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Geteilte Erinnerungen – Mémoires Partagées Erinnerung und Wiederaufbau nach dem Genozid in Ruanda. Eine Filmvorstellung bei der Amadeu Antonio Stiftung.

Wenn Thierry Sebaganwa, Überlebender und Zeuge des Genozids an den Tutsi in Ruanda, über die Shoah spricht, kann er atmen. Von seinen eigenen Erfahrungen und seinem Leiden zu berichten, war ihm lange Zeit unmöglich. Seit 2005 unterhält er in seinem Haus ein Museum über die Shoah, das „Schalom House“.

 
(Quelle: Belltower News)

Am vergangenen Mittwoch, den 10.02.2020, wurde der Dokumentarfilm „Mémoires Partagées“ („Geteilte Erinnerungen“) aus dem Jahr 2009 in der Amadeu Antonio Stiftung gezeigt und anschließend mit dem Protagonisten des Films, Thierry Sebaganwa, dem Regisseur Ygal Egry, der Stiftungsvorsitzenden Anetta Kahane und dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) diskutiert. Der Film behandelt die Erinnerung und den Wiederaufbau in Ruanda, sowie die Schwierigkeit, über das Erlebte zu sprechen.

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Einen Erzähler gibt es nicht in dem Film von Ygal Egry. Durch Interviews werden die Perspektiven von Überlebenden des Völkermords im Jahr 1994 sichtbar gemacht. Zentraler Protagonist des Films ist Thierry Sebaganwa, der den Völkermord als einziges Mitglied seiner Familie überlebte. Lange Zeit war es ihm nicht möglich, über seine Erlebnisse und ihre traumatischen Folgen zu sprechen. Eine weitere wichtige Rolle spielt Dr. Naasson Munyandamutsa, Psychiater aus Kigali, der Hauptstadt Ruandas. Er beschäftigt sich mit dem Zusammenleben von Opfern und Täter*innen des Genozids in der heutigen ruandischen Gesellschaft.

Im Jahr 2005 eröffnete Thierry ein Museum in seinem Haus, das „Schalom House“. Dort können Besucher*innen über die Erfahrungen von Jüdinnen und Juden während der Zeit des Nationalsozialismus lernen – Thierry selbst hat dies dabei geholfen, sich mit seiner eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Und er hofft, auf diese Weise weiteren Menschen mit ihrer Angst, sich mit der gewaltsamen Geschichte zu beschäftigen, helfen zu können. In einer Filmszene schildert er eindrücklich, wie er realisierte, dass er, wenn er über die Shoah spricht, atmen kann. Es ermöglicht ihm, von seinen Erlebnissen und den damit verbundenen Gefühlen zu sprechen, ohne sich unmittelbar an sie erinnern zu müssen. In einer weiteren Szene sagt ein Besucher des Museums, hätte er vor dem Genozid in Ruanda vom Schicksal der Jüdinnen und Juden gewusst, hätte er möglicherweise die Zeichen erkennen und fliehen können. Ob das Wissen über die Geschichte die Wiederholung von menschenverachtenden Vorgängen verhindern kann, bleibt dennoch ungewiss.

Die Sichtbarkeit der Geschichte ist für Thierry trotzdem von enormer Wichtigkeit – eine Form der Sichtbarkeit des Vergangenen, wie sie in Deutschland nie stattfand, wie in der Diskussion nach dem Film deutlich wurde. Das absurde Narrativ einer von Eliten gesteuerten Shoah habe seine Gründe zwar auch in der zahlenmäßigen Relation von Täter*innen und Opfern, dem hätte jedoch von politischer Ebene aus entgegengewirkt werden können. Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus wurde allerdings erst im Jahr 1996 eingeführt. Und auch heutzutage, obwohl die Täter*innen-Generation politisch keine Rolle mehr spielt, erreichen Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Nationalsozialismus keine breite Öffentlichkeit. In Ruanda wurden zwar die Strippenzieher*innen des Genozids von internationalen und nationalen Gerichten verfolgt, den ausführenden Täter*innen aber nahmen sich lokale Gerichtsversammlungen mit mindestens 100 Bewohner*innen der jeweiligen Gemeinde unter Vorsitz eines/einer geschulten Richters/Richterin an. Einer dieser Richter war Thierry. Er betonte am Mittwochabend das Prinzip des Vergebens und des Nach-Vorn-Schauens, aber auch die Wichtigkeit der genauen Dokumentation und der Sichtbarkeit des Geschehenen.

In Ruanda gilt seit 1996, also schon zwei Jahre nach dem Genozid an den Tutsi, jährlich vom 07. April bis zum 04. Juli Staatstrauer.

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