Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Frauen in der rechtsextremen Szene

Von|

Lange Zeit war aus der rechstextremen Szene ein eher unterwürfiges Frauenbild bekannt: Aussteigerinnen wie die 25-jährige Cindy berichteten davon, dass „die jungen Mädchen nur Sexualobjekte sind“, die allenfalls für organisatorische Arbeiten im Hintergrund eingesetzt werden. Auch Gewalt gegen Frauen war und ist in der rechten Kameradschaftsszene nichts ungewöhnliches und gehört zum gängigen Erfahrungsbild, das Aussteigerinnen zeichnen.

Auch das Erscheinungsbild rechtsextremer Frauen entsprach lange Zeit bestimmten Klischees. Da gab es als weibliche Skinheads die Renees oder Skingirls. Ein Erkennungzeichen war der rasierte Schädel mit einem Kranz aus langen Strähnen um das Gesicht herum, diese sichtbare Abgrenzung von weiblichen Schönheitsnormen sollte Stärke und Unangepasstheit signalisieren und war gleichzeitig ein Spiel mit Weiblichkeit. In dieser Szene pflegte man auch nach Außen ein antiquiertes wie sexistisches Frauenbild. So sang die Rechtsrock-Skinheadband Radikahl: „Weiber sind bei uns nichts wert / Auch wenn man sie nicht gern entbehrt“. So fügten sich viele Frauen eher als Anhängsel in der stark männderdominierten Szene ein.

Doch längst lassen auch Frauen in der rechten Szene solche Klischees hinter sich und wollen erkennbar eine politischere Rolle spielen. Zum Teil eifern sie ihren Freunden oder Männern in der Szene nach und lassen sich als Funktionärinnen einbinden in das Netz der NPD. Zum Beispiel im “Ring nationaler Frauen“, gegründet vor rund einem Jahr:

Keine der acht Frauen, die sich damals, Mitte September 2006, unter dem Baum vor der Gaststätte „Zum Thingplatz“ in Sotterhausen in Sachsen-Anhalt zum Gespräch aufstellten, entsprach äußerlich dem Klischee einer Neonazi-Aktivistin. Sie wirkten konservativ und adrett in ihren Blusen und Röcken, die langen Haare gewellt oder zum Dutt aufgesteckt. Ihre Kinder hatten sie eben in hütende Hände gegeben, um hier auf dem Dorfplatz im Mansfelder Land nationalistische Politik zu vertreten und die Gründung des „Ring nationaler Frauen“ selbstbewusst der kritischen Öffentlichkeit vorzustellen.

Stella Palau ist nach wie vor ihre Wortführerin. Die mädchenhaft wirkende Berlinerin mit dem dunklen Pferdeschwanz überrascht durch autoritäres Auftreten. Sie saß zunächst im Landesvorstand der NPD in Berlin, seit dem letzten Parteitag ist sie auch im Bundesvorstand der rechtsextremen Partei für das Referat „Familie“ zuständig. Ihr Lebensgefährte ist der einflussreiche Szene-Liedermacher Jörg Hähnel, Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion in Schwerin. Früher führte Palau den „Skingirlfreundeskreis Deutschland“ mit an, heute ist sie in der völkischen „Gemeinschaft deutscher Frauen“ (GDF) aktiv. Neben ihr steht Gitta Schüßler, die etwas ältere NPD-Aktivistin ist die einzige Abgeordnete ihrer Partei im sächsischen Landtag.

Auch die sechs anderen Vorstandsaktivistinnen des „Ring nationaler Frauen“ kennen sich aus im braunen Sumpf, zum Beispiel Gastgeberin Judith Rothe, liiert mit dem Anführer der „Kameradschaft Ostara“, Enrico Marx. Seit den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt im April 2007 vertritt die Einzelhandelskauffrau, Jahrgang 1979, die NPD im Kreistag des Landkreises Mansfeld-Südharz. Auch die erst 23 Jahre alte Jasmin Apfel, geborene Langer aus Hannover-Langenhagen, Geschäftsführerin der neuen Frauenorganisation und Ehefrau des sächsischen NPD-Fraktionschefs Holger Apfel ist bereits seit Jahren in der braunen Szene aktiv. Sie vertrat die „NPD-Frauengruppe Hannover“ gegenüber den Kameraden und kämpfte um die Anerkennung von Frauen als politischen Kampfgefährtinnen.

Beim Wahlkampfauftakt der NPD zu den Landtagswahlen in Niedersachsen, im Oktober 2007 in Hannover, gab sie sich als biedere Ehefrau. Im weißen Dirndl, immer brav an der Seite ihres Mannes, klönte sie mit der Ehefrau des NPD-Fraktionschefs im Schweriner Landtag, Marianne Pastörs, die ebenfalls die Anliegen der RNF vertritt. Überhaupt scheint die Frauenorganisation vor allem aus Partnerinnen von NPD-Funktionären zu bestehen. In Niedersachsen repräsentiert das ehemalige Skingirl Ricarda Riefling aus Hildesheim den „Ring Nationaler Frauen“, sie arrangiert auch den Infostand beim Wahlkampfauftakt in der Eilenriedehalle in Hannover. Ihr Ehemann, Dieter Riefling, mehrfach verurteilter Anführer der Freien Kräfte in Norddeutschland, kandidiert bei den Landtagswahlen für die NPD. Auch Petra Müller aus Calw gilt als langjährige erfahrene Aktivistin. Hochschwanger erscheint die fünffache Mutter zum Gründungstreffen der RNF in Sangerhausen. Sie gehört zum Umfeld der „Heimattreuen deutschen Jugend“, einer der verbotenen „Wiking-Jugend“ ähnelnden völkischen Organisation, und ist in der ario-germanischen „Artgemeinschaft ? germanische Glaubensgemeinschaft“ aktiv.

„Wir wollen das Anliegen von Frauen, unsere Vorstellungen der Organisation wiedergeben“, erklärt Stella Palau mit erhobenen Haupt, die Arme im Rücken verschränkt, vor laufender Fernsehkamera. „Wir möchten als Organisation Aufklärung betreiben, auch gegen die extreme Hetze gegen uns nationale Frauen“, sagt sie. Es sind insgesamt 31 Mädchen und Frauen, die sich da vor rund einem Jahr, am Samstag, den 16. September 2006 in Sachsen-Anhalt versammelt haben, um einen „Dachverband, der gerne sämtliche nationalen Frauen zusammenbringen möchte“, zu gründen. Die Finanzierung der neuen Organisation läuft ausschließlich über „Spenden und Zuschüsse der Mutterpartei NPD“, aber auch Nichtmitglieder sollen angesprochen werden. In erster Linie geht es den NPD-Frauen um ihre eigene Außenwirkung, sie möchten ihre eigenen Anliegen in die Öffentlichkeit tragen, verstärkt rechte Frauen für die Parteiarbeit gewinnen und eine Zusammenarbeit mit Freien Aktivistinnen der Kameradschaftsszene ausbauen. Mittlerweile gibt es Regionalgruppen des RNF u.a. in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

„Neues Instrument des Stimmenfangs“

Einer Emnid-Umfrage aus dem August 2007 zufolge könnten sich bis zu 14 Prozent der in Wahlumfragen befragten Frauen vorstellen eine Partei rechts von der CDU zu wählen. Andere Meinungsforscher sehen das allerdings skeptisch, denn bei bisherigen Wahlen stellten Männer das Gros rechtsextremer Wähler. So votierten bei der letzten Bundestagswahl nach der repräsentativen Auswertung des Statistischen Bundesamts 2,9 Prozent der Männer, aber nur 1,3 Prozent der Frauen für die Republikaner oder die NPD, 70 Prozent des NPD-Wählerreservoirs sind also männlich. Dieses Defizit haben inzwischen auch NPD-Strategen erkannt und messen zumindest taktisch nationalistisch denkender Mädchen und Frauen eine immer größere Rolle zu. Die „tageszeitung“ sprach gar von einem neuen „Instrument des Stimmenfangs“. Frauen, so der Hintergedanke, trügen aber nicht nur zur Imageverbesserung, sondern auch zur Stabilisierung der neonazistischen Szene bei. Bislang erlitt die rechte Szene häufig dann personelle Einbußen, wenn sich Heranwachsende in ihren Reihen auf Beziehungen einließen oder heirateten. Doch mittlerweile finden Ehebündnisse immer häufiger innerhalb der Szene statt, auch nachlesbar an der wachsenden Zahl von Heiratsanzeigen in rechten Szeneblättern. Politisch wiederum wurden und werden Frauen in der Männerwelt der NPD bislang nur wenig ernst genommen.

Tatsächlich räumt sogar das „Störtebeker-Netz“, ein Informationsportal der rechtesextremen Szene aus Mecklenburg-Vorpommern ein, dass „nationale Frauenorganisationen bisher nie wirklich ernstzunehmende Bedeutung erlangt hätten“. „Ich will endlich etwas tun für die Frauen, denn das wird bei uns zu wenig beachtet“, erhitzte sich eine rothaarige Nationalistin vor dem Frauentreffen in Sotterhausen. Nur im Schatten der Bäume, etwas ab von der Gruppe, wurde so Kritik laut. Ansonsten herrschte unisono Lob auf Partei und politische Führung. Der ebenfalls nach Sotterhausen gereiste Geschäftsführer der NPD im Schweriner Landtag, Peter Marx, der den Bundesvorstand vertrat, wollte von einer Benachteiligung rechter Frauen nichts hören. „Die NPD ist keine männliche Domäne“. Er könne sich in Zukunft sogar „irgendwann“ eine weibliche Parteivorsitzende vorstellen, sagt Marx. Denn immerhin gäbe es unter den Parteineuzugängen etwa 50 Prozent Frauenanteil, unter ihnen besonders viele junge Mütter. Und die sollen nicht vor den Kopf gestoßen werden. Wie hoch der exakte Frauenanteil in der NPD aber liegt, wird nur vage mitgeteilt. Drei Zahlanangaben kursieren: 15, 22 oder 27 Prozent.

Kandidatinnen sind eine Ausnahmeerscheinung

Nur selten besetzen Frauen allerdings verantwortungsvolle Führungspositionen. Von den 36 angetretenen Direktkandidaten der NPD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern war nur eine einzige Frau, Nancy Barth. Die 1970 geborene Floristin kandidierte aussichtslos in Nordwestmecklenburg. Von 18 gewonnenen NPD-Mandaten bei der Kommunalwahl im September in Niedersachsen gehen 17 an männliche Kandidaten. Einzig Elke Raabe aus Helmstedt wurde mit einem Amt bedacht. Auch unter den potentiellen Direktkandidaten zur Landtagswahl im Januar 2008 in Niedersachsen ist bisher eine einzige Frau. Die in der Szene prominente Liedermacherin Annett Müller, geborene Moeck aus Bad Lauterberg fand im hinteren Feld Erwähnung auf der NPD-Landesliste.

Mit Carola Holz aus Sachsen-Anhalt rangiert zur Zeit auch nur noch eine einzige NPD-Funktionärin als Landesvorstands- vorsitzende. Die arbeitslose Bürokauffrau aus Bernburg, Jahrgang 1957, vertritt außerdem eine der fünf neuen RNF-Regionalgruppen in Sachsen-Anhalt. Kurze Zeit hatte es auch in Hamburg eine NPD-Chefin gegeben, Anja Zysk. Sie war nach nur kurzer Amtszeit Anfang Januar 2007 nach heftigen Turbulenzen zurückgetreten. Zysk, die die Parteiführung im November 2005 übernahm, hatte versucht, oftmals gewaltbereite Neonazis aus losen „Kameradschaften“ in die Partei einzubinden. Die Zahl der Mitglieder wuchs tatsächlich auf rund 140. „Nachdem sich Zysk jedoch nicht von den „Freien Nationalisten“ wie erhofft hatte steuern lassen“, so berichtet die WELT, verlor sie ihre Machtbasis und wurde ersetzt. Durch einen Mann. Ihr Nachfolger wurde der rechtsextreme Anwalt Jürgen Rieger, der in der Partei auch als vergleichsweise vermögend gilt.

Von einer generellen politischen Emanzipation engagierter Neonazistinnen kann also keine Rede sein, allenfalls in kleinen Teilbereichen. Ihr Aufgabenfeld wird eher vilefältig im Hintergrund gesehen. Frauen und Mädchen unterstützten die braune Front – von der zweiten Reihe aus.

Davon will die Wortführerin des neugegründeten „Ring nationaler Frauen“, Stella Palau jedoch nichts hören. „Es mag sein, dass es Leute gibt, die Probleme haben mit aktiven Frauen“, räumt sie zunächst ein, „aber in der NPD hat keine von uns die Erfahrungen gemacht, dass wir von Männern an die Seite gedrückt werden“. Im Gegenteil, sagt Palau, es sei doch ein allgemeines Parteienproblem, so seien, sagt sie aus ihrer Sicht, die „größten Chauvinisten eher in der CDU“ zu finden.

Gewachsenes Selbstbewusstsein

Die Pädagogin und Rechtsextremismuskennerin Renate Feldmann registriert seit längerem eine selbstbewusstere Haltung neonazistischer Frauen. „Viele Frauen wollen in die NPD hinein, weil sie so denken und fühlen wie die Männer. Frauen sind nicht weniger fremdenfeindlich. Auch sie wollen verstärkt ihre Meinung auf die Straße tragen.“

Junge Mädchen aus allen Gesellschaftsschichten fühlen sich von den extrem Rechten angezogen. Häufig kommen sie noch als Freundin eines Neonazis und bleiben treu, nicht unbedingt dem Freund, aber immer öfter dessen rassistischen Idealen. Das extrem rechte Netzwerk rekrutiert sich aus der Mitte der Gesellschaft, unter den Aktivistinnen sind Studentinnen, Büroangestellte, Schülerinnen und Hausfrauen. Gezielt werden Mädchen und Frauen beim Stimmenfang im Wahlkampf und zum Rekrutieren von neuen Anhängern eingesetzt. Als „nette Mutter von nebenan“ engagieren sie sich in Kindergruppen, Elternvertretungen oder im Schwimmclub, wie Ricarda Riefing. Um das scheinbar freundliche Erscheinungsbild des weiblichen Anteils der NPD noch zu untermauern, gehört zu den wichtigsten Aufgaben „Frauen in Rhetorik und freier Rede zu schulen um die Vorstellungen des RNF und damit auch der Mutterpartei NPD klar zu definieren und vorzutragen“, heißt es auf der Homepage des „Ring Nationaler Frauen“ offensiv.

Zu den bekanntesten langjährigen Neonazi-Frauen zählen unter anderem Christiane Dolscheid, Betreiberin des „Club 88“ in Neumünster, der in diesem Jahr sein 11-jähriges Bestehen mit über 100 Nazis feierte; Gisa Pahl, Rechtsanwältin aus Hamburg, Ratgeberin und Verteidigerin zahlreicher Neonazi-Gewalttäter; Daniela Wegener, führende Kameradschaftsaktivistin aus Bochum; Inge Nottelmann aus Hamburg, die das „Aktionsbüro Norddeutschland“ mitinitiiert und als eine der wenigen Strateginnen der Kameradschafts-Szene gilt. Doris Zutt, NPD-Politikerin aus dem hessischen Ehringshausen, neben Stella Palau einzige weibliche Vertreterin im Bundesvorstand der Partei. Yvonne Mädel aus Meiningen, Rednerin auf zahlreichen Demonstrationen oder Martina Maal, stellvertretende Landesvorsitzende der „Jungen Nationaldemokraten“ in Bayern. Auch in Bremen führen zwei Frauen die Jugendorganisation der NPD mit an: Gabriela und Louisa Yardim.

Frauen gelten in der Szene als zuverlässig und fleißig. Sie sind zuständig für die Arbeit im Hintergrund, sie sorgen für eine reibungslose Organisation von Parteiveranstaltungen oder Rechtsrockkonzerten, sie planen Kinderfeste und Ausflüge, unterstützen die Männer bei Aufmärschen, sorgen für warme Getränke und heiße Speisen, engagieren sich aufopfernd im sogenannten „Braunen Kreuz“, einem nationalen Sanitätsdienst der Szene oder betreuen inhaftierte Kameraden in der größten deutschen Neonazi-Organisation, der „Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene“ (HNG). „Wir wollen anders leben als es heute üblich ist“, schrieb Stella Palau in der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ Anfang des Jahres. Sie strebt nach den „altbewährten Werten unseres Volkes“. Zentrale Fragen sind in ihren Augen: „die Steigerung der Geburtenrate, die Erziehung und das gesunde Aufwachsen unserer Kinder.“ Dieses „andere Leben“ was Palau für ihr Volk anstrebt, sei „ein Leben in Freiheit von Fremdbestimmung und kapitalistischem Diktat“.

„Wir brauchen Frauen in der Bewegung, damit wir noch authentischer werden“

„Volksgemeinschaft“ heißt das Schlagwort. In der so genannten Volksgemeinschaft der NS-Propaganda sollten Deutsche auf Gedeih und Verderb unter Beschwörung des „Blutes“ miteinander verbunden sein, einhergehend mit der Ausgrenzung von „Artfremden“. In der nationalsozialistischen Realität im Dritten Reich bedeutete es zugleich auch Opfergemeinschaft.

„Auch heute sehen die extrem Rechten darin einen Zusammenschluss von deutschen Menschen“, erklärt Expertin Renate Feldmann. „Bestimmte Menschen schließt dieser Begriff ein, andere, wie Migranten, politisch Andersdenkende, Juden werden herausdefiniert.“

„Wir brauchen Frauen in der Bewegung, damit wir noch authentischer werden und bleiben!“, betonte der Anführer der „Kameradschaft München“, Norman Bordin 2004 im Internet und forderte: „Nicht Volksgemeinschaft quatschen, sondern auch leben.“

Verpflichtung der deutschen Frau „für den Erhalt der eigenen Art“ zu sorgen

Nach dem Motto „Recht ist, was dem Volke nützt“, werden besonders Frauen im Sinne von Gehorsam und Gefolgschaft auf ihre Rolle als Gefährtin und Mutter getrimmt. Vorbild ist die Frau in der NS-Zeit. „Allerdings wird eher versteckt darauf Bezug genommen“, erklärt Feldmann. Bei den Aktivistinnen des neugegründeten „Ring nationaler Frauen“ lautet die Devise: „Wir richten unser ganzes Leben mehr auf das deutsche Volk aus.“ Ob die „Gemeinschaft deutscher Frauen“ oder die „NPD-Frauengruppe Hannover“, immer wird auch ein „natürliches Frauenbild“ propagiert. In der aktuellen Grundsatzschrift „Die Frau in der nationalen Bewegung“ heißt es dazu: „Es ist jedoch selbstverständlich, dass eine deutsche Frau einem deutschen Mann zur Seite gestellt ist – ihm also von Natur aus gleichgestellt ist.“ Die Forderung nach einem „natürlichen Frauenbild“ beinhaltet jedoch auch die Verpflichtung der deutschen Frau „für den Erhalt der eigenen Art“ zu sorgen. Verweigert sie sich dem „eigenen, naturgegebenen Pflichten“, heißt es in der Grundsatzschrift, „dann macht sie sich im schwersten Maße mitschuldig am Untergang des eigenen Volkes“.

Frauen fangen an die braune Szene zu prägen

Kindererziehung, Schulsysteme, Gesundheit und Ernährung gehören daher auch bei den selbstbewusst auftretenden Anhängerinnen neuer Neonazi-Gruppen zu den bevorzugten weiblichen Themen. Nur wenige Frauenorganisationen wie die bereits verbotenen Organisationen „Mädelgruppe der Kameradschaft Tor Berlin“ und „Frauen in der Fränkischen Aktionsfront“ warben für ein Bild der Frau als Straßenkämpferin. Wie Aussteigerinnen berichten, können Mädchen zwar als „autonome Aktivistinnen“ Gegner ausspionieren, Transparente tragen, an politischen Schulungen teilnehmen oder antifaschistische Aktionen fotografieren, „irgendwann werden sie alle an ihre Pflicht erinnert und auf die Rolle als Mutter reduziert“.

Davon will Stella Palau an diesem Samstag Nachmittag in Sotterhausen nichts wissen. Auch was die hohe Kriminalitätsrate von Rechts angeht, blockt die zweifache Mutter stur ab. „Diese Gewaltbereitschaft, die der nationalen Bewegung und vor allem der NPD so oft unterstellt wird, da zeigen wir Frauen ganz klar, dass das nicht so ist“, betont sie. Ihrer Meinung nach sei es lächerlich, wenn gesagt würde, Frauen würden diese Gewalt unterstützen. Palau sagt: „Ich kenne keine Leute, die gewalttätig sind. Mag sein, dass es so etwas gibt. Aber ob man diese Einzeltäter irgendwelchen politischen Organisationen zuschreiben muss“, das hält die NPD-Frau für fragwürdig. Palaus Gedächtnis scheint Lücken aufzuweisen, denn immerhin gelten Anhänger des Berliner Landesverbandes der NPD als gewaltbereit. So kam es auch bei den letzten Wahlen in Berlin immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Im Oktober 2006 organisierte unter anderem auch Palaus Lebensgefährte eine Demonstration für den inhaftierten Sänger der Rechtsrock-Band „Landser“ – und genau diese Band wurde gerichtlich als „kriminelle Vereinigung“ eingestuft. Auch Palaus Ex-Ehemann, Oliver Schweigert, ein Anführer der Berliner Kameradschaftsszene fiel bereits wegen Waffenbesitzes polizeilich auf, gegen ihn liefen diverse Ermittlungsverfahren, 1996 wurde er wegen „Verbreitung von Propaganda einer Auslandsorganisation der NSDAP“ ohne Bewährung verurteilt.

Viele der in der extrem rechten Szene aktiven Frauen stammen bereits in der zweiten oder sogar dritten Generation aus nationalistischen Familien. Sie sind mit dem NS-Gedankengut erzogen worden und erziehen auch ihre Kinder so. Altnazi-Aktivistinnen wie die inzwischen verstorbene Gertrud Herr oder die Betreiberin des Collegium Humanum in Vlotho, Ursula Haverbeck, leugnen offen den Holocaust und stilisieren Heldenmythen um NS-Verbrecher wie Adolf Hitler oder Rudolf Heß.

Die Szene-Anführer tun sich mit der Gleichberechtigung schwer

„Rechtsextreme Frauen können genauso fanatisch sein wie die Männer“, betonen Aussteigerinnen immer wieder. Nur mit der Gleichberechtigung taten sich Szene-Anführer bisher trotz aller anderslautenden Beteuerungen schwer. So wurde zum Beispiel bei einer Kameradschafts-Demonstration in Neubrandenburg den jungen Frauen untersagt, mit Medienvertretern zu reden und auch im niedersächsischen Verden zog ein Hamburger Neonazi eine Aktivistin brutal zur Seite, als sie Journalisten Rede und Antwort stehen wollte.

Selbst die Gründung des „Ring nationaler Frauen“ im vergangenen Jahr am 16. September in Sotterhausen geht nicht ohne männliche Unterstützung vonstatten, auch der führende NPD-Multifunktionär Peter Marx hat dabei ein Wörtchen mitzureden. Doch wie es um die Rolle der Frau und deren Emanzipation in der extrem rechten Szene wirklich steht, verdeutlicht noch mehr ein Zitat des Spitzenkandidaten der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs. Nach der erfolgreichen Landtagswahl widmete er am Wahlabend im September 2006 auch der rechtsextremen Weiblichkeit ein paar Worte, ein Kamerateam filmte mit: „Herausnehmen möchte ich unsere Frauen, die im Stillen Unglaubliches geleistet haben. Das fing an von der Bewirtung und dem Gutzureden unserer Kameraden und Kameradinnen, die aktiv draußen im Wahlkampf standen. Und das hörte auf beim Wäschewaschen für die Kameraden.“

Dieser Text stammt aus dem Online-Dossier zum Thema Rechtsextremismus der Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de/rechtsextremismus
Erstveröffentlicht am 11.10.2007

Weiterlesen

Eine Plattform der