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Tor Steiner in der dunklen Welt

Seit Jahren beobachtet Bastian Wierzioch als Hörfunkjournalist, wie Rechtsextreme noch die hanebüchenste NS-Ideologie als heilbringende Segnung verstehen und verehren. Das weckte in ihm die Lust, sich das Regime einmal auszumalen, das die Neonazis sich heute als Paradies halluzinieren. Das Ergebnis heißt „Doch dunkel“ und ist sein erster Roman.

 

?Doch dunkel? ist der erste Roman des Redakteurs und Reporters von MDR Figaro, der 2005 für den Beitrag ?Adrian Fischer: deutsch – schwarz ? fremd? über einen 16-jährigen schwarzen Deutschen in der Sächsischen Schweiz mit dem Civis Medienpreis für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa im Bereich Hörfunk ausgezeichnet wurde.

Es ist ein überraschendes Buch, gerade mit diesem journalistischen Hintergrund, denn Wierzioch lässt darin ? eigentlich konsequenterweise – die journalistische Sprache und Erzählweise komplett hinter sich. Andererseits erdenkt er eine Erzählform, die an die Arbeit mit O-Tönen im Hörfunk erinnert. Die Leserin kann hier keine Konsumentin sein, sondern muss sich aktiv die Erzählung erarbeiten ? denn in ?Doch dunkel? wird nicht erzählt, vielmehr befindet sich die Leserin oder der Leser auf magisch-merkwürdige Art im Kopf des Protagonisten Felix Steiner, erfährt dessen Gedanken in einer Spalte und parallel dazu (auch optisch so gesetzt) in der anderen Spalte die Gespräche in der Außenwelt. Der Rest muss selbst kombiniert werden.

Und die Welten, in die Bastian Wierzioch seinen Protagonisten entlässt, liegen in der Zukunft (konkret im Jahr 2030), und da sieht das Leben in beiden Welten, die Wierzioch erdenkt, naturgemäß anders aus: Die ursprüngliche Welt kennt neue Technik, aber ähnliche Individualität, Beziehungs- und Lebensentwürfe wie unsere, wenn sie auch komplett von einem allumfassenden Superkonzern durchdesignt ist (was nicht thematisiert, sondern lediglich dem Lesenden zum Bedenken überlassen wird). Ein Problem hat dieses 2030 allerdings: Vermehrt verschwinden Menschen spurlos. Felix Steiner beschäftigt sich lieber mit Comics, statt darüber zu rätseln, doch dann erwischt es ihn selbst. Er landet in einer faschistisch-totalitär bestimmten parallelen Realität, die von Rassismus und Verfall, Duckmäusertum und Selbstbetrug bestimmt ist ? und in der es ihn ebenfalls gibt, nur als herrischen Familientyrannen mit sinnlosem Job in der Maschinerie des gewalttätigen Staates. Hinzu kommt, dass auch ein brutaler Mehrfach-Mörder von der einen in die andere Welt gefallen ist ? nur dass seine Taten hier sofort rassistisch ?Feindgruppen? des Systems unterstellt werden, selbst wider besseres Wissen, natürlich.

?Doch dunkel? ist ein spannendes Gedankenspiel über das Leben in einer solchen Welt, dem leider ein wenig schnell die existentielle Dramatik genommen wird, weil Felix Steiner bald merkt, dass es weitere Menschen gibt wie ihn ? aus der freieren Welt stammend, bei vollem Bewusstsein im rassistisch-militaristischen Paralleluniversum gefangen ? und sich fortan verständlicherweise darauf konzentriert, diese Welt so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Ich hätte es inhaltlich interessanter gefunden, Steiner noch ein wenig länger in der Welt verweilen zu lassen und ihn zu zwingen, sich mehr als persönlich-spontane Gegenstrategien zu überlegen ? zumal es, hat man sich erst einmal in Wierziochs ungewöhnlichen Schreibstil eingelesen, schade ist, dass die Parabel so schon schnell ?ausgelesen? ist. ?Doch dunkel? ist ein spannender Einstieg eines guten Journalisten in die erzählende Branche.

Bastian Wierzioch:
Doch dunkel.
Plöttner Verlag, 144 Seiten
14,90 Euro

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