Patrick Fleischer, ein Mann mit Neonazi-Vergangenheit, wurde in ein Demokratie-Bündnis gewählt und soll in Suhl künftig über Fördergelder für Demokratieprojekte entscheiden. „Dieser Vorgang gefährdet die Glaubwürdigkeit des Bundesprogramms ‚Demokratie leben!’ und die Sicherheit der Engagierten“, warnt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. Mit den Stimmen des Stadtrats wurde am 27. August Fleischer, früher in der NPD aktiv und heute Wahlkreismitarbeiter vom Landtagsabgeordneten Thomas Luhn, in den Begleitausschuss der „Partnerschaft für Demokratie“ berufen. Das sorgt für Empörung und wirft ein Schlaglicht auf fragwürdige Allianzen im Stadtrat.
„Wer dort als Redner auftrat, gehörte zumeist zum Kern der regionalen Neonazi-Szene“
In der Vergangenheit war Fleischer für die NPD in Suhl aktiv. Im Jahr 2013 war er als Redner auf dem „Thüringentag der nationalen Jugend“ in Kahla, vertreten, einer Veranstaltung der NPD und Kameradschaften. Hier forderten die Redner und Teilnehmer*innen eindeutige Solidarität mit dem Neonazi und Unterstützer des mörderischen, rechtsterroristischen NSU-Kerntrios, Ralf Wohlleben.
„Die Neonazi-Veranstaltung, auf der Patrick Fleischer 2013 als Redner in Erscheinung trat, war jahrelang eine der wichtigsten neonazistischen Events in Thüringen“, ordnet Felix Steiner von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (MOBIT), das Event gegenüber Belltower.News ein. Damals seien dort Rechtsrock und neonazistische Politik zusammengekommen. „Wer dort als Redner auftrat, gehörte zumeist zum Kern der regionalen Neonazi-Szene“, so Steiner.
Ein weiterer Redner auf jenem Event war der Rechtsterrorist Martin Wiese. Gekleidet war es laut antifaschistischer Recherche in einem Shirt mit dem Aufdruck: „Heute schon an Hitler gedacht?“ Patrick Fleischer trug damals ein Shirt mit der Aufschrift BZH, das Kürzel des rechtsextremen „Bündnis Zukunft Hildburghausen“. Mittlerweile ist der umtriebige Neonazi Tommy Frenck Kreistagsabgeordneter jenes Wählerbündnisses.
Demokratieförderung und -sicherung durch „Demokratie leben!“
Heute ist Fleischer nicht mehr in der NPD aktiv, sondern in der AfD, einer Partei, die selbst immer wieder durch demokratiefeindliche Positionen auffällt und vielerorts den Ausstieg aus dem Programm „Demokratie leben!“, beziehungsweise „Partnerschaft für Demokratie“, fordert. „Demokratie leben!“ ist das wichtigste Bundesprogramm zur Stärkung von Vielfalt, Teilhabe und zivilgesellschaftlichem Engagement. Städte, Gemeinden und Landkreise können im Rahmen von lokalen „Partnerschaften für Demokratie“ Handlungskonzepte zur Förderung von Demokratie und Vielfalt entwickeln und umsetzen.
„Dieses Programm soll zivilgesellschaftliches Engagement stärken – nicht von Rechtsextremen unterwandert werden. Wenn vertrauliche Daten über Engagierte und Projekte in die Hände von Personen gelangen, die demokratische Werte ablehnen, drohen Einschüchterung und Missbrauch“, warnt Reinfrank. Dass ausgerechnet ein früherer Neonazi nun über die Vergabe dieser Gelder in Suhl mitentscheidet, gefährdet den Anspruch des Programms.
Neben Fleischer traten noch zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen zur Wahl an, wie Niklas Gromeleit (AWO), Heike Dornberger, Anke Geier, und Massuvira Adelino (Evangelische Kirche) und mit Lucas Heubach (FDP) ein weiterer Parteienvertreter. Schon vor der Abstimmung hatte die Linksfraktion gewarnt: Ein Ex-Neonazi und heutiger AfD-Funktionär habe im Demokratie-Gremium nichts verloren. Doch die Mahnungen verhallten.
Mit Unterstützung aus der CDU gewählt?
In geheimer Abstimmung erhielt Fleischer 18 zu 12 Stimmen und zog damit in das Gremium ein. Besonders brisant: Während die elfköpfige AfD/Bürger-für-Suhl-Fraktion mutmaßlich geschlossen, für ihn stimmte, muss er zusätzliche Unterstützung erhalten haben. Kam diese aus den Reihen der CDU?
CDU-Fraktionschef Lars Jähne räumte im Nachhinein gegenüber InSüdthüringen.de ein, der Antrag auf geheime Abstimmung sei „ein Fehler“ gewesen. Doch die Folgen sind fatal: Suhl hat nun einen ehemaligen Neonazi als Mitentscheider über Bundesmittel für Demokratieprojekte.
„Quo vadis, Suhl?“
Besonders dass Heidemarie Schwalbe, seit Jahren zivilgesellschaftlich engagiert in Suhl, nur so wenige Stimmern bekam, sei ein erschütterndes politisches Signal erklärt das Bündnis für Demokratie und Toleranz, gegen Rechtsextremismus: „Die Frau, die seit Jahrzehnten für ein demokratisches und lebenswertes Suhl einsteht. Die Frau, die für ihr Engagement den Demokratiepreis verliehen bekommen hat. Der Stadtrat entschied sich jedoch gegen Heidemarie Schwalbe,“ und für jemanden, der nicht im Entferntesten den Anforderungen des Demokratie-Programms entspreche, heißt es in einer Mitteilung des Bündnisses. „Erschüttert über die Ereignisse der letzten Monate fragen wir uns daher: Quo vadis, Suhl?“
„Die Situation, die nun in Suhl geschaffen wurde, ist hochgradig absurd und gefährlich: Einer jahrelang engagierte Demokratin wird die Mitarbeit in einer geheimen Abstimmung verwehrt und gleichzeitig wird ein ehemaliger Neonazi-Aktivist gewählt, um nun über Demokratieprojekte mitzubestimmen. Das ist unfassbar“, so der MOBIT-Sprecher.
AfD inszeniert sich als Opfer
Wenig überraschend reagierte die AfD mit ihrer üblichen Opfer-Rhetorik. In einer Pressemitteilung schimpfte Kreissprecher Jan Abich über angebliche „Rotfaschisten“ und „ANTIFA-Sympathisanten“, die bestimmen wollten, wer als Demokrat gelte. Damit dreht die AfD die Realität erneut auf den Kopf: Ausgerechnet eine rechtsextreme Partei inszeniert sich als Verteidigerin der Demokratie.
Reinfrank fordert das Bundesministerium zum Handeln auf
Die Wahl Fleischers wirft ein grelles Licht auf die politische Gemengelage in Suhl: Ein Programm, das demokratisches Engagement fördern soll, wird von Kräften unterwandert, die Demokratie über Jahre hinweg bekämpft haben. Der Vorfall wirft die Frage auf, wie ernst es Politik und Verwaltung mit dem Schutz demokratischer Strukturen wirklich meinen.
Timo Reinfrank fordert das Bundesfamilienministerium nun auf, „im Rahmen seiner Rechtsaufsicht sicherzustellen, dass die Förderauflagen eingehalten und rechtsextreme Einflussnahmen verhindert werden.“ Zudem müsse der Oberbürgermeister garantieren, dass das Bundesprogramm entsprechend der Förderrichtlinien umgesetzt und die Zivilgesellschaft entsprechend gefördert wird.


