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Neue Ängste und alte Ressentiments – Polenfeindlichkeit in der nord-ostdeutschen Grenzregion

?Polen-Invasion stoppen? plakatierte die NPD in Mecklenburg-Vorpommern bei den Kommunalwahlen 2009 und mobilisierte damit tief verankerte polenfeindliche Ressentiments. 2011 stehen in Mecklenburg-Vorpommern wieder Wahlen an ? und ab Mai gilt die Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den EU-Mitgliedsländern Mittel- und Osteuropas. Polenfeindliche Einstellungen können damit einen neuen Höhepunkt erreichen.

 

Auf dem Nachrichtenportal ?MUPINFO ? Nachrichten für Mecklenburg und Pommern? der NPD sind ?die Polen? ein beliebtes Thema. Glaubt man der Berichterstattung, dann scheint es in Mecklenburg-Vorpommern von ?polnischen Kleinkriminellen? und ?dreisten polnischen Diebesbanden? zu wimmeln. Außerdem scheinen Massen an ?polnischen Arbeitsnomaden? nur darauf zu warten Deutschland zu „überfluten“.

In der Grenzregion von Mecklenburg-Vorpommern versucht die NPD immer wieder mit polenfeindlichen Ressentiments zu punkten. Überregionale Beachtung fanden vor allem ihre Plakate mit der Aufschrift ?Polen-Invasion stoppen? bei den Kommunalwahlen 2009, die in der Folge wegen Volksverhetzung verboten wurden. Auch auf lokaler Ebene verbreiten die Rechtsextremen ihren antipolnischen Rassismus. Im Dezember 2010 griffen sie im Grenzort Löcknitz Proteste der Anwohner gegen den zunehmenden Schwerlastverkehr auf, um gegen die ?ausländischen LKWs? zu demonstrieren. Eine Steilvorlage für die NPD war zudem ein Antrag der CDU-Fraktion in Greifswald, die ?Szczeciner-Straße? in ?Stettiner-Straße? umzubenennen.

Die von der NPD geschürten polenfeindlichen Ressentiments stoßen auch auf Resonanz in der Bevölkerung – beispielsweise in Krankenhäusern: Dort gibt es Beschwerden über „gebärfreudige Polinnen“, die das deutsche Gesundheitssystem „ausnützten“ und für lange Wartezeiten sorgten, und über eine vermeintlich schlechtere Behandlung durch die zunehmende Anzahl polnischer Ärzte. Unter den Jugendlichen in den Grenzregionen äußert sich laut einer Studie der Universität Potsdam ungefähr ein Drittel zustimmend zu polenfeindlichen Aussagen.

Arbeitnehmerfreizügigkeit als aktueller Anlass

Neue Nahrung könnten Ressentiments gegenüber Polen durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union erhalten. Ab dem 1. Mai 2011 gilt diese auch für die Bürger der EU-Mitgliedsstaaten in Mittel- und Osteuropa. Unter anderem polnische Arbeitnehmer haben dann uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Bei dem NPD-Portal ?MUPINFO? werden bereits die ?fatalen Auswirkungen? durch verschärfte Konkurrenz und Billiglöhne beschworen, von denen insbesondere die Menschen in der Grenzregion zu Polen betroffen seien.

Glücklicher Zufall für die NPD: Im September finden in Mecklenburg-Vorpommern Landtagswahlen statt. ?Der Vorlauf durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist für den Wahlkampf der NPD von großem Nutzen?, meint Niels Gatzke, der Leiter eines neuen Projektes gegen polenfeindliche Ressentiments der RAA Mecklenburg-Vorpommern. Ängste in der Bevölkerung der strukturschwachen Grenzregion werden damit weiter geschürt und mit einer konkreten Ursache ? den Polen ? in Verbindung gebracht.

Bei ihrer antipolnischen Kampagne können die Rechtsextremen außerdem auf lang bestehende Stereotype und Vorurteile über Polen zurückgreifen, betont Gatzke. Das Bild rückständiger, unorganisierter, fauler und krimineller Polen habe in Deutschland eine Tradition von mehreren Jahrhunderten. Bei Bedarf könnten somit polenfeindliche Ressentiments wieder geweckt werden, auch wenn sie für längere Zeit wenig präsent waren. Ein Beispiel dafür ist die Zeit der Solidarnosc-Bewegung: Die DDR-Propaganda mobilisierte damals gezielt Vorurteile über die ?faulen Polen?, die streikten statt zu arbeiten, und ließ in Kneipen Polenwitze erzählen. Entsprechend bietet aktuell die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit eine Gelegenheit, tief verwurzelte polenfeindliche Ressentiments zu reaktivieren.

Handeln gegen Polenfeindlichkeit

Das kürzlich gestartete Projekt ?perspektywa? der RAA Mecklenburg-Vorpommern setzt sich mit diesen Ressentiments auseinander. Es hat zum Ziel, Multiplikatoren in politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereichen für das Problem der Polenfeindlichkeit zu sensibilisieren und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie dagegen vorgehen können. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Landkreisen an der deutsch-polnischen Grenze, Uecker-Randow und Ostvorpommern, wo auch die rechtsextreme Szene besonders stark mit polenfeindlichen Ressentiments mobilisiert. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ?perspektywa? ist es, Wissen und Zugänge zu Polen und den Polen zu schaffen. Daran mangelt es bisher laut Projektleiter Niels Gatzke oft noch, trotz der geographischen Nähe.

In dieser Hinsicht stellt die Arbeitnehmerfreizügigkeit möglicherweise auch eine Chance dar. Statt Ängste und Vorurteile gegenüber dem Nachbarn, können damit auch längerfristige grenzüberschreitende Kooperationen gefördert werden. Die Handwerkskammer Frankfurt Oder bietet bereits Informationsveranstaltungen zur Beschäftigung von Arbeitnehmern aus den östlichen Nachbarstaaten an und berät zum wirtschaftlichen Engagement in Polen.
Auch der ?Bundesverband mittelständische Wirtschaft? veranstaltet gemeinsame Stammtische deutscher und polnischer Unternehmer in Szczecin/Stettin, um Kooperationen zu unterstützen. Der für die Region zuständige Bereichsleiter spricht enthusiastisch vom ?riesigen Potential?, das der polnische Markt für Unternehmer und Arbeitgeber in der deutschen Grenzregion bedeutet. Sind Ängste vor der Arbeitnehmerfreizügigkeit begründet? ?Man muss sich eben dafür fitmachen und nicht warten wie die Maus vor der Schlange.? Es ist zu hoffen, dass sich eine solche pragmatische Haltung auch bei der Bevölkerung durchsetzt ? und die NPD wenig Erfolg mit ihren Versuchen hat, polenfeindliche Ressentiments zu schüren.

Das Projekt „perspektywa“ wird von der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) Mecklenburg-Vorpommern e. V. in Kooperation mit der Amadeu Antonio Stiftung durchgeführt und vom Bundesministerium des Innern im Programm ?Zusammenhalt durch Teilhabe? sowie der Freudenberg Stiftung gefördert.

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