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Köln Das armenische Mahnmal soll abtransportiert werden

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An der Spitze des Denkmal symbolisiert ein gespaltener Granatapfel die Verletzungen durch den verdrängten Völkermord in Armenien. Die Inschrift lautet: „Dieser Schmerz betrifft uns alle“. (Quelle: JM)

Alle jahrelangen Pressionen und Drohungen türkischer Geschichtsleugner gegen das Mahnmal schienen vergeblich. Köln zeigte endlich Courage. Doch nun teilt die Stadtverwaltung mit mehr als fragwürdigen Begründungen mit, dass sie das armenische Mahnmal am 24. Mai entfernen lassen möchte.

Die lange (Kölner) Geschichte der türkischen Geschichtsleugner

Seit fünf Jahren tobt in Köln der Kampf um die Erinnerung an den Völkermord. Insbesondere die Kirchen hatten sich seit 2018 für das Mahnmal engagiert. Damals wurde die Skulptur über Nacht auf den Heinrich-Böll-Platz, nahe der Hohenzollernbrücke platziert. Ganz in der Nähe des Denkmals für Kaiser Wilhelm II. Mit Absicht, denn 80 Offiziere des kaiserlichen Heeres sollen am Genozid an den Armenier*innen beteiligt gewesen sein. Die Stadt reagierte schnell und ließ das Mahnmal wieder abtransportieren.

Dies Angst der Kölner Stadtverwaltung vor türkischen Repressionen scheint groß zu sein. Was zählen wenige Tausend Kölner Armenier*innen angesichts einer über 50.000 türkischstämmigen Menschen umfassenden Bevölkerungsanteil und massiven Drohungen nationalistischer türkischer Interessengruppen?

Dass es den Verantwortlichen in der Kölner Stadtverwaltung nicht um Anerkennung, um historische Aufarbeitung oder um Erinnerungskultur geht, sondern um Angst vor antidemokratischen türkischen Geschichtsleugnern, daran kann kein Zweifel bestehen.

Frühjahr 2023: Warnungen des NRW-Verfassungsschutzes vor türkischem Einfluss

Noch im April 2023 warnte der NRW-Verfassungsschutz öffentlich und unmissverständlich vor dem Versuch Ankaras, „sich in politische Debatten einzumischen“, berichtet der Spiegel.

Türkische Regierungsvertreter versuchten insbesondere vor der Präsidentenwahl in der Türkei massiv, „auf Politiker in Deutschland Einfluss zu nehmen“, sowohl auf kommunal- als auch auf Landesebene. Offizielle aus den „Generalkonsulaten in Köln, Düsseldorf, Essen und Münster“ seien insbesondere an bundesdeutsche Politiker mit türkischen Wurzeln herangetreten, um sie zu einem „türkeifreundlichen Verhalten“ zu nötigen. Dies zeige sich insbesondere, „wenn es um den Armenienkonflikt“ gehe, zitiert der Spiegel den NRW-Verfassungsschutzchef.

Dass die vorgeblich liberale und weltoffene Millionenstadt Köln nach dem Druck türkischer und ditib-naher Geschichtsleugner einknickt, ist mehr als beschämend für Köln wie auch für Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Dass diese nun sogar eindeutige Beschlüsse der zuständigen Bezirksvertretung Innenstadt unter Bezirksbürgermeister Andreas Hupke sowie zahlreicher geschichtspolitischer Kölner Institutionen – vom Verein EL DE Haus bis zum Zusammenschluss aller Kölner Kirchen – brüsk übergeht, könnte als schockierend beschrieben werden. Es ist Ausdruck eines vollständigen städtischen Versagens.

In der Lokalpresse, dem KStA, ist das städtische Versagen mehrfach kritisiert worden, insbesondere das zögerliche, ausweichende, auf Zeit setzende Verhalten von OB Reker: Immer wieder, seit 2018, deutete Reker gegenüber der Initiative Anerkennung Jetzt ihr Wohlwollen an, wich aber konkreten Zusagen aus. Vor einigen Monaten teilte sie dann überraschend, mit, dass sie und der Kölner Stadtrat gar nicht für die Genehmigung des Mahnmals zuständig seien. Die Initiative hätte gegenüber der Bezirksvertretung Innenstadt einen offiziellen „Sondernutzungsantrag“ stellen müssen. Die Initiative um den armenischstämmigen Rechtsanwalt Ilias Uyar, stellte daraufhin einen solchen Antrag.

Noch am 25. April rekapitulierte der KStA die langjährige Debatte und ging von einer angemessenen, gütlichen Einigung aus. Die Bezirksvertretung Innenstadt hatte in einer denkwürdigen Sitzung beschlossen, an der allein knapp 100 Kölner Armenier*innen teilnahmen, nach einer intensiven Anhörung und Debatte, dass das Mahnmal Dieser Schmerz betrifft uns alle im Zentrum Kölns stehen bleiben dürfe. Auch die in Köln mitregierenden Grünen hatten sich nach längerem Zögern in einem eindeutigen Beschluss für eine Unterstützung des Mahnmals eingesetzt.

In den Jahren zuvor hatten sich der Grüne Bundesmninister Cem Özdemir sowie die Grüne Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz mehrfach nachdrücklich für das armenische Mahnmal ausgesprochen und dieses sogar vor Ort aufgesucht, zum Beispiel im Mai 2022, nach dem erneuten Abtransport des Mahnmals durch die Stadt Köln.

Insbesondere Özdemir wird seit Jahren wegen seines erinnerungspolitischen Engagements eingeschüchtert und bedroht. All diese jahrelangen zivilgesellschaftlichen und erinnerungspolitischen Engagements interessieren die Stadtverwaltung Kölns erkennbar nicht. Bereits bei den zurückliegenden Abtransporten des armenischen Denkmals im April 2018, im April 2021 sowie im Mai 2022 hatte die Stadtverwaltung Argumente vorgeschoben, die eher hanebüchen anmuteten.

Am 24. Mai möchte die Stadtverwaltung das Mahnmal nun erneut abtransportieren. Die demokratischen Beschlüsse der Bezirksvertretung Innenstadt, der Kölner Grünen sowie die nachdrücklichen Stellungnahmen zahlreicher Kölner Institutionen interessieren sie nicht.

So groß ist offenbar die Angst vor türkischen Druck auch und insbesondere aus dem Umfeld der Kölner Ditib. Die Leiterin des Amtes für Integration und Vielfalt teilte am 19. Mai mündlich mit, die Verwaltung „bestehe auf der Entfernung des Mahnmals am 24. Mai und lehne den Antrag auf Verlängerung der Sondernutzungserlaubnis ab“, so Ilias Uyar in einer Mitteilung: „Die Hohenzollernbrücke solle um einen elf Meter breiten Fuß- und Radweg erweitert werden. Da störe das Mahnmal. Mit Frau Oberbürgermeisterin Reker sei die Entscheidung abgestimmt worden.“ Für den erweiterten Gehweg, der vorgegeben wird, existiert noch nicht einmal ein Bauantrag.

Anfang Mai 2023 veröffentlichte die türkische Tageszeitung Hürriyet einen Beitrag zum Kölner Mahnmal und dokumentiert den koordinierten türkischen Kampf gegen das Mahnmal. Die Zeitung zitiert ein Flugblatt aus dem nahen Umfeld der Kölner Ditib, in dem eine Entfernung des armenischen Mahnmals gefordert wird. Es sei, so heißt es dort, eine „Initiative der türkischen Vereine in und um Köln, die mehr als 50 Nichtregierungsorganisationen vertritt“ vor dem Kölner Dom zusammengekommen, um „unsere Reaktion gegen die Aufstellung eines voreingenommenen und anklagenden Denkmals zu den Ereignissen von 1915 auf der Aussichtsplattform der Hohenzollernbrücke zum Ausdruck zu bringen.“ Das armenische Mahnmal zum Völkermord sei „Ausdruck einer Mentalität, die sich gegen ein Volk richtet, den sozialen Frieden schädigt und Polemik erzeugt. Als solches ist es ein Angriff auf die öffentliche Ordnung und die Kultur der sozialen Versöhnung.“ In diesem geschichtsleugnenden Ton geht es weiter. Zeitgleich drohte Erdogan, um seinen Wahlkampf doch noch zu gewinnen, offen mit einer Ausweisung der noch verbliebenen 100.000 Armenier*innen aus der Türkei. „Ich muss sie nicht in meinem Land behalten“, sagte er in einem Interview mit dem türkischsprachigen Dienst der BBC.

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2018-04-17-armenien

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