk relativiert – und viele sind sich sicher, dass „die Juden“ die neuen Nazis sind. Ein einfaches Narrativ von „Steine gegen Panzer“ macht die Runden, um den jüdischen Staat zu dämonisieren. Denn dieser Tage behauptet fast jede*r, Nahostexpert*in zu sein. Und allzu häufig wird der Israel-Palästina-Konflikt hierzulande zur Projektionsfläche: So rufen rechtsextreme Gruppen zur Teilnahme an „Nakba“-Demonstrationen am Wochenende auf, zu Deutsch „Die Katastrophe“, wie Palästinenser*innen die Staatsgründung Israels bezeichnen. Auch „Querdenker*innen“ instrumentalisieren den Konflikt, indem sie allzu gerne auf den „importieren Antisemitismus“ von Nicht-Deutschen hinweisen, nachdem judenfeindliche Parolen von Synagogen in Deutschland skandiert wurden. Ein Überblick über den Antisemitismus der letzten Tage auf Social Media.

Hinkende Holocaust-Vergleiche

#Covid1948

Unter dem Hashtag #Covid1948 wird die Staatsgründung Israels 1948 in Verbindung mit der Coronavirus-Pandemie gebracht. Neu ist der Hashtag nicht: Bereits zu Beginn der Pandemie wurde er verwendet, um den Zuzug von Juden und Jüdinnen aus anderen Ländern nach dem damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina mit einem tödlichen Virus zu vergleichen. Unter dem Hashtag riefen User*innen zur Vernichtung des jüdischen Staates auf. Nun hat der Hashtag wieder Konjunktur – und trendete auf Twitter in Deutschland.

Nazis gegen Israel

In rechtsextremen Telegram-Gruppen wird sich, wenig überraschend, eindeutig gegen Israel positioniert und stellenweise Werbung für „Nakba“-Demonstrationen gemacht. So schrieb die rechtsextreme Kleinpartei „Die Rechte“ auf Telegram: „Unsere Solidarität gilt ganz klar #Palästina, da #Israel regelmäßig Völkerrechtsverletzungen begeht, welche von der Weltöffentlichkeit weitestgehend unbeachtet und auch ungestraft bleiben“. Die Neonazis der „Rechten“ interessieren sich ansonsten kaum für das Schicksal der Zivilbevölkerung in Gaza. Im Gegenteil: Sie machen Stimmung gegen Muslim*innen und hetzen gegen Geflüchtete. Vielmehr dient die Situation in Israel als Umweg, ihre antisemitische Ressentiments kundzutun: Die Partei ist bereits mit Wahlplakaten aufgefallen, auf denen steht: „Israel ist unser Unglück“ – eine Anspielung auf die NS-Parole „Juden sind unser Unglück“.

Auf anderen rechtsextremen Telegram-Kanälen wie der über 20.000 Abonnent*innen starke „Gerechtigkeit für das Vaterland“ wird ebenfalls Stimmung gegen Israel gemacht: Dort wird zum Beispiel ein Video von Hitler mit dem nationalistischen und antisemitischen Mufti Palästinas Amin al-Husseini geteilt. Auch zu einer Kundgebung in Frankfurt „im Kampf gegen die andauernde Nakba“ wird aufgerufen, um gegen die Existenz Israels zu protestieren. „Macht ihnen klar, dass wir mit den Palästinensern Seite an Seite stehen! Wie im zweiten Weltkrieg“, heißt es.

Der Rechtsrock-Veranstalter und Größe der Neonazi-Szene Tommy Frenck teilt lediglich einseitige antiisraelische Karikaturen des Konflikts auf Telegram.

Auch in den Reihen der AfD ist eine verdächtige Solidarität mit Israel zu hören. Auf Facebook schreibt Co-Vorsitzende der rechtsradikalen Partei, Alice Weidel in Bezug auf die judenfeindlichen Proteste vor Synagogen in Deutschland: „Seit 2015 hat sich Deutschland mutmaßlich zehntausende Antisemiten importiert“ und spricht von „jungen aufgeputschten arabischen Antisemiten“, die die innere Sicherheit Deutschland gefährden würden und sofort des Landes verwiesen werden müssten. Ihre Verurteilung der Gewalt gegen Juden und Jüd*innen in Israel und Deutschland dient ihr lediglich dazu, Stimmung gegen „Araber“ zu machen.

„Querdenken“ im Konflikt

Innerhalb von Gruppen im „Querdenken“-Spektrum findet man sowohl Palästina-Solidarität als auch Israel-Solidarität, diese jedoch immer in Kombination mit dem Narrativ des „importierten Antisemitismus“, also Antisemitismus als primär arabischem Problem. Dass sich zudem in Gruppen, in denen permanent strukturell bis offen antisemitische Verschwörungsideologien („Plandemie“, „Impf-Weltkontrolle“, „Great Reset“, „Deep State“, „Lügenpresse“, „Translobby“ etc) reproduziert werden, sich mit Israel solidarisiert wird, zeigt, dass die „Kritik“ an arabischem Antisemitismus einfach auch nur projektive Abwehr des eigenen Antisemitismus darstellt.

Doch in der verschwörungsideologischen Szene herrscht offenbar auch eine gewisse Ambivalenz: Stellenweise werden einfach nur Videos und Bilder von Raketenangriffen geteilt, ohne diese weiter zu kommentieren: So teilte der „QAnon“-Influencer Oliver Janich ein Video kommentarlos auf seinen Telegram-Kanal. Der Schweizer „Querdenken“-Figur und rechtsextremer Politiker Ignaz Bearth zeigt zwar seine Solidarität mit Israel, aber nur um gegen Muslim*innen und Araber*innen zu hetzen. Im geteilten Post heißt es: „Möge Israel oder der Gott Israels alle Terroristen ringsum Israel und weltweit vernichten“.

Die „Querdenken“-Frontfrau Eva Rosen wiederum reproduziert ein Narrativ von Israel als „Aggressor“. Auf Telegram teilt sie einen Post, indem es heißt sehr vereinfacht: „Israelische Polizei überfällt voll bewaffnet Moschee während des Gebets. Aber immer ist Palästina der Schuldige“. Wesentlich expliziter wird es bei Attila Hildmann, der sich offen antisemitisch äußert und sich auf den Nationalsozialismus bezieht. Die übliche Hasstirade: Hildmann warnt vor der „Internet-Propaganda Israels“, Kommentare auf Social Media seien „eine Militäroperation der Juden“ und die Antifa sei eine „jüdische Terrororganisation und mit dem jüdischen Militär verbunden“. Er schreibt auch, dass Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen, die Angriffe der Hamas auf Israel nur verurteilen würde, weil sie Jüdin sei.


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