„Sogenannte NGOs, leben in der Europäischen Union wie die Maden im Speck“, schreibt die FPÖ in einer Pressemitteilung Anfang Juli. Daher sei es die Aufgabe der Partei, „Licht ins Dunkel der intransparenten NGO-Finanzierung in Europa“ zu bringen. Tatsächlich springen die österreichischen Rechtspopulisten damit auf einen etablierten Zug auf.
Erst im Februar versuchte eine kleine Anfrage der Unions-Fraktion mit insgesamt 551 Fragen zahlreiche deutsche NGOs zu diskreditieren. Auch der Amadeu Antonio Stiftung wurden Dutzende Fragen gewidmet. Schon damals fluteten Verschwörungserzählungen über den Deep-State die konservative Presse.
So hieß es beispielsweise in Julian Reichelts „News“-Portal NIUS: „Die bemerkenswert koordinierte politische Mobilisierung kommt (…) keineswegs aus dem Nichts. Vielmehr profitieren zentrale Akteure seit Jahren von Steuergeldern, die ihnen die Bundesregierung zuschustert. Die Regierung finanziert so die Proteste gegen die Opposition mit.“ Auch in der Argumentation der FPÖ spielt dieses beliebte Narrativ eine zentrale Rolle.
Alte Feinbilder, neu verpackt
Die Ablehnung von kritischen NGOs ist bei Teilen der Rechten schon lange Tradition – nicht nur in der Medienlandschaft. Im Juni 2020 versuchte unter anderem der damalige stellvertretende Bundessprecher der AfD, Stephan Brandner, zu einem Rundumschlag auszuholen. Damals schon im Fokus: die Amadeu Antonio Stiftung.
Der Vorwurf: Die Stiftung würde „Hass und Hetze“ verbreiten und wäre zu einem „privaten Denunzianten- und Spitzelverein“ verkommen, der „das gesellschaftliche Klima vergiftet und die Spaltung der Gesellschaft vorantreibt“.
Der Griff zu Verschwörungserzählungen ist heute offensichtlicher. Die FPÖ prangert in einer Mitteilung einen vermeintlichen „EU-Deep-State“ an – eine gängige Verschwörungstheorie, welche implizieren soll, es gäbe innerhalb eines Staates eine heimliche Machtstruktur, die unabhängig von gewählten Regierungen agiert und im Hintergrund politische Entscheidungen beeinflusst. In einem Kommentar beschrieb der Ressortleiter für „Meinungsfreiheit“ der Welt NGOs in Deutschland als einen „Staat im Staate“, der die liberale Demokratie bedrohen würde. Der Kommentar erschien nur wenige Wochen vor der kleinen Anfrage der Unions-Fraktion.
Die erste Anfrage der FPÖ
Der Trend der parlamentarischen Anfragen zu NGOs hat es indes längst nach Österreich geschafft. Bereits im April hatte die FPÖ insgesamt 92 Fragen an sämtliche Ministerien zukommen lassen. Das Ziel: Man wolle Licht ins Dunkel bei der Finanzierung von zivilgesellschaftlichen NGOs bringen.
In der Anfrage erklärte die Partei, NGOs, darunter auch die „Omas gegen Rechts“ hätten in Österreich „öffentlich gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ aufgerufen“. Besagter Gruppe widmete man deshalb schon damals insgesamt neun Punkte, darunter unter anderem auch die Frage nach etwaigen „Spenden aus der Wirtschaft oder von parteinahen Stiftungen“.
Auch Greenpeace, Fridays for Future oder die Initiative „Black Voices Austria”, die 2022 das erste Anti-Rassismus-Volksbegehren im Land eingereicht hat, wurden damals bereits befragt. Zu letzterer wurde sogar die Frage in den Raum geworfen, ob zentrale Einzelpersonen der Gruppe „politische Ämter oder enge Verbindungen zu Parteien“ hätten.
Die zweite Anfrage der FPÖ
Mit den Antworten auf die erste Anfrage gaben sich die Rechtspopulist*innen jedoch nicht zufrieden. Ende Juni trudelte der zweite Fragenkatalog bei den Ministerien und im Kanzleramt ein. Unter dem Titel „Wie viel Steuergeldmillionen verschlingt das NGO-Business in Österreich?“ umfasst das Dokument nun 2.175 Fragen – auf insgesamt 228 Seiten.
Den enormen Umfang begründete FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz damit, dass einige NGOs bei der ersten Anfrage nicht einzeln aufgelistet waren. Folglich seien die Antworten der einzelnen Ministerien extrem knapp ausgefallen. Nun versucht man bei der FPÖ scheinbar die Sache etwas detaillierter anzugehen – zum Unmut der befragten Institutionen.
Kritik gab es auch von der ÖVP, SPÖ und den Neos. Klaus Seltenheim, Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokraten, erklärte in einem Statement: „Das blaue Wüten gegen NGOs ist ein Frontalangriff auf die Zivilgesellschaft und die Demokratie“.
Inhaltlich setzt auch die zweite Anfrage dort an, wo die erste aufgehört hat. Zu den bereits genannten NGOs kamen weitere ins Fadenkreuz der Blauen hinzu, darunter neben der Aids-Hilfe und dem WWF auch Organisationen, die das Leben von Kindern mitgestalten, wie die Kinderdrehscheibe Steiermark oder die Kinderfreunde Leopoldstadt. Auch dort erfragte die FPÖ eine etwaige „Kontrolle der Mittelverwendung“.
Raues Klima
Bereits seit Jahren gerät die kritische Zivilgesellschaft in Österreich stark ins Wanken. Im Oktober 24 berichtete Belltower.News von der steigenden Bedrohung – vor allem seitens der FPÖ. Schon damals spitzte sich der Ton immens zu, schon damals wurden Gelder an Initiativen und Vereine gestrichen.
Vor allem Kinder könnten von weiteren Kürzungen extrem betroffen sein. Im Mai wurde beispielsweise bekannt gegeben, dass nun auch das sogenannte Klimaticket, gedacht zur kostenlosen ÖPNV-Nutzung bei 18-jährigen, gestrichen werden soll. Auch Schulen oder Jugendzentren geraten zunehmend in Bedrängnis.
Wie sich die NGO-Thematik fortsetzen wird, ist derzeit noch unklar. Mit dem derzeitigen Radikalisierungskurs der Partei ist es dennoch nicht ausgeschlossen, dass auch Institutionen, die bereits seit Jahrzehnten staatliche Gelder in Anspruch nehmen können, um ihre Existenz bangen müssen. Die Frist zur Beantwortung der Fragen läuft noch bis Ende August.


