Dieser Artikel ist zuerst bei Katapult MV erschienen.
Die schwarze Sonne wurde von der SS im Dritten Reich als spirituelles Symbol genutzt. Heute gilt sie als Erkennungszeichen unter Neonazis. Marcel S. hat sie auf dem Hinterkopf tätowiert. Seit März tritt er damit auf Demonstrationen in Nordwestmecklenburg, Ludwigslust-Parchim und Schwerin in Erscheinung. S. ist dabei kein Unbekannter in der rechtsextremen Szene. Bisher war er in Schleswig-Holstein als „Sektionsleiter“ des Aryan Circle Germany (AC) unterwegs. Inzwischen lebt er in Wismar und hat auch den AC dorthin importiert. Doch was ist der AC überhaupt?
Der Verfassungsschutz in MV bezeichnet die Gruppe als „rechtsextremistisch“. Laut einem Experten für Rechtsextremismus, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, ist es ihr Ziel für MV, mehr Mitglieder zu gewinnen und andere extremistische Gruppen zu verdrängen. Ihr übergeordnetes Ziel sei die „Herrschaft“ weißer Menschen.
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Einschlägig vorbestraft
Gegründet wurde die Gruppe von Bernd Tödter aus Bad Segeberg (Schleswig-Holstein). Der Rechtsextremist hat ein langes Vorstrafenregister. Mehr als 13 Jahre verbrachte der 50-Jährige bisher im Gefängnis. Unter anderem wegen der Tötung eines Obdachlosen, Vergewaltigung einer 17-Jährigen und Freiheitsberaubung. Bevor er den AC gründete, war er Führungsperson mehrerer rechtsextremer Gruppen, wie der inzwischen verbotenen Kameradschaft Sturm 18. Auch Tödter ist augenscheinlich mehr und mehr in Mecklenburg-Vorpommern aktiv. So nahm er zum Beispiel Ende März an einer Demonstration in Schwerin teil.
Nicht nur Tödter selbst, sondern auch andere Mitglieder des AC gelten als besonders gewaltbereit. Sie sehen „Gewalt als legitimes Mittel zur Erreichung ihrer Ziele an“, so der Rechtsextremismusexperte. Bereits in der Vergangenheit gingen von der Gruppe Übergriffe aus. Marcel S. wurde 2021 unter anderem wegen besonders schweren Raubs und gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt. Ermittlungen gegen Mitglieder des Aryan Circles wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung beendete die Staatsanwaltschaft Flensburg allerdings ohne Anklage.
Auf der Suche nach Jugendlichen
Immer wieder nimmt Marcel S. mit anderen Mitgliedern des AC an Demonstrationen in MV teil. Häufig sind auch rechtsextreme Jugendgruppen dabei, zuletzt in Parchim, aber auch in Wismar und Schwerin. Die Rekrutierung junger Menschen ist ein erklärtes Ziel der Gruppe. Das bestätigt auch die Pressesprecherin des Innenministeriums: „Im Kontext öffentlichkeitswirksamer Demonstrationen der rechten Szene zeigte sich das Bestreben [des Aryan Circle; Anm. d. Red.], gezielt Jugendliche anzusprechen, um sie für die eigene Sache zu beeinflussen und zu rekrutieren.“
Ein junger Aussteiger berichtete den Lübecker Nachrichten schon 2021 davon, dass die Gruppe nach dem ersten Kontakt gewartet habe, bis es ihm schlecht gegangen sei, um ihn sozial an den Aryan Circle zu binden. „Irgendwie hat er [Bernd Tödter, Anm. d. Red.] langsam die Vaterrolle für mich angenommen. Er hat mir das Gefühl vermittelt, dass er auf mich aufpasst“, erinnert sich der Mann, der damals in einer Jugendeinrichtung lebte. Später habe Tödter ihn aufgefordert, einen anderen Jugendlichen zu verprügeln.
Diese Rekrutierung in ein gewaltvolles Umfeld ist gefährlich. Die Mitglieder des AC suchen gezielt nach jungen Menschen aller Geschlechter, die beispielsweise mit Armut, Gewalt oder Missbrauch konfrontiert wurden, erklärt der Experte. Besonderen Fokus scheint der AC auf Menschen aus Wohngruppen zu legen. Und weiter: „Vor allem der hohe Erlebnisfaktor bei Demonstrationen sorgt für einen einfachen Einstieg.“ Sobald Personen die Gruppe verlassen wollen, werden sie selbst oder ihre Familien allerdings mit Gewalt bedroht. Das berichtete auch der Aussteiger gegenüber den Lübecker Nachrichten.
Laut Innenministerium bewege sich das Personenpotenzial des Aryan Circle „im unteren zweistelligen Bereich“. Die Mitglieder besitzen, laut dem Rechtsextremismusexperten, Hieb- und Stoßwaffen, aber auch Schusswaffen. Diese Waffen, in Verbindung mit ihrer hohen Gewaltbereitschaft, macht den AC laut dessen Einschätzung zu einer der gefährlichsten rechtsextremen Gruppen in MV.
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