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Wehrhafte Demokratie Ein Kuchen gegen rechts für die Sportfreunde Stiller

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Ein Radiosender verloste die Eintrittskarten für das Event in der Leipziger Arena und lud die sieben jungen Gewinner in den Backstage. Die jungen Fans der Band hatten in einem Wettbewerb einen Kuchen mit der Aufschrift „Laut gegen Nazis“ gebacken, den sich alle zusammen während des Gesprächs schmecken ließen.

Auf die Nachfrage der Sportfreunde Stiller hatten die Fans viel über ihre persönlichen Erlebnisse mit Nazis in Leipzig zu berichten. Jana, 21 Jahre alt, erzählte von ihrer eigene Zeit als „Mitläuferin“ in einer Gruppe von rechten Jugendlichen: „Die hingen immer am Bahnhof in Leipzig ab“, berichtet sie. Die hätten auf sie oberfächlich  „eigentlich ganz nett“ gewirkt, „da hab ich mich ihnen eben angeschlossen.“ Später, meint sie, sei sie älter und klüger geworden und hätte sich deswegen bewusst für ein Ausstieg aus der Gruppe entschieden. Dieser zog glücklicherweise keine negativen Konsequenzen nach sich. „Wenn einer geht, dann geht er“, meint Jana, „die wären eh keine richtigen Freunde“.

Freundin Anke, ebenfalls 21, hat auch schon einige Erlebnisse mit rechten Jugendlichen in Leipzig machen müssen. Als Niederländerin hat sie schon öfters erlebt, dass sich Leute aufgrund ihrer Herkunft von ihr abwenden. Sie als „europäische Ausländerin“ hätte aber noch Glück, meint Anke, da man es ihr nicht so sehr ansehe und sie von einigen deshalb als „eingedeutscht“ akzeptiert wird.

Nazis wollen provozieren

Auch die Studentin Katja (23 Jahre alt) berichtete von Erfahrungen, die sie in einem Dorf in der Nähe von Leipzig gemacht habe. Dort sei die rechte Szene noch viel präsenter als in einer größeren Stadt wie Leipzig. Viele Jugendliche hätten dort keine Arbeit und wissen nicht, was sie mit sich anfangen sollen. In Leipzig gäbe es außerdem neben der rechten Szene auch eine große alternative Szene und viele Studenten, die den Nazis den öffentlichen Raum strittig machen. Kommilitonen aus dem Westen seien aber immer wieder erschrocken, wie viele Nazis in Leipzig herumlaufen. Katja meint, sie hätte sich wohl schon so sehr an ihre Präsenz gewöhnt, dass sie die Nazis gar nicht mehr wahrnehmen würde.

Die jungen Diskussionsteilnehmer*innen waren sich aber einig, dass die meisten Nazis in Leipzig provozieren wollen und tragen deswegen die entsprechenden Marken, um aufzufallen. Zudem bekommen die Jugendlichen in Leipzig zu Hause von den Eltern oft rechte Sprüche und Ausländerfeindliche Parolen zu hören. Ein weiterer wichtiger Punkt im Gespräch stellte die Frage nach dem Umgang mit rechter Gewalt dar. Den Nazis sei es meist egal, wenn sie verprügeln, da reicht es schon als „Ausländerfreund“ eingeschätzt zu werden. Auch der Besuch von Fußballspielen sei für Nazis nur ein weiterer willkommener Anlass um gewalttätig zu werden, meinte der 18-jährige Stefan.

Wann macht es also Sinn, Mut zu zeigen, und wann ist es besser, sich zurückzuhalten? Die Bandmitglieder erzählen von ihren Versuchen mit Nazis zu reden, aber auch von den Situationen, in denen man sich nichts zu sagen traut. Bei Nazis handele es sich eben oft um große Typen, mit denen man sich besser nicht persönlich anlegt. Die Runde ist sich deshalb einig, dass es wichtig ist Verbündete zu finden und sich zusammenzuschließen. Nur so kann man sich erfolgreich gegen rechte Strukturen positionieren. Außerdem sei es notwendig, die Menschen für das Thema zu sensibilisieren, damit Situationen wie in Mügeln, wo viele mitgemacht und viele zugesehen haben, nicht mehr vorkommen.

Rechtsextremismus auch oft Alltag in der Musikszene

Die Sportfreunde Stiller wollten am Ende des Gesprächs von ihren Fans wissen, inwiefern ihre Unterstützung der Kampagne „Laut gegen Nazis“ un der Amadeu Antonio Stiftung bei Jugendlichen ankommt? Diese waren sich einig, dass die Kampagne auf jeden Fall bei Jugendlichen etwas bringt. Sie kann Diskussionen in Gang setzten und rechtsextreme Jugendliche dazu anregen über ihren Standpunkt nachzudenken. Verbote bringen, nach Ansicht aller Anwesenden, gar nichts und Musik sei eine gute Möglichkeit, um an junge Menschen überhaupt heranzukommen. Die Kampagne mache außerdem denjenigen Mut, die sich gegen Rechte engagieren wollen. Denn sie zeigt, dass man nicht alleine dastehe. Das Thema werde ja sonst in den Medien oft vernachlässigt, meinen die jungen Diskussionsteilnehmer*innen. Die Kampagne stelle endlich mal klar, was für eine Gefahr Rechtsextremismus wirklich darstellt.

Doch auch die Fans wollten nun von der Band wissen, warum sie sich so engagiert gegen Rechtsradikalismus einsetzt? Rüdiger, Peter und Florian erzählen, dass sie das Thema Rechtsextremismus schon sehr lange interessiert. Denn Rechtsextremismus gehört auch in der Musikszene oft zum Alltag. So wurde beispielsweise eine befreundete Band von Nazis zusammengeschlagen. Auch auf ihren Tourneen treffen die Sportfreunde Stiller insbesondere in ostdeutschen Städten immer wieder auf junge Neonazis. Die Kampagne „Laut gegen Nazis“ ist deshalb für sie eine gute Möglichkeit die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren. Die Amadeu Antonio Stiftung fördert gezielt junge Leute, die sich engagieren wollen. Die Sportfreunde Stiller werden sich weiterhin im Rahmen von „Laut gegen Nazis“ aktiv gegen rechte Strukturen engagieren.

Katharina Thanner

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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