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Rechtsextreme im Internet Usenet, Internet Relay Chat, Filesharing, Diskussionsforen, Versände

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Die Präsenz organisierter Rassisten und Antisemiten beschränkt sich nicht nur auf das World Wide Web. Denn das World Wide Web ist nur ein Dienst des Internets, Neonazis sind auch im Usenet (Diskussionsforen) präsent oder nutzen andere Formen der digitalen Kommunikation, wie etwa Internet Relay Chat (Chatten). Im World Wide Web gibt es keine Anonymität. Im Usenet und im Internet Relay Chat hingegen ist Anonymität möglich. E-Mail-Adressen können dort gefälscht, dann aber auch keine Nachrichten mehr empfangen werden. Das Usenet dient vornehmlich der Propaganda und um mit potentiellen Sympathisanten in Kontakt zu treten. Der Kampf gegen rechtsextremistische Websites im Internet kann nicht mit staatlichen Mitteln geführt werden.

Das Usenet, der älteste Dienst des Internet mit seinen mehr als 100.000 Newsgroups, hat in den letzten Jahren für Rechtsextremisten eigentlich an Bedeutung verloren. Kommunikation in Gruppen ist durch die technische Entwicklung hin zu Foren und Blogs mit interaktiver Kommentar-Funktion in das World Wide Web verlagert worden. Dennoch findet sich immer noch sporadisch einschlägige Propaganda in Newsgroups wie alt.music.white-power, alt.politics.white-power, alt Revisionism und alt.politics.nationalism.white.

Internet Relay Chat ist seit einem Jahrzehnt ein fester Bestandteil rechtsextremer Vernetzung. Der Vorteil: Virtuelle Treffen sind ohne großen technischen Aufwand weltweit möglich und praktisch nicht zu belauschen. Relevante IRC-Server sind in der ?Regel einer großen Website angeschlossen, als zusätzliches Feature, um schnellen Austausch in Echtzeit zu ermöglichen. Einen der großen IRC-Server betrieb Yoderanium Productions in den USA; die Firma ist jetzt bei stormfront.org untergeschlüpft.

Auch Filesharing ist eine beliebte beliebte Methode, untereinander
legale und illegale Musik-Datein auszutauschen.

Vor einem Jahrzehnt war die rechtsextreme Propaganda im Internet noch beschränkt auf Texte im Usenet und im WWW und auf einige wenige revisionistische Websites in den USA, die sich vor allem mit der dort nicht strafbaren Leugnung des Holocaust befassten. Ab dem Jahr 2000 erlebten Foren einen ungeahnten Aufschwung, da es die einfache Technik erlaubte, in nur wenigen Stunden eine Diskussionsplattform zu schaffen, die – im Gegensatz zum Usenet und dem IRC – ohne technische Vorkenntnisse – zu nutzen waren. Die meisten WWW-Foren wie „Oikrach“, „Forum White Power MP3s“ oder auch das Forum des heute noch existierenden Wikinger-Versands beschäftigten sich mit Musik. Alle Bands der rechten Szene wurden dadurch gezwungen, Hörproben und Sampler online zu stellen. Erst das Internet hat rechtsextreme Musik jederzeit und überall verfügbar gemacht und ließ alle Versuche von Zensur scheitern.

Nur wenige rechtsextreme Foren blieben aber mehr als zwei Jahre online. Die Fluktuation ist extrem hoch. Die Nutzer sprachen und sprechen meistens Technik-affine Jugendliche an, die nicht direkt mit der Neonazi-Szene verbunden waren. Die Ästhetik nahm einerseits den kosmopolitischen Stil von Comics und Cartoons auf und versuchte andererseits, möglichst provokativ und dennoch rechts zu sein. Die Nutzer nannten sich „Tischbombe“, „Landser“ oder „Steiner“ (nach dem Film „Steiner – Das Eiserne Kreuz“ von Sam Peckinpah) und redeten eine Mischung aus dem Slang des ultrarechten Milieus und dem „Denglisch“ des Internet. „Hast du schon die neue Landser geuppt?“ bedeutet zum Beispiel: „Hast du schon die Files der neue CD der Band?’Landser‘ auf den Server gespielt (von „upload“)?“.?

Im Internet waren auch schon immer einige wenige rechtsextreme Studenten präsent, auch aus Österreich – im Neonazi-Jargon „aus der Ostmark“. Der Nationaldemokratische Hochschulbund der NPD hinterlegte auf seiner Website das berüchtigte Konzept der „national befreiten Zone“ in den neuen Bundesländern, ist aber heute nicht mehr aktiv. Auch die Versuche, vor allem ultrarechte Korpsstudenten über das Internet an die rechtsextremistischen Gruppen in Deutschland zu binden, scheiterte. Der „Unrat“ war einige der wenigen privaten rechten Websites, die sich mit den politischen Gegnern der linken Szene ironisch beschäftigten. Viele der Internet-Aktivisten der ersten Stunde aus rechtsextremen Szene sind entweder bei der NPD gelandet und betreuen dort die virtuellen Angebote oder stehen politisch eher im Lager des Leser der ’salonfaschistischen‘ Zeitschrift „Junge Freiheit“.

In den letzten Jahren ist vor allem die parteiunabhängige rechtsextreme Szene in Deutschland dazu übergegangen, das Outfit der so genannten „Autonomen“ zu übernehmen. Die erste Neonazi-Website, die auf den ersten Blick nichts als eine solche zu erkennen war, sondern eher nach „Streetfightern“ der Linken aussah, war „Die Kommenden“, noch vor wenigen Jahren eine der wichtigsten Plattformen der militanten „freien Kameradschaften“, vor allem aus Norddeutschland. Heute ist sie abgeschaltet.

Auch bei der Kleidung, die im Internet als szenetypisches Erkennungsmerkmal gilt, lässt sich ein klarer Trend beobachten: Viele Websites, die sich zunächst nur an die Neonazi-Szene wandten und dort ihre Kundschaft suchten, haben sich jetzt kommerzialisiert und verzichten auf eine eindeutige Botschaft. „Backstreenoise“ aus Chemnitz zum Beispiel verkaufte ursprünglich ultrarechte Musik, die zum Teil auf dem Index stand, ist aber heute eine Plattform für „young fashion?styles“. Der Betreiber ist laut Eintrag in der Whois-Datenbank immer noch derselbe.

Die Neonazi-Szene im Internet hat sich diversifiziert: Fast jeder Mode- und Musikstil hat auch ein rechtes Segment. Rechtsextreme Fans und Bands gibt es in der Death-Metal-Szene, bei Gothic – und Skinhead-Musik, und natürlich bei den klassischen Liedermachern. Nur die wenigsten Angebote im Internet lassen sich politisch eindeutig dem Rechtsextremismus zuordnen. Die meisten erkennt man nur an subtiler und oft vieldeutiger Symbolik. Die Begeisterung für Germanen und Wikinger kann harmlos sein, in Kombination mit Zahlenspielen wie „88“ (steht für Heil Hitler!) oder einschlägigen Textbausteinen wie den so genannten „Fourteen Words“, eine verschleierte rassistische Botschaft, wird die Symbolik politisch rechtsextrem.

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