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Wann wird Israelkritik eigentlich Antisemitismus?

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(Quelle: nichts-gegen-juden.de)

Während der Nahostkonflikt sich wieder einmal zuspitzt und Israel von Raketen aus Gaza beschossen wird, gibt es auch in Deutschland gewalttätige Konsequenzen für Juden und Jüd:innen: denn es finden vermehrt antisemitische Angriffe statt (vgl. Belltower.News). Doch wer Synagogen angreift, tut das nicht „wegen des Nahostkonflikts“, sondern wegen Antisemitismus.  Wer Israels Flagge oder den Davidstern verbrennt, bringt damit symbolisch zum Ausdruck, dass er das israelische Volk oder die Juden und Jüd:innen auslöschen will. Derartiger Hass, der den Tod von Glaubensangehörigen und eines ganzen Volkes zum Ziel hat, hat nichts mehr mit legitimer Kritik zu tun.

„Darf man denn Israel gar nicht kritisieren?“

„Darf man denn Israel gar nicht kritisieren?“ oder „ich bin ja kein Antisemit, aber…“ hört man derzeit wieder Menschen sagen, die in Diskussionen über den Nahostkonflikt mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert werden.

Natürlich gibt es Gründe, Israel und jeden anderen Staat der Welt, zu kritisieren. Aber das sollte sachlich und fair geschehen – und auch im Falle von Israel genau in dem Maß, als handle es sich um einen beliebigen anderen Konflikt auf der Welt:

  • Erst Fakten und Quellen prüfen
  • Argumenten zuhören
  • Intentionen hinterfragen
  • versuchen, beide Seiten zu sehen,
  • bereit sein, seine Meinung auch zu ändern, wenn sie sich als falsch herausstellt.

Antisemitische Argumentationen gegen Israel

Es gibt dabei Aussagen, die immer wieder verwendet werden, aber auch ebenso immer antisemitisch sind:

Antisemitisch: Israel das Existenzrecht abzusprechen

Die Nationalsozialist:innen haben Jüd:innen und Juden das Existenzrecht auf der Welt abgesprochen. Der Staat Israel wurde gegründet, damit dies nie wieder geschehe. Das heißt: Israel das Existenzrecht abzusprechen, ist die moderne Variante dieses mörderischen Antisemitismus. Wer Israels Flagge oder den Davidstern verbrennt, bringt damit symbolisch zum Ausdruck, dass er das israelische Volk oder die Juden auslöschen will.

Antisemitisch: Handlungen Israels mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust gleichsetzen

Der Holocaust war ein industriell organisierter Massenmord an Jüdinnen und Juden mit dem Ziel, sie auszurotten. Der Nahostkonflikt ist eine kriegerische Auseinandersetzung um ein Territorium und hat nicht das Ziel, das palästinensische Volk zu vernichten.

Antisemitisch: Jüd:innen und Juden oder auch nur alle Israelis für die Handlungen der israelischen Regierung verantwortlich zu machen

Denn das sind sie nicht. Es gibt logischerweise unter Israelis wie auch unter Jüd:innen und Juden aller Länder so viele unterschiedliche Meinungen zur Politik der Regierung wie hierzulande (und überall) auch. Insofern ist es immer antisemitisch und inakzeptabel, wenn Jüd:innen und Juden in Europa immer wieder „stellvertretend“ angegriffen werden, wenn etwa Menschen mit der israelischen Politik nicht einverstanden sind.

Antisemitisch: Israel als das personifizierte Böse in der Welt darstellen

Eines der klassischen antisemitischen Narrative, dass es schon seit Jahrhunderten gibt, ist die Darstellung des Judentums als das personifizierte Böse in der Welt. Schon seit Jahrhunderten werden Jüd:innen und Juden als fremd markiert und für Dinge verantwortlich machte, die die Gesellschaften, in denen sie leben, nicht verstanden und die ihnen Angst machten (aus unerklärlichen Gründen sterbende Kinder, Moderne, Kapitalismus etc.). Eine moderne Fassung dieses Narratives ist es, Israel als Personifizierung des Bösen unter den Ländern darzustellen. Was zum nächsten Punkt führt:

Antisemitisch: Für die vorgebliche Kritik an Israel alte antisemitische Bilder und Ressentiments verwenden

Wenn es antisemitische Bilder sind, bleiben sie antisemitisch, wenn man sie für Israel statt für Juden und Jüd:innen verwendet (Christenmorde, Ritualmordlegende etc.) Das gilt auch für:

Antisemitisch: „Kindermörder Israel“ skandieren

Sind Sie wirklich besorgt über die Lage gerade von Kindern und Jugendlichen in Gaza? Warum verwenden Sie dann ein antisemitisches Klischeebild (nämlich das der Ritualmordlegende), um dem Ausdruck zu verleihen? Und können Sie wirklich beurteilen, worauf die israelische Armee schießt oder ob Bilder verletzter Kinder von der Hamas propagandistisch eingesetzt werden oder die wahre Lage widerspiegeln? Es ist oft schwer, sich aus Medien- und Internetberichten ein objektives Bild der Lage in Gaza zu verschaffen. Dann sollte man aber auch nicht mit solch reißerischen Parolen hausieren gehen.

Antisemitisch: Israel fragen, ob es denn nichts aus der Geschichte gelernt hat, denn dann würde es ja keine Gewalt und kein Leid über andere Menschen bringen.

Israel hat aus der Geschichte gelernt. Nämlich, sich zu wehren, wenn es seine Existenz angegriffen und bedroht sieht. Es verteidigt sich, weil seine Einwohner angegriffen werden – wie andere Länder es auch machen würden (doppelte Standards).

Und wie dann Kritik an Israel äußern?

Wer Israel (und alles andere) kritisieren möchte, sollte sich vor Augen halten: Es gibt einen Unterschied zwischen Kritik und Ressentiments.

„Kritik äußern“ heißt: sich eine Meinung auf der Grundlage von Fakten zu bilden, Argumenten zuhören, die eigenen Meinung gegebenenfalls revidieren, wenn es eine neue Faktenlage gibt.

„Ressentiments äußern“ heißt: sich eine Meinung aufgrund einer Weltsicht zu bilden, die gegen Fakten relativ resistent ist, zumal, wenn ich dazu tendiere, die Fakten im Zweifelsfalle als gefälscht oder manipuliert anzunehmen, wenn sie nicht meiner Weltsicht entsprechen.  Nicht ohne Grund ist Antisemitismus die Grundlage fast aller Verschwörungsideologien. Da man gegen Ressentiments mit Argumenten nicht viel ausrichten kann, sind sie besonders haltbar. Viel „Kritik“, die über Israel geäußert wird, fällt in diese Kategorie.

Warum kritisiere ich Israel (vielleicht stärker als andere Länder)?

Seit im Nationalsozialismus aus Deutschland der Massenmord an europäischen Jüd:innen und Juden organisiert und durchgeführt wurde, gibt es eine besondere Verbindung zwischen Deutschland und Israel. Diese ist geprägt durch Schuld, aber auch durch Schuldabwehr, Projektionen ebenso wie nicht aufgearbeitetem Antisemitismus, der nach 1945 nicht einfach verschwunden ist.

Es lohnt sich also, sich auch immer selbst zu fragen: Würde ich in einem anderen Konflikt eine Konfliktpartei bei gleichem Handeln genauso kritisieren?

Wenn ja: Tun Sie es. Sachlich, fair, Fakten und Quellen prüfen, Argumenten zuhören, Intentionen hinterfragen, versuchen, beide Seiten zu sehen, bereit sein, seine Meinung auch zu ändern, wenn sie sich als falsch herausstellen.

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Schwerpunkt Mai 2021: Antizionismus

Im Mai 2021 beschäfigt sich Belltower.News vertieft mit dem Thema Antizionismus in Bezug auf die jüngste Eskalation im Nahostkonflikt. Im Schwerpunkt sind erschienen:

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