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„Pfingsten in Berlin“ Allianz zwischen „Querdenken” und Friedensbewegung?

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(Quelle: Nicholas Potter)

Es wird großflächig und emotional mobilisiert: Aus Hamburg, Ulm, München und Münster wird beispielsweise zu einer Reihe an Veranstaltungen unter dem Titel „Pfingsten in Berlin” aufgerufen. „Damit wir endlich alle frei sein können“, heißt es in einem Mobilisierungsvideo. Allerdings wurden fünf der angemeldeten Veranstaltungen nun wegen des Infektionsschutzes verboten. Sonderlich zu interessieren scheint das die Veranstalter*innen nicht.

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Eingeladen sind zentrale Schlüsselfiguren der „Querdenker*innen“-Szene. Die Veranstalter*innen versuchen jedoch sich immer wieder von der Bezeichnung „Querdenker” abzugrenzen und scheinen großen Wert darauf zu legen, nicht als rechtspopulistisch eingeordnet zu werden.

Harmlose Pazisfist:innen?

National- und Parteifahnen, sowie extremistische Symbole sind nicht erwünscht, da die Teilnehmer:innen „als Menschen unabhängig von der jeweiligen Position“ teilnehmen sollen. „Mit Fahnen und Symbolen dagegen grenzt man sich von anderen Menschen ab. Unternehmer und Sozialhilfe-Empfänger findet man selten gemeinsam auf der Straße“ – Wer kennt sie nicht, die Fahnen der Unternehmer:innen und Symbole der Sozialhilfe-Empfänger:innen. Die Absurdität des Beispiels zeigt, worum es eigentlich geht: Die Sorge, dass bei den Demonstrationen rechtsextreme Symbole gezeigt werden, denn das passt nicht in das Bild von den vermeintlichen „Friedensaktivist*innen“.

Organisiert wird die Veranstaltung von Christian und Silke Volgmann, Andrea Drescher, Andrea Feuer, Andreas Mertens, Carola Javid-Kirsten, Michael Kottwitz und Norbert Voss. Bereits 2020 organisierten sie gemeinsam die Berliner „Schweigemärsche“, an denen unter anderem Anhänger*innen der NPD und AfD teilnahmen. Entgegen Aussagen der Organisator*innen, die eine  Verschwörung „von Oben“ hinter rechtsextremen Teilnahmeaufrufen vermuten, um die „Bewegung zu diffamieren“, ist die Nähe zu rechtsalternativen Gruppierungen durchaus naheliegend.

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Der Großteil der Organisator:innen erklärt, sie hätten sich in der Friedensbewegung von 2014 politisiert und rege beteiligt. Was erstmal Assoziationen mit Atomprotesten und Hippies weckt, hat eigentlich nicht viel damit zu tun. Denn gemeint sind die Montagsdemonstrationen, die beispielsweise jüdische Banker für negative Entwicklungen in der Welt verantwortlich machten und von der „New World Order” sprachen. Die neuen Friedensaktivist:innen und die Verschwörungsszene vermischte sich mit  Rechtsaußen-Akteur:innen, die die Chance witterten, eine Querfront zu errichten, die nicht mehr zwischen rechts und links verläuft, sondern alle politischen Lager im Antisemitismus und Antiamerikanismus vereint.. Bis heute zeigen sich Überschneidungen von damals zum Milieu rund um „Querdenken”. Zu den Organisator*innen der Friedensbewegung” gehörten damals schon Jürgen Elsässer, Gründer des rechtspopulistischen „Compact”-Magazins oder der Verschwörungsideologe Ken Jebsen. Rechtsextremen wurde mit der Bewegung ein Zugang zur breiten Öffentlichkeit ermöglicht. Die „Friedensbewegung” von 2014 hat also reichlich wenig mit Emanzipation oder Menschenfreundlichkeit zu tun.

Die Pfingsten-in-Berlin-Organisator:innen verbreiten auch heute noch klassische Verschwörungserzählungen: die Coronamaßnahmen werden als „Ermächtigungsgesetz“ bezeichnet und es wird wild mit Holocaustvergleichen um sich geworfen.

Andreas Mertens zieht Holocaustvergleiche (Quelle: Screenshot von Andreas Mertens Facebookseite)
Organisatorin Andrea Drescher vergleicht Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen mit Juden und Jüd:innen (Quelle: Screenshot von Andrea Dreschers Facebookseite)

Die Heilpraktikerin Carola Javid-Kistel, geriet bereits im Januar in den Blick der Öffentlichkeit, nachdem ihr vorgeworfen wurde, falsche Atteste auszustellen. Sie selbst bestreitet dies. Aber ihr Aktivismus begann nicht in der Pandemie: Seit mehreren Jahren setzt sich Javid-Kirstel gegen einen vermeintlichen Impfzwang ein: Sie leitet einen „impfkritischen Elternstammtisch“, veröffentlichte im März ein Buch gegen Impfungen und organisiert regelmäßig Demonstrationen, bei denen auch antisemitische Aussagen und Verschwörungsmythen in Redebeiträgen verbreitet wurden.

Ein weiterer Organisator, Andreas Mertens plaudert auf dem Russland-nahen Blog Rubikon über Verschwörungen um 9/11, benennt als Quellen Ken Jebsen und schimpft über die angebliche links-rechts-Dichotomie in der Friedensbewegung.

Christian und Silke Volgmann sind die Initiator*innen der „Friedensfahrzeuge”, die wahlweise durch ihre Polizeioptik Menschen dazu bringen wollen, sich an Verkehrsregeln und Tempolimit zu halten, oder aber auf Querdenker”-Demos auf die vermeintliche „Verengung der Meinungsbildung” hinweisen wollen. Besonders Silke Volgmann spricht sich außerdem regelmäßig für das Magazin Free21” aus, in dem teils verschwörungsideologische und klar antisemitische Narrative verbreitet werden. Die „Schweigemärsche” 2020 waren eigenen ANgaben nach ihre Idee. In einem Interview mit KenFM dazu vergleicht sie außerdem die Infektionsschutzgesetze mit der Ermächtigung 1933 und reproduziert nebenbei auch noch sexistische Narrative von Frauen, die zu „Kämpferinnen” würden, sobald sie Mütter würden.

Auch Michael Kottwitz war an den Montagsdemonstrationen 2014 beteiligt. Heute teilt er Inhalte der rechtsalternativen Publizisten Boris Reitschuster, Gunnar Kaiser und Markus Krall. Auch Michael Kottwitz äußert sich immer wieder antisemitisch und antizionistisch.

Michael Kottwitz (Mitsch Kotten) echauffiert sich über die „Antisemitismus-Keule” der Presse. (Quelle: Screenshot von Mitsch Kottens/Michael Kottwitzs Facebookseite)

Andrea Drescher kommt aus der „Friedensbewegung” und veröffentlichte kürzlich das Buch „Menschen mit Mut”, in dem sie Interviews mit Impfgegner*innen,  Coronaleugner*innen und Verschwörungsaktivist:innen führt. Sie selbst inszeniert sich immer wieder als wahrhafte Antifaschistin und legitimiert ihre Holocaust-Vergleiche mit ihrer jüdischen Familiengeschichte. Sie prophezeit eine Zweiklassengesellschaft aus geimpften und nicht-geimpften Personen und spricht immer wieder von einem „Ermächtigungsgesetz”.

Andrea Dreschers Titelbild auf Facebook prophezeit das Ende der gesetzlichen Gleichheit aller Menschen (Quelle: Screenshot von Andrea Dreschers Facebookseite)

Auch Norbert Voss spielte bei den Montagsmahnwachen von 2014 eine bedeutende Rolle als Moderator. Im Winter meldete er den „Schweigemarsch” an und ist Mitglied der „Querdenker”-nahen Partei „Die Basis”.

Die achte Organisatorin, Andrea Feuer hat das “Netzwerk Impfentscheid Deutschland” mitbegründet und beschreibt sich selbst als „besorgte Mutter”. Das Netzwerk ist der deutsche Ableger eines gleichnamigen Schweizer Zusammenschlusses, der von der rechtspopulistischen SVP unterstützt wird. Als das Masernschutzgesetz beschlossen wurde, verbreitete sie Impfmythen, wie einen vermeintlichen Zusammenhang mit Autismus.

Prominente Gäste

Dementsprechend gestaltet sich auch die Liste an Gästen: Eva Rosen war bereits an der Schwurbel-Bustour durch Deutschland im Dezember 2020 beteiligt, bei dem Frauen aus der „Querdenkern“-Szene ihre „weibliche Energie“ einsetzen wollten und dabei vom „Great Reset“ und der „New World Order“ sprachen. Ebenfalls dabei war und ist Karl Hilz, Ex-Polizist und Vorsitzender der „Polizisten für Aufklärung“, einer Anlaufstelle für Verschwörungsideolog*innen bei Polizei und Institutionen für „zivile und militäre Sicherheit und Ordnung”. Anfang Mai trug er das Erkennungszeichen der „Weißen Rose“ und schimpfte auf das neue „Ermächtigungsgesetz“. Der ebenfalls anwesende Entertainer Nana Domena bot auf seinem Youtube-Kanal bereits Neonazis wie Frank Kraemer eine Bühne und beschimpfte einen Pressevertreter als „Judas“. Ebenfalls angekündigt sind weitere „Querdenken”-Größen, wie Björn Banane, „Superman” oder Ralf Ludwig.

Die Demonstrationen finden dazu passende Resonanz. Für die Veranstaltung warb bereits der verschwörungsideologische Blog KenFM, das rechtsalternative Nachrichtenportal Epoch Times, der Verschwörungsguru Ignaz Bearth aus der Schweiz, aber auch die QAnon-Telegramgruppen „Into the Light“ und „Gerechtigkeit fürs Vaterland“.

Viel Fassade, nichts dahinter

Und so lässt sich auch mit dem Aufruf, sich an die Corona-Auflagen zu halten, dem Fahnenverbot und dem kitschigen Blumenlogo nichts daran ändern, dass die „Querdenker:innen“-Veranstaltungen erneut eine Spielwiese für Reichsbürger:innen, Rechtsextreme und Verschwörungsideolog:innen bieten, was sie am Ende doch nicht mehr so pazifistisch wirken lässt.

Es deuten aber auch einige Zeichen auf einen Flop der Veranstaltung hin. Durch das Verbot werden einige Teilnehmer:innen abgeschreckt sein und es wurden bereits Beschwerden über die fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten laut. Die Telegramgruppe der „Querdenker” beginnt zu schrumpfen und die „Querdenker”-Demo in Leipzig anfang der Woche verzeichnete nicht einmal halb so viele Teilnehmer:innen wie angemeldet.

 

 

 

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