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„Neurechte“ Kommunikation Die Strategie der Hydra-Comics

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Screenshot von der Website von "Hydra Comics".

So gewöhnlich beginnt der Plot des ersten, im November 2020 veröffentlichten, Comics des jungen Dresdner Hydra-Verlags. Alles andere als gewöhnlich ist allerdings der Name „Hydra“. In der Welt von Iron-Man, Captain America und Co, deren Geschichten die Comic-Welt nachhaltig prägten, kommt die Hydra als Organisation ebenfalls vor. Im Marvel-Universum trägt diesen Namen ein faschistischer Geheimbund.

Die Namensgleichheit könnte reiner Zufall sein, doch auch bei dem neuen Comic-Verlag geht es politisch sehr weit rechts zu. Man bewirbt sich als „bewusst patriotisch“ und will „nonkonformistische Bildergeschichten“ umsetzen. Wie weit rechts diese Auslegung von „nonkonformistisch“ zu verstehen ist, offenbart sich mit Blick auf die Finanziers des jungen Verlags. Hinter den Comics steht das extrem rechte Netzwerk Einprozent. Einprozent sammelt und verwaltet Gelder und gilt als wichtige Vernetzungsplattform für extrem rechte Initiativen und als Schnittstelle zwischen  AfD, Akteuren der sogenannten „neuen“ Rechten und dem klassischen Neonazi-Spektrum. Gemeinsam ist den Akteuren und unterstützten Initiativen ihre rechtspopulistische Kommunikation und – zumindest in Teilen – eine Agenda, die der parlamentarischen Demokratie feindlich gegenübersteht. Verantwortlich für die Verlegung der Comics zeigt sich Michael Schäfer, ein fester Mitarbeiter bei Einprozent und ehemals Bundesvorsitzender der JN (Jugendorganisation der NPD).

Genau wie die erste Seite des Comics, wirkt die Website auf den ersten Blick relativ unscheinbar. Schäfer selbst ist inzwischen aus der NPD ausgetreten und alles wirkt vergleichsweise unpolitisch. Doch wenn man in dem Comic zwischen den Zeilen liest, offenbart sich die rechtsextreme Einstellung immer wieder. Einerseits ist der Plot ideologisch gefärbt und andererseits finden sich in vielen der Bilder Verweise auf andere Medien, die zur sogenannten „neuen“ Rechten gehören. Beispielsweise liegt im Zimmer von Alexander nicht irgendein Magazin, sondern das rechtsradikale Lifestyle-Magazin „Arcadi“. Rechtsextreme Medien werden so ganz nebenbei normalisiert.

Die Eigenbezeichnung als „Hydra“ und die Normalisierung rechtsextremer Medien sind nicht zufällig, sondern folgen einer Strategie. Die „Anspielungen“ sind ein wichtiger Bestandteil der Ideologie der sogenannten „neuen“ Rechten. Man will sich nicht mehr von der Gesellschaft abgrenzen, sondern an diese anknüpfen und den vorpolitischen Raum, das heißt Situationen, die nicht per se politisch sind, wie beispielsweise das Lesen eines Comics, eine Grillparty oder ein Fußballspiel, mit eigenen Inhalten füllen. Die „neue“ Rechte nennt das „Metapolitik“.

Entscheidender Wegbereiter dieser Strategie war die Publikation der Monographie „Kulturrevolution von Rechts“ von Alain de Benoist. Benoist entwirft darin eine Theorie der gesellschaftlichen Entscheidungsfindung, die maßgeblich auf den Ideen des marxistischen Philosophen Antonio Gramsci beruht. Gramsci analysierte, dass kollektive Entscheidungsprozesse geprägt sind durch die Ideologien und Interessen einer vorherrschenden sozialen Gruppe (dem Hegemon). Sie prägen gemeinsam mit Apparaten der Zivilgesellschaft den Alltagsverstand („senso commune“) der Menschen und ihre Entscheidungen. Die hegemoniale Beeinflussung führt zu einer Internalisierung der Ideologie und einer Deutungshoheit über gesellschaftliche Geschehnisse.

Rechtsextreme wollen diesen Senso Commune, also das alltägliche Denken, nun mit ihren eigenen Ideen und Idealen und durch Metapolitik prägen, um schließlich selbst besagte Deutungshoheit zu erlangen und die Gesellschaft revolutionär zu verändern. Benoist hat das Credo vorgegeben: „(…) um die politische Mehrheit auf Dauer zu erringen, muß man zunächst die ideologische Mehrheit erringen“. Er spricht von einer „Kulturrevolution von rechts“.  Ein wesentlicher Bestandteil, um ideologische Mehrheit zu erringen ist es, kulturelles Denken zu beeinflussen. Akteure der „neuen“ Rechten beschreiben ihren Versuch der Beeinflussung gerne als „Gegenkultur aufbauen“. Um die Menschen mit der extremistischen „Gegenkultur“ in ihrem Alltag zu erreichen, muss man aber anschlussfähig sein. Daher wirkt die Website der „Hydra-Comics“ so unpolitisch und daher beziehen sich die Köpfe hinter der „neuen“ Rechten auch nicht direkt auf den Nationalsozialismus – das würde gemäßigte Zuhörer*innen direkt abschrecken. Anders sieht das hingegen bei italienischen oder japanischen Faschist*innen aus. Diese kann man ganz unauffällig zu „großen Politikern“ oder „letzten Samurais“ stilisieren, hier ist die Sensibilität des Publikums deutlich geringer.

So findet sich beispielsweise im Zimmer des Protagonisten Alexander ein Plakat, das Yukio Mishima zeigt und auf der Website des Verlags wird ein 200-seitiger „Comic-Roman“ mit dem Titel YUKIO MISHIMA – Der letzte Samurai verkauft. Mishima plante mit seiner Miliz, den Tatenokai, in Japan einen Putsch. Er wollte die parlamentarische Demokratie überwinden und eine nationalistische Kaiserherrschaft nach faschistischen Vorbild aufbauen. Die Mythologisierung und Romantisierung von rechtsextremen Putschist*innen wie Mishima sendet nicht nur eindeutige Zeichen an Eingeweihte, sie bietet auch enormes Radikalisierungspotential. So soll rechtsextremes Gedankengut schrittweise in die Alltagswelt der Menschen gebracht werden und die eigene Deutung tagespolitischer Geschehnisse die Menschen möglichst subtil erreichen. Eigene Publikationen transportieren das gewünschte Framing und präsentieren die passenden Vordenker*innen und Vorkämpfer:innen.

Diese Strategie wird nicht nur durch Comics verfolgt. Es herrscht ein breites Angebot an rechtsextremer „Gegenkultur“. Von Kochshows über Online-Spiele und HipHop bis hin zum Naturschutz-Magazin Die Kehre.  Wie bei den Comics soll das Publikum in einem eher unpolitischen Alltagsverstand „abgeholt“ und mit der extrem rechten Ideologie in Kontakt gebracht werden. Die Kehre hat beispielsweise nur vier Ausgaben gebraucht, um zum Titelthema „Migration“ zu kommen.

Bei der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ heißt es dazu: „Der Anspruch: Unsere Ideen müssen zur gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit werden. Wir holen uns alles zurück!“ Was für eine gefährliche Ideologie dabei „zur Selbstverständlichkeit werden“ soll wird sichtbar, wenn man zwischen den Zeilen liest.  Das Ziel ist eine extrem rechte Politisierung und Radikalisierung der Bevölkerung und die Überwindung der Demokratie.

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