Weiter zum Inhalt

Lüge Hitler sei Stalin nur zuvor gekommen

Revisionisten schieben auch Stalin die Kriegsschuld zu: „Mit dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 („Unternehmen Barbarossa“) kam die Hitler-Regierung nur einem unmittelbar bevorstehenden Angriff der Roten Armee zuvor.“ Eine Richtigstellung von:

 

Armin Pfahl-Traughber

Revisionisten behaupten:

„Mit dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 („Unternehmen Barbarossa“) kam die Hitler-Regierung nur einem unmittelbar bevorstehenden Angriff der Roten Armee zuvor. Stalin hatte bereits im Mai 1941 bei einer Rede seine Absichten bekundet, die sowjetischen Truppen marschierten an der Westgrenze auf und – wie nach Öffnung der Archive Anfang der neunziger Jahre bekannt wurde – bestand ein Plan des Generalstabes zum Präventivschlag gegen die Wehrmacht.“

Historische Wahrheit:

Aus den nach dem Kriegsende zugänglichen Dokumenten geht hervor, dass im Zeitraum zwischen Sommer 1940 und Juni 1941 weder Hitler noch die Wehrmachtsführung von Angriffsabsichten Stalins ausging bzw. eine akute direkte Bedrohung Deutschlands durch die Rote Armee angenommen wurde. Selbst die sowjetische Teilmobilmachung und das Aufschließen von Truppen an der Westgrenze interpretierte man als defensive Reaktion auf den deutschen Aufmarsch. Angesichts fehlender subjektiver Bedrohungsgefühle kann denn auch gar nicht von einem Präventivkrieg gesprochen werden. Vielmehr handelte es sich lediglich um eine Propagandabehauptung zur politischen Rechtfertigung des Angriffs auf die Sowjetunion.

Bestand dem gegenüber aber eine sowjetische Angriffsabsicht ohne das Wissen des Hitler-Regimes? Eine immer wieder behauptete diesbezüglich von Stalin angeblich vor Absolventen der 16 Militärkakademien und neun Militärfakultäten ziviler Hochschulen am 5. Mai 1941 bekundete Absicht lässt sich nicht belegen. Über das Ereignis gab es widersprüchliche Aussagen, ein angebliches Dokument steht im begründeten Fälschungsverdacht und ein authentischer Text der Rede liegt nicht vor. Darüber hinaus wäre es auch mehr als nur unwahrscheinlich, hätte Stalin geheime Angriffsabsichten vor einem so großen Publikum offen bekannt.

Aber wie steht es um die Aufmarschpläne der Roten Armee? Sie müssen vor dem Hintergrund des für die sowjetische Außenpolitik typischen hochgradigen Sicherheitsbedürfnisses und der seit Anfang der dreißiger Jahre für die Rote Armee maßgeblichen Strategie offensiver Verteidigung gesehen werden. Im Wissen darum nahm sie damals die deutsche Seite auch nicht als Beleg für Angriffsabsichten wahr. Ein vor einigen Jahren bekannt gewordener Präventivkriegsplan des Generalstabes gegen die Wehrmacht vom 15. Mai 1941 wurde weder von der militärischen noch der politischen Führung autorisiert, geschweige denn in Gang gesetzt. Die Sowjetunion unter Stalin war sicherlich alles andere als eine friedliche Macht, gleichwohl mußte ihr vor dem Hintergrund eigener politischer und militärischer Defizite Angriffsoptionen für den damaligen Zeitpunkt unangemessen erscheinen.

Die Präventivkriegsthese wird mittlerweile nicht mehr nur von rechtsextremistischen Revisionisten, sondern auch von anderen Buchautoren vertreten. Aus unterschiedlichen Gründen, seien es methodische Fehler oder andere politische Absichten, kommen sie ebenfalls zu solchen Auffassungen. Dabei werden die oben genannten Aspekte ebenso ignoriert wie die handlungsleitend wirkende ideologische Begründung für den Krieg, die sich bereits in den frühesten programmatischen Äußerungen Hitlers wie etwa in „Mein Kampf“ findet.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von extremismus.com

Belltower.News macht gemeinnützigen Journalismus, denn wir klären auf und machen das Wissen von Expert*innen zu Antisemitismus, Rassismus und
Rechtsextremismus und allen anderen Themen der Amadeu Antonio Stiftung für alle zugänglich.
Unsere Reportagen, Recherchen und Hintergründe sind immer frei verfügbar und verschwinden nie hinter einer Paywall. Dafür brauchen wir aber auch deine Hilfe.
Bitte unterstütze unseren Journalismus, du hilfst damit der digitalen Zivilgesellschaft!

Weiterlesen

TikTok Tests Ad-free Subscription Service

„Erika“-Marsch Soundtrack für Nazis, Anime-Fans und Rechtsaußen-TikTok

Einst war das Marschlied „Erika“ das Propaganda-Lied der Nazis, heute dient es TikTok-User*innen zur Glorifizierung des Zweiten Weltkriegs und als Untermalung für Anime-Serien, in denen Mädchen auf deutschen Panzern Krieg spielen.

Von
Volkstanz II (verpixelt)

Baden-Württemberg Kinder im Bann völkischer Ideologie

Der völkische „Bund für Gotterkenntnis“ veranstaltet abgeschottete Treffen im „Jugendheim Hohenlohe“ in Baden-Württemberg. Bereits Kinder und Jugendliche werden mit der Ideologie der Antisemitin Mathilde Ludendorff vertraut gemacht.

Von
TTDOT_tit

Through the Darkest of Times Ein Videospiel über den Widerstand im Nationalsozialismus

Videospiele wollen längst mehr sein, als ein reines Unterhaltungsmedium. Zunehmend greifen sie politische Themen und reale, gesellschaftliche Konflikte auf. Das…

Von

Schlagen Sie Wissenswertes in unserem Lexikon nach.