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Jahresrückblick 2020 Schleswig-Holstein

Was wird uns von 2020 in Bezug auf Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit in Erinnerung bleiben? Für den Jahresrückblick befragen wir zivilgesellschaftliche Initiativen über die Situation in ihrem Bundesland. Heute: Schleswig-Holstein.

 
Werbung für verschwörungsideologische Portale in Schleswig-Holstein. (Quelle: Demo Foto)

 

Was wird uns von 2020 im Themenfeld Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein in Erinnerung bleiben? Allen voran: der zivilgesellschaftliche Widerstand und der Zusammenhalt gegen Rechts.

Kurz nach dem Verbot der Vereinigung „Combat 18 Deutschland“ durch Bundesinnenminister Seehofer fand im Februar in Neumünster ein Konzert der rechtsextremen Band „Oidoxie“ statt. Neben einschlägigen Vertreter:innen rechtsextremer Strukturen aus dem Umfeld der NPD waren dort auch Mitglieder des „Aryan Circle Nord“ und Rechtsextreme aus anderen Bundesländern vertreten. In 2020 war es insbesondere die als gewaltbereit eingestufte Gruppierung „Aryan Circle Nord“ (ACN), die mit diversen Aufkleber- und Flugblattverteilungen sowie Rekrutierungsversuchen in Erscheinung getreten ist. Die Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern des „Aryan Circle“ aus Bad Segeberg im März waren nicht nur von medialer Aufmerksamkeit geprägt, sondern auch eine wichtige Botschaft an die Szene.

Während das mediale Interesse groß war, war der zivilgesellschaftliche Widerstand noch größer. Das vielerorts große Engagement gegen Rechts, wie z.B. die Initiative „Bad Segeberg bleibt bunt“ beeindruckte mit zahlreichen Aktionen für Toleranz und Weltoffenheit.

Die NPD tritt nach einem Personalwechsel auf der Führungsebene offensiver auf als in den Vorjahren. Während im ersten Halbjahr kaum Aktivitäten außerhalb von Neumünster wahrnehmbar waren, konnte die NPD im Winter 2020 eigenständig Aktionen unternehmen und zwar regionenübergreifend und zeitgleich. So gab es in allen Regionen der „Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus“ (RBT) in Schleswig-Holstein Aktionen am Volkstrauertag der NPD.

Auch in 2020 zählten rassistisch motivierte Angriffe und Angriffe auf politische Gegner:innen zu den Schwerpunkten in der Betroffenenberatung. Im Rahmen der Beratungsarbeit ist zu beobachten, dass rechte Angriffe im Umfeld von Demonstrationen und Kundgebungen zugenommen haben. Ähnlich wie in anderen Bundesländern formierte sich auch in den größeren Städten Schleswig-Holsteins Protest gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Schleswig-Holstein bildet hier keine Ausnahme. Zu erkennen ist eine sehr heterogene Zusammensetzung der Teilnehmenden. Die Pandemie hat sich hinsichtlich der Mobilisierung als belebend für die antidemokratische Szene erwiesen. So wurden auch antisemitische Stereotype regelmäßig in der Auseinandersetzung mit den Corona-Schutzmaßnahmen öffentlich verbreitet.

Auch im Jahr 2020 äußert sich Antisemitismus häufig niedrigschwellig in Form von verletzendem Verhalten. Dazu zählen sowohl antisemitische Äußerungen und Beleidigungen als auch Beschädigungen an nichtjüdischem Eigentum. Dass auch niedrigschwellige Vorfälle massive Auswirkungen auf Betroffene, deren Angehörige und die schleswig-holsteinischen jüdischen Communities haben können, zeigt nicht zuletzt die Auswertungsbroschüre von LIDA-SH aus dem Jahr 2019. Auch, wenn der Post-Schoa-Antisemitismus nach wie vor die häufigste Erscheinungsform in antisemitischen Vorfällen ist, erscheint der sogenannte moderne Antisemitismus in 2020 deutlich virulenter. Er ist häufig in umfassendere Verschwörungstheorien eingebettet, die im Zuge der Corona-Pandemie deutlich wahrnehmbarer sind. Moderner Antisemitismus wird in Schleswig-Holstein in Form von Flugblättern und Plakaten an diversen Orten und Reden auf Demonstrationen verbreitet.

Verschwörungserzählungen werden durch die Beratungs- Fach- und Informationsstellen in Schleswig-Holstein nicht erst im Zuge der Pandemie thematisiert. Sie sind vielmehr fester Bestandteil rechtsextremer Weltbilder und somit permanenter Gegenstand der Arbeit. Dennoch sind Verschwörungserzählungen seit Ausbruch der Pandemie häufiger Gegenstand von Anfragen.

Es ist unbestritten, dass Demokratie vom Streit und der Diskussion um den richtigen Weg lebt. Wenn aber im Zuge dieses Diskurses verschwörungsideologische Positionen zunehmen und rechtsextreme Inhalte verbreitet werden, ist dem entschieden entgegenzutreten. „Kritik am staatlichen Pandemie-Management kann nur legitim sein, wenn sie sachlich geäußert wird und keine menschenverachtenden Ideologien wie Antisemitismus zur Grundlage hat.“ 

Hinter der Fassade des demokratischen Protests ist ein weitreichender Anschluss an rechtsextreme Diskurse und eine Vernetzung mit rechtsextremen Strukturen zu erkennen.

Die Verbreitung von Verschwörungserzählungen in einem sehr verschiedenartigen und sonst häufig unversöhnlichen Personenkreis stellt auch die Präventionsarbeit vor Herausforderungen. Die RBT haben schon im Frühjahr dieses Jahres über Verschwörungserzählungen im Zuge der Proteste gegen Corona-Schutzmaßnahmen informiert und vor einer Instrumentalisierung des demokratischen Protests von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretiker:innen gewarnt.

 

Das Titelbild wurde unter der Lizenz CC BY 2.0 veröffentlicht.

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