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14. Prozesstag Brandanschlag in Solingen – über 166 rechtsextreme Bilddateien

Für den heutigen Verhandlungstag waren ursprünglich neue Erkenntnisse aus den vom Gericht angeordneten Nachermittlungen angekündigt worden. Diese Nachermittlungen waren auf massiven Druck der Nebenklagevertreterin Seda Başay-Yıldız sowie aufgrund eklatanter Mängel in den bisherigen Ermittlungen nachträglich veranlasst worden. 

 
Ein rechtsextremer Täter zündet in Solingen (NRW) ein Wohnhaus an, in dem vor allem migrantische Menschen leben. Ein dreijähriges Kind, ein Säugling sowie ihre Eltern kommen bei dem Anschlag ums Leben. (Quelle: Adalet Solingen)

Die Prozessberichterstattung stammt von Adalet Solingen und wurde dort zuerst veröffentlicht.

Im Fokus standen u.a. die forensische Auswertung von Daniel S.’ Google- und YouTube-Konten, weiterer Internetportale – darunter auch Pornoseiten –, seiner 1,2 GB großen digitalen Cloud sowie der im April 2024 bei der Hausdurchsuchung sichergestellten Festplatten. Başay-Yıldız hatte auf einer davon 166 eindeutig rechtsextreme Bilddateien identifiziert.

Doch gleich zu Beginn machte Richter Kötter klar: Die Auswertungen sind weiterhin nicht abgeschlossen. Zwar habe die Polizei erste Unterlagen übermittelt – diese seien jedoch erst kurz vor Beginn der Sitzung bei der Kammer eingetroffen und konnten von dort lediglich digital an die Nebenklage weitergeleitet werden. Bis dahin hatten nicht alle Prozessbeteiligten Zugriff auf die neuen Informationen. Der Richter ergänzte, dass jener Polizeibeamte, der bereits am 12. April wegen seiner „Ermittlungen“ zum politischen Hintergrund des Täters vorgeladen war, nun auch gebeten worden sei, einzelne Bewertungen in den Nachermittlungen vorzunehmen. Außerdem sei zusätzliches Personal eingesetzt worden, das „mit Hochdruck“ an der weiteren Auswertung arbeite.

Erste Ergebnisse: rechtsextreme Dateien auf Festplatte – neue Namen, offene Fragen

Anders als bei früheren Verhandlungstagen lagen diesmal zumindest detailliertere Arbeitsvermerke der Polizeibeamt*innen vor. Alle polizeilichen Fotos seien inzwischen auf einen USB-Stick übertragen und zur Akte genommen worden. Die Cloud-Auswertung laufe zwar noch, doch zur forensischen Untersuchung der Festplatte konnten erste Inhalte verlesen werden: 166 nationalsozialistische und extrem rechte Dateien sowie 23 weitere seien auf einer der beiden Festplatten gefunden worden.

Einige der gezeigten Bilder sprechen eine erschreckend deutliche Sprache: darunter zutiefst rassistische Memes wie „Bepanthen Sieg- und Heilsalbe“, „Fakt ist, N**** sind nicht die Hellsten“ oder „Nachwuchs statt weitere Zuwanderung“. Die Dateien stammen laut Polizeiangaben aus dem Zeitraum 2017 bis 2019. Teile dieser Dateien wurden laut forensischem Vermerk in einer Datensicherung eines Windows-Betriebssystems gefunden, das auf die Partnerin des Täters, Jessica B., zurückgeführt wurde. Weitere Dateien stammten aus einer Sicherung eines Android-Smartphones und konnten über Bilder und Screenshots einem „Raphael L.“ zugeordnet werden.

Başay-Yıldız reagierte darauf mit Unverständnis: Es sei weder geklärt worden, wer Zugriff auf die Festplatten hatte, noch, welches Verhältnis zwischen Raphael L. und dem Täter besteht. Jessica B. habe bei ihrer Vernehmung angegeben, die Bilder nie zuvor gesehen zu haben. Kötter gab bekannt, dass Raphael L. am 8. Mai 2025 von der Polizei vernommen worden sei. Das Protokoll solle im Laufe des Tages bei den Beteiligten eingehen. Eine Vorladung L.s zu einem der nächsten Prozesstermine sei möglich.

Antrag auf Auswertung der Jobcenter-Akten – Staatsanwalt unterstellt Başay-Yıldız „Meinungsmache“

Wie bereits vor vier Wochen beantragten die Nebenklagevertreter Başay-Yıldız und Radoslav Rodoslavov erneut die Auswertung der Jobcenter-Akten von Daniel S. Ziel ist es, herauszufinden, ob der Täter möglicherweise Gelder für seine Wohnung oder andere Räumlichkeiten beantragt hatte. Hintergrund: Die Wohnung, in der NS-Bücher und andere rassistische Beweismittel gefunden worden waren, wird bislang offiziell dem Vater zugeordnet – und als „nicht bewohnt“ eingestuft – auch wenn dort unter anderem ein aktueller Kalender vorgefunden wurde. Und auf dieser Annahme, dass jegliche rechtsextreme Inhalte dem Vater des Täters oder weiteren Personen aus einem Umfeld zugeschrieben werden können – baut die gesamte Verteidigungsstrategie des Täteranwalts auf.

Nach der Antragsstellung meldet sich zum ersten Mal an diesem Tag der ermittlungsleitende Staatsanwalt zu Wort – und attackierte Başay-Yıldız scharf. Sie betreibe „Meinungsmache“, sagte er, entgegen der „Faktenlage“, die keinerlei Hinweise auf eine politische Motivation des Täters erkennen lasse. Auch die Tat selbst gebe „überhaupt keine Indizien in irgendeine Richtung“ her, so der Staatsanwalt. Es wirkt, dass der Staatsanwalt voll und ganz auf der Linie des Täteranwaltes liegt und seine Meinungsbildung bereits abgeschlossen hat.

Frühzeitiger Verdacht von Rechtsextremismus – handschriftlich aus der Akte gestrichen

Fast beiläufig erwähnt Richter Kötter gegen Ende der knapp 90-minütigen Sitzung ein weiteres bemerkenswertes Detail: Der Kammer liege ein Austausch mit der Polizei Hagen vor, in dem um „strafrechtliche Bewertung“ im Fall Daniel S. gebeten worden sei. Das Landeskriminalamt habe dabei sogar seine Unterstützung im Bereich Terrorismusbekämpfung angeboten.

Noch pikanter: Zu Beginn der Ermittlungen habe tatsächlich ein Verdacht auf eine rechtsextreme Motivation bestanden – festgehalten in einem Vermerk aus dem April 2024. In diesem sei die Tat explizit als „rechts motiviert“ eingestuft worden. Der Vermerk wurde später handschriftlich gestrichen – von wem und auf welcher Grundlage, ist weiterhin unklar. Die Folge: Der Verdacht auf ein politisches Motiv wurde aus der Akte entfernt, und eine entsprechende Einordnung unterblieb.

Den Nebenklagevertreter*innen scheint dieser Vermerk zum Zeitpunkt der Sitzung noch nicht vorzuliegen – möglicherweise war er zu kurzfristig verschickt worden. Am Abend veröffentlichten sie eine Pressemitteilung, in der sie das Verfahren und die Salamitaktik der Ermittlungsbehörden als „Skandal“ bezeichnen:

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