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Rechtsextreme Aktivitäten Neonazis in Jena: Bewaffnet gegen Sitzblockade

Polizei nimmt einen der Beteiligten fest; Copyright Foto: MUT/Warsitz

Unverhältnismäßig brutal löste die Polizei am Samstag, dem 14. Juni, eine Sitzblockade vor dem „braunen Haus“ in Jena-Lobeda auf. Etliche Teilnehmer der Blockade gegen eine NPD-Schulung wurden von den Beamten gewaltsam über den Asphalt geschleift. Indes rückten rund 30 Neonazi-Kader an, um eine Taktik für die Thüringer Landtagswahl im nächsten Jahr aufzustellen. Der Hauseingang blieb jedoch von Gegendemonstranten blockiert, die Rechten mussten den Hintereingang nehmen – aber das machen sie ja sowieso am liebsten.

Rund 60 Personen, darunter Mitglieder des Jenaer Aktionsnetzwerks gegen Rechtsextremismus  sowie eine ganze Reihe von alternativen Jugendlichen, versammelten sich morgens vor dem als braunen Treffpunkt bekannten Haus in der Altstadt von Lobeda. Vor dem Hintergrund des besorgniserregenden Ergebnisses der NPD bei der Kommunalwahl in Sachsen vom 8. Juni wollten die Demonstranten die geplante Kader-Schulung in Jena mit viel Krach und Brimborium stören. Denn: Ähnliche Erfolge der Rechten wie in Sachsen will man hier mit aller Macht verhindern. In Thüringen steht 2009 die Landtagswahl an.

Das „braune Haus“ war in der Vergangenheit immer wieder Schauplatz von Demonstrationen gegen Neonazis, es gilt als Symbol und Anlaufpunkt für die rechte Szene in ganz Thüringen. „Da wohnt aber schon lange keiner mehr, nur so ein Kurzer mit seinem Hund“, sagt ein Anwohner spöttisch. „Reinen Aktionismus“ nennt seine Begleiterin den Aufruhr vor dem heruntergekommenen Gebäude. Da solle man doch lieber anderweitig Jugendarbeit leisten, denn „mit solchen Demos ist denen, die die NPD wählen, nicht geholfen“.

Mit langen Holzstöcken bewaffnet

Unterdessen war die Stimmung in Alt-Lobeda explosiv. Bereits die ersten Rechtsextremen, die sich Zugang zum „braunen Haus“ verschaffen wollten, rückten mit langen Holzstöcken an, die sofort zum Einsatz kamen: kurzer verbaler Schlagabtausch, und schon gingen beide Seiten aufeinander los. Erst als die Neonazis die Gegendemonstranten bereits brutal mit den Stöcken attackiert hatten, forderte ein Beamter die Rechtsextremen auf, die Hölzer abzulegen. Die Szene wurde von Sprechchören begleitet, die Vorhut der Neonazis musste sich als „dumm, brutal und national“ besingen lassen und wurde unmissverständlich aufgefordert: „Ihr könnt nach Hause gehen!“.

Doch genau das taten sie nicht. Stattdessen trudelten immer mehr „Wölfe im Schafspelz“ in der Jenaischen Straße ein. Wenngleich es nur ungefähr 30 Leute waren, so offenbarten doch allein diese Teilnehmer der rechtsextremen Schulung, wie heterogen die Szene in den letzten Jahren geworden ist: Wäre da nicht das winzige „Thor Steinar“-Emblem auf seiner Gürteltasche gewesen, der junge Mann hätte ohne weiteres als alternativer Jugendlicher mit Kapuzenjacke und Sneakers durchgehen können. Das gleiche gilt für die Anzugträger, denen man ihre rechte Gesinnung an diesem Tag einzig daran ansah, dass sie in den Hof des „braunen Hauses“ abbogen und sich zum Plausch mit den Jungnazis einfanden. Wie etwa der ältere Herr, der mit seiner Begleiterin im silbernen BMW mit Kölner Kennzeichen anreiste oder der Mittvierziger im adretten Hemd und lässiger Sonnenbrille.

Polizei räumt rigoros

Die Stimmung kochte schließlich hoch, als die Neonazis die Nase voll hatten und von den Beamten verlangten, den Weg zum Hauseingang frei zu machen. Schnell formierte sich vor der morschen Tür eine Sitzblockade aus Gegendemonstranten, mit denen allerdings kurzer Prozess gemacht wurde: Anders als auf früheren Demonstrationen in Jena, wo die Beamten die Blockadeteilnehmer zunächst ruhig zum Aufstehen aufgefordert hatten, griffen die Polizisten hier zu, ohne lange zu fackeln. So mancher Demonstrant wurde mehr über den Straßenbelag geschleift als getragen, einige Beobachter machten große Augen ob dieser Vorgehensweise.

Ganz gleich, was die NPD-Kader nun an diesem Wochenende in ihrem verwahrlosten Haus besprechen und aushecken, eines ist klar: Mit den Neonazis wird in Hinblick auf die Landtagswahl in nächster Zeit wieder vermehrt zu rechnen sein. Mit dem sitzenden Widerstand jedoch ebenfalls.

Madeleine Warsitz

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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