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Interview Queerfeindliche Angriffe auf Berliner Café

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Die Neuköllner Bar "Das Hoven" wird immer wieder angegriffen. (Quelle: picture alliance/dpa | XAMAX)

„Das Hoven“ ist ein queeres Café in Neukölln. Seit der Eröffnung wird der Laden regelmäßig zur Zielscheibe queerfeindlicher Gewalt. Teilweise mit einem ersichtlich rechtsextremen Hintergrund. Gastronom und Betreiber Danjel Zarte wiederum zeigt sich entschlossen und lässt sich nicht vertreiben.

Belltower.News: Herr Zarte, Was ist „Das Hoven“ für ein Ort?
Danjel Zarte:
Eine Begegnungsstätte – vordergründig für queere Menschen, aber der Ort steht bewusst unter dem Motto „Queer & Friends.“ Alle Menschen, die das Herz am richtigen Fleck haben, sind bei uns willkommen. Auch Menschen, die neugierig sind und Fragen zu Sexualität und Gender haben, sind herzlich eingeladen.

Neben dem „Hoven“ betreiben Sie noch die Darkroom-Bar „Große Freiheit 114“ und die „Kleine Freiheit“ in Friedrichshain, auch zwei queere Bars. Was war die Vision für den dritten Laden?
Ich selbst bin auf dem Dorf groß geworden und kannte solche Orte die ersten 20 Jahre meines Lebens gar nicht. Ich wollte einen Raum für die queere Community schaffen: zum Essen und Trinken, aber auch für Kleinkunst. Ich habe den Eindruck, dass „das Hoven“ ein sehr nachbarschaftliches Café geworden ist, in dem sich die queere Community wohlfühlt – von den Angriffen mal abgesehen.

Seit „das Hoven“ eröffnet hat, wird es queerfeindlich angegriffen. Wie haben die Angriffe den Ort, abgesehen vom Sicherheitsgefühl, verändert?

Wirtschaftlich stehe ich eigentlich kurz vor dem Ruin und jeder Wirtschaftsprüfer würde mir wahrscheinlich sagen, ich sollte schließen. Da bin ich sehr froh, dass ich Freunde habe, die an mich glauben und mich unterstützen. Es ist aber schon so, dass wir allein in den letzten vier Monaten hohe Umsatzeinbußen gemacht haben. Dadurch habe ich wirkliche Existenzprobleme. Das macht auch emotional viel mit mir. Ich bin es gewohnt, dass ich als homosexueller Mann auf dieser Welt nicht willkommen bin, deswegen habe ich auch ein dickes Fell. Ich kenne die Ablehnung der Gesellschaft mein Leben lang. Aber in diesem Ausmaß habe ich das noch nicht erlebt. Ich lebe seit 15 Jahre in Berlin, ich habe mich hier eigentlich immer am sichersten gefühlt und Berlin ist mein Zuhause geworden. Es schockiert mich schon, wie stark sich gerade alles politisch zurückentwickelt.

Hast du mit Angriffen gerechnet als du „das Hoven“ eröffnet hast?
In der „Großen Freiheit 114“ gab es auch immer mal wieder Vorfälle. Aber das Ausmaß ist jetzt ein anderes. Ich habe neulich eine Aufstellung von der Polizei bekommen. Von mir gibt es allein aus den letzten sechs Monaten 34 Strafanzeigen. Eigentlich war ich gerne im Hintergrund. Aber als dann Angestellte von mir zusammengeschlagen wurden, bin ich mit meinem Gesicht an die Öffentlichkeit gegangen und habe damit gezeigt, dass ich die Läden bin. Jetzt gibt es bezüglich meiner Daten eine Auskunftssperre, und von meinem Auto wurden diesen Winter mehrfach die Scheiben eingeschlagen.

Also haben Sie diese Entscheidung direkt zu spüren bekommen.
Ja, aber dazu stehe ich auch. Ich stehe völlig zu meinen Läden. Ich gebe der Stadt beziehungsweise der Politik eine Mitschuld, weil sie die Sicherheit, die der Laden gebraucht hätte, nicht geboten haben. Jetzt habe ich zum Beispiel seit sechs Wochen Objektschutz, aber das kommt zu spät. Die Einbußen sind mittlerweile zu hoch, aber ich möchte nicht aufgeben. Gerade zu diesen Zeiten ist der Laden noch wichtiger als sonst.

Mittlerweile hat sich um den Berliner Queerbeauftragten Alfonso Pantisano ein „Runder Tisch“ gegen queerfeindliche Hasskriminalität formiert. Beteiligt sind rund 30 Leute aus der Verwaltung, der Zivilgesellschaft und der Polizei. Denken Sie, dass sich dadurch etwas ändern wird?
Wir hatten wöchentlich Termine und ich hoffe, dass die Verantwortlichen jetzt einen Leitfaden entwickeln, wie sie mit homophoben Angriffen auf Läden wie „das Hoven“ künftig umgehen. Ich habe die Hoffnung, dass die Behörden aus all dem, was schiefgelaufen ist, lernen. Seit ich an die Öffentlichkeit gegangen bin, scheint es auch mehr politischen Druck zu geben. Ich wünsche mir, dass die Polizei und die Stadt anfangen, proaktiv auf Orte zuzugehen, die angegriffen werden. Also fragen, ob diese Orte Hilfe brauchen und signalisieren, dass sie da sind. Nicht so wie bei mir: Ich wurde ein halbes Jahr lang weggeschickt, wenn ich bei der Polizeiwache war. Es ist schade, dass erst politischer Druck von oben entstehen muss. Seit der da ist, ruft mich quasi jeden Tag irgendeine Polizeiperson an.

Was gibt dir Hoffnung für die Zukunft des Hovens?
Es ist mein Herzensprojekt und das verteidige ich bis aufs Äußerste. Ich bin der Überzeugung, dass das funktionieren wird. Ich erfahre viel Solidarität aus der Nachbarschaft. Wenn jemand draußen laute Stimmen hört, steht mittlerweile innerhalb von drei Sekunden jemand im Laden. Wenn Leute aus der Hausgemeinschaft mit dem Hund gehen und abends noch jemand allein im Café ist, dann wird nachgefragt, ob alles in Ordnung ist. Alle haben da ein Auge drauf. Das ganze Haus ist voller Regenbogenfahnen. Das gibt mir auf jeden Fall Hoffnung. Einige Nachbarn haben auch eine Spendenkampagne initiiert. All das zeigt mir, dass dieser Ort gewollt ist. Das gibt mir Mut. Auch der Support vom Schwuz, vom LSVD und CSD. Wie hoffnungsvoll ich letztlich bin, hängt auch davon ab, wie viel Rechnungen an einem Tag reinflattern. Am Ende bricht mir eher das Finanzamt das Genick, bevor ich irgendwie aufgebe (lacht).

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