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YouTube-University reloaded Neurechte „GegenUni“ setzt auf Videos statt Bücher

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Kommentar eines Rechtsaußen-Profils zur neurechten Initiative "GegenUni" auf Twitter.

Wer einmal mit einschlägigen Hashtags oder Suchbegriffen in die Onlinerecherche geht, findet rechtsextreme Inhalte in epischer Breite und kürzester Zeit in allen sozialen Netzwerken, auf Videoplattformen, als Kanäle in Messengerdiensten, als Podcasts auf Audioplattformen, dazu kommen noch eigene Websites und Foren. Rechtsextreme Inhalte von Alltagsgestaltung bis Ahnenverehrung sind also zugänglicher denn je, doch ein Mann findet offenbar, dass diese Rechercheleistung für seine „Kamerad:innen“ dann doch zu herausfordernd ist, und will nun dieses „rechte Wissen“ in „Audio-Kursen“ und „Lesekreisen“ zugänglich machen.

Das Konstrukt von Videoinhalten und Chats wird aktuell als “GegenUni” oder “GU-Bildungsinitiative” beworben. Initiator Erik Ahrens publiziert im Stil der selbsternannten „neuen Rechten“, also dem Teil der rechtsextremen Szene, der sich als gebildeter und weniger offen nationalsozialistisch versteht. Zu Publikationen der “Neuen Rechten“ gehört immer viel Pathos, und so ist es auch hier: Auf der Website zum Projekt, das in einer Woche starten soll, wird konstatiert, „die Uni“ sei „am Ende“, im Verfall begriffen, „der geistige Raum der Nation“ sei „stickig, eng und tödlich langweilig“, seit Universitäten „Brutstätten des linksliberalen Universalismus“ geworden seien, ja „Schaltstellen der globalistischen Herrschaft“ und „Zwingburgen des antideutschen ideologischen Staatsapparate“, und das alles in einem Absatz.

Nach diesen antisemitischen und antidemokratischen Dogwhistles kommt dann die Gegenvision: eine „junge, rechte Intelligenz“ [sic] soll aufgebaut werden, „junge, gefährliche Denker“ sollen ihre Ideen verbreiten – aber übrigens nicht zu gefährliche Ideen, denn im Kleingedruckten des Impressums steht dann noch, dass man sich von Gewaltaufrufen und Aufrufen zu Straftaten distanziere, wo hier die Grenze gezogen wird, dürfte in der Praxis spannend werden.

Immer das Kleingedruckte lesen: „Gefährliche Denker“ haben wollen, aber keine Gewalt. So steht es im Impressum der „GegenUni“-Website.

Ehrlich zu werten ist wohl zumindest die Aussage, dass die „GegenUni“ Studiengebühren nehmen werde, um „Verdienstmöglichkeiten für junge Rechtsintellektuelle“ zu schaffen. Formuliertes Ziel des Ganzen ist: „Aus unserem Lehrbetrieb soll die neue geistige Kraft entstehen, die den Kulturkampf um die Universität und die Nation wieder aufnimmt.“ Ist das alles? Nein. „Am Ende steht unser Sieg im metapolitischen Kampf um die Nation.“ Ah! Metapolitik ist ein Lieblingsschlagwort der sogenannten „neuen“ Rechten und besonders der „Identitären Bewegung“, um die Beeinflussung der gesellschaftlichen Kultur im vorpolitischen Raum zu beschreiben, also durch „alternative Medienarbeit“, sprachliche Framings oder Debattenverschiebungen.

Wer jetzt vielleicht denkt, dass das klingt wie ein „Institut für Staatspolitik“ light und online, liegt damit inhaltlich nicht falsch. Als Anmelder der „GegenUni“-Website und Geschäftsführer der „GegenUni uG“ mit Sitz laut Handelsregister in Frankfurt a.M. fungiert Erik Ahrens. Der steht außerdem als Herausgeber im Impressum des neurechten Online-Magazin „Konflikt“, das sich als „alternatives Medium“ etwa durch die Auswahl der Interviewpartner und Autoren als Scharnierorgan der „neuen“ Rechten zwischen „Junger Alternative“ und „Identitärer Bewegung“ zu profilieren versucht. Martin Sellner schreibt Gastbeiträge, im dazugehörigen Konflikt-Podcast werden AfD-Politiker wie Joana Cotar oder Gunnar Lindemann, IB-Aktivist Daniel Fiß oder der ehemalige CDU-Politiker Markus Krall interviewt.

Erik Ahrens hat außerdem ein Buch veröffentlicht, „Postliberal – ein Entwurf“, und das passenderweise im Antaios-Verlag von Götz Kubitschek, der ja auch das „Institut für Staatspolitik“ als neurechte Offline-Fortbildungsstätte in Schnellroda betreibt. In einer Rezension dieses Buches auf der rechtsextremen Website PI-News erfahren wir, dass der Autor 1994 geboren sei und somit offenbar eine Nachwuchshoffnung der Szene ist.

Zumindest, was die Netzwerkbildung angeht, macht Ahrens offenbar einiges richtig. Das zeigt auch seine bisherige Unterstützer-Schar auf den zahlreichen Sozialen Netzwerken, wo „GegenUni“ in dieser Vorphase präsent ist und erste Aktivitäten bewirbt: Dazu gehören auf Twitter unter anderem als Follower Ellen Kositza, die Ehefrau von Götz Kubitschek, Benedikt Kaiser (Redakteur der Zeitschrift Sezession, ebenfalls aus dem Kubitschek-Konglomerat in Schnellroda), der Antaios-Verlag  und die Sezession selbst, die IB-nahe Öko-Zeitschrift Die Kehre, der neurechte Lobbyverein „Ein Prozent“, der „Jungeuropa Verlag“ (von Philipp Stein, auch Leiter von „EinProzent“), die IB-Spieleentwickler „Kvltgames“ sind dabei, die IB-Bekleidungsmarke „Phalanx Europa“, Youtuber „Miró / Unblogd“ oder Nils Hartwig vom Bundesvorstand der „Jungen Alternative“. Sein JA-Kollege Jean-Pascal Hohm, der auch schon dem „Konflikt-Magazin“ als Interviewpartner gedient hatte, freut sich schon auf Twitter und fragt:

Ja, die rechtsextreme IB-Dating-App „Patriot Peer“ ist jetzt kein Ruhmesblatt des Onlinerechtsextremismus, aber die Frage scheint dennoch ernst gemeint. IB-Kopf Martin Sellner ist auch vom „GegenUni“-Projekt angetan: Auf Telegram teilt er die Ankündigungen der „GegenUni“.

Interessant ist indes der Spagat, mit dem genau diese neurechte Blase bespielt werden soll, aber zugleich jede Zugehörigkeit abgewiesen wird. So beantwortet „GegenUni“ Fragen nach der organisatorischen Anbindung so:

Dies ist vielleicht auch taktischer Natur. Als Teil etwa der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ gesehen zu werden, kostete Aktivist:innen zuletzt diverse Social-Media-Kanäle, etwa auf Facebook, Instagram und YouTube, was offenkundig durch die Distanzierung vermieden werden soll, weil die „GegenUni“ dort überall Dinge verbreiten möchte, dazu noch auf Twitter, Discord und Telegram.

Die ersten Online-Vorlesenden der „GegenUni“ sind jedenfalls einschlägig besetzt und offenbar längerfristiger eingeplant, weil von „Reihen“ die Rede ist: Martin Semlitsch aka Lichtmesz aus dem Schnellroda-Dunstkreis soll Filme oder Bücher vorstellen, sowohl IB-Freund Christian „Outdoor“ Illner und auch der rechtsalternative YouTuber „Der Schattenmacher“ sollen hier über „philosophische Themen“ sprechen, und der neurechte Podcaster Carsten Krug nimmt die „Sprache der BRD“ ins Visier.

Niveau: Emojis ohne viel Worte im „GegenUni“-Telegramkanal.

Auf Telegram posten die interessierten Neurechten begeisterte Kreuzritter-Emojis und fiebern dem Start der „GegenUni“ und der metapolitischen Diskursübernahme in Online-Debatten entgegen, doch die rechtsextreme Szene ist auch zuverlässig in ihrer Uneinigkeit. Auf Twitter dagegen spottet ein rechtsextremes Profil:


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