, Tagesspiegel
Auf solche Fragen gibt jetzt eine Broschüre Antworten, die brandenburgische Verfassungsschützer gemeinsam mit ihren Kollegen aus Sachsen erarbeitet haben. ?Handlungsfaden für den wehrhaften Umgang mit Extremisten?, lautet der Titel des 32-Seiten-Heftes, das gestern in Cottbus vorgestellt wurde. Die Leiterin des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Winfriede Schreiber, und ihr Amtskollege Reinhard Boos aus Sachsen stellten zugleich erstmals ein gemeinsames Lagebild zu aktuellen Entwicklungen im Rechtsextremismus vor. Bereits seit Jahren beobachten die Verfassungsschützer eine zunehmende Vernetzung von Rechtsradikalen aus Südbrandenburg und dem nördlichen Sachsen. So leiste die in Sachsen seit den Wahlen vom 8. Juni 2008 in allen Kreistagen vertretene NPD ihren brandenburgischen Gesinnungsgenossen derzeit massive ?Aufbauhilfe? in Form von Material und Ratschlägen für das Auftreten in der Öffentlichkeit. Große Wirkung zeige das bislang allerdings nicht, sagte Winfriede Schreiber: ?Im Gegensatz zur sächsischen NPD, die inzwischen durchaus geschickt die konkreten Ängste und Probleme der Menschen vor Ort auf ihre populistische Art aufgreift und missbraucht, fehlt den brandenburgischen NPD-Mitgliedern dafür schlichtweg das intellektuelle Potenzial.?
Auch habe es die Brandenburger NPD nicht geschafft, ihre Mitgliederzahlen wie angekündigt wesentlich zu steigern. 2006 gab es 230 aktive Mitglieder im Land, ein Jahr später waren es 250. In Sachsen wurden 2006 rund 1000 NPD-Mitglieder registriert, 2007 waren es 850.
Grund für eine Entwarnung im Umgang mit Rechtsextremisten sei dies aber nicht, betonten die Verfassungsschutzchefs der beiden Länder. Denn es seien auch durchaus ?besorgniserregende Entwicklungen? in der rechtsradikalen Kameradschaftsszene zu registrieren. Diese trete nach außen mit Begriffen wie ?Lausitzer Aktionsbündnis? oder ?Lausitzer Widerstandsbewegung? in Erscheinung, sei mobil und flexibel und unterhalte enge Verbindungen zur NPD. ?Führerlose internetbasierte Netzwerke? seien das, sagte Winfriede Schreiber, die man nicht unterschätzen dürfe. Ihr sächsischer Amtskollege Reinhard Boos teilte mit, dass 11 Prozent der Besucher sächsischer Neonazi-Konzerte aus Brandenburg kommen und es auch eine enge Zusammenarbeit bei der Herstellung von CDs und anderer rechtsextremer Machwerke gibt.
Diese Vernetzungsstrategien seien vor allem eine Gefahr für die Kommunen, aber auch für Kirchen, Vereine und Schulen, warnten die Verfassungsschützer. So würden beispielsweise Sportvereine manchmal schleichend durch Rechtsextremisten unterwandert, und manche Kommunalpolitiker hätten immer noch nicht den Mut, Probleme mit Neonazis vor Ort offen anzusprechen und sich damit auseinanderzusetzen. Auch deshalb habe man den Handlungsleitfaden erarbeitet und werde ihn in den nächsten Tagen an die Kommunen verschicken. Die brandenburgische Verfassungsschutzchefin ist optimistisch, dass die Politiker vor Ort die Anregungen gern in Anspruch nehmen.
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