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Faschismus

Faschismus [italienisch zu fascio „Rutenbündel“] der, zunächst Eigenbezeichnung einer politischen Bewegung, die unter Führung von B. Mussolini 1922?45 in Italien die beherrschende politische Macht war und ein diktatorisches Regierungssystem trug; später für alle extrem nationalistischen, nach dem Führerprinzip organisierten, antiliberalen und antimarxistischen Bewegungen, Ideologien oder Herrschaftssysteme, die seit dem Ersten Weltkrieg die parlamentarischen Demokratien abzulösen suchten.

 

Italien: Den ersten „Fascio di combattimento“ (Kampfbund) gründete Mussolini 1919 in Mailand. 1921 wurde die faschistische Partei gegründet (Partito Nazionale Fascista), die von Mussolini als „Duce“ (Führer) autoritär geleitet wurde. Die scharfe Frontstellung gegen den revolutionären Sozialismus und Kommunismus sicherte ihm in der Nachkriegskrise Italiens Anhänger auch in Bürokratie, Armee und katholischer Kirche. Kernorganisation war die militärisch ausgebildete Nationalmiliz (Schwarzhemden), der u. a. die vormilitärische Erziehung oblag, die bereits mit der Balilla begann. ? Auf dem Parteikongress in Neapel (1922) entschloss sich Mussolini zum Staatsstreich; am 28. 10. 1922 traten rund 26 000 Schwarzhemden unter Führung der Quadrumvirn den „Marsch auf Rom“ an; die Regierung wurde gestürzt, Mussolini vom König zum Regierungschef ernannt. Durch Propaganda, rücksichtslosen Machtgebrauch und Terror übernahmen die Faschisten vollständig die Staatsgewalt und beherrschten bald alle Lebensbereiche. Die Mandate der antifaschistischen Opposition („Aventinianer“: bürgerliche Parteien, Sozialisten und Kommunisten) wurden 1926 für ungültig erklärt, die Parteiorganisationen aufgelöst, die Justiz gleichgeschaltet und die Pressefreiheit aufgehoben. Das parlamentarische System wurde durch den Korporativstaat verdrängt (1939), doch behielt die staatliche Organisation gegenüber der faschistischen Partei eine gewisse Selbstständigkeit; der totalitäre Staat verkörperte sich in der persönlichen Machtfülle Mussolinis. Eines der wichtigsten faschistischen Gesetze war die „Carta del lavoro“ (Arbeitsverfassung), die mit diktatorischen Mitteln soziale Fortschritte zu erzielen suchte. Rassistische Vorstellungen übernahm der italienische Faschismus erst im Zuge der engeren Zusammenarbeit mit dem deutschen Nationalsozialismus (Achse Berlin?Rom). Bereits im Spanischen Bürgerkrieg hatte Mussolini gemeinsam mit dem nationalsozialistischen Deutschland interveniert. Im Juni 1940 trat Italien auf deutscher Seite in den Zweiten Weltkrieg ein. Die militärischen Niederlagen führten zum Sturz Mussolinis durch den konservativ-monarchistischen Flügel im „Großrat des Faschismus“ (24./25. 7. 1943). Damit verlor der Faschismus in Italien seine politische Macht. Die im September 1943 in Oberitalien errichtete faschistische „Repubblica Sociale Italiana“ konnte sich bis April 1945 nur mit Unterstützung der deutschen Besatzungsmacht halten.

Allgemein: Die Verallgemeinerung des Faschismusbegriffs von einer zeitlich und national begrenzten Eigenbezeichnung zur Gattungsbezeichnung einer bestimmten Herrschaftsart ist umstritten, besonders für den Nationalsozialismus in Deutschland. Im übrigen Europa gab es in den 1920er- und 1930er-Jahren folgende faschistische Bewegungen: Spanien: Falange; Großbritannien: British Union of Fascists; Frankreich: Action française, Croix-de-feu, Parti Populaire Français; Niederlande: Nationaal-Socialistische Beweging; Belgien: Rexbewegung; Norwegen: Nasjonal Samling; Schweiz: Frontismus; Österreich: Heimwehren; Ungarn: Pfeilkreuzler; Rumänien: Eiserne Garde; Slowakei: Hlinka-Garde; Kroatien: Ustascha. Auslöser waren meist die sozialen und politischen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg und die Furcht vor der seit der russischen Oktoberrevolution 1917 offenen Möglichkeit einer sozialen Revolution. ? Neofaschismus: Als Neofaschismus bezeichnet man Strömungen und Parteien, die nach 1945 an die Tradition des Faschismus anknüpften.

Quelle: Meyers Lexikon online

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| Text aus Meyers Lexikon (Neofaschismus)

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