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Rechte Fluthilfe Der nette Nazi von Nebenan

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Auch in Passau steigt der Wasserpegel
Während in Nordrhein Westfalen Rechte die Katastrophe für sich nutzen steigt auch in Passau der Wasserspiegel (Quelle: Privat)

In der Woche des 12. Juli 2021 kam es in Nordrhein-Westfalen zu enormen Regenfällen und Überschwemmungen. In den folgenden Tagen breiteten sie sich auch auf Süddeutschland und Sachsen aus. Die Katastrophe forderte mindestens 166 Todesopfer. Inzwischen geht es vielerorts darum, Betroffene zu versorgen und aufzuräumen. Rechtsradikale, Rechtsextreme und „Querdenker:innen” inszenieren sich dabei als Katastrophenhilfe. Während die einen mehr oder weniger seriös Spenden sammeln, lassen sich andere vor Ort ablichten oder passen ihre Verschwörungsideologien an die jüngsten Ereignisse an. Hinter dem Engagement steckt jedoch kein großes Herz.

Spenden, aber für wen eigentlich?

Finanzielle Hilfe scheinen viele Rechte verteilen zu wollen: Der Telegramkanal „Der Volkslehrer“ des rechtsextremen Videobloggers Nikolai Nerling, ruft zu Spenden auf und gibt dabei unter dem Motto „Volkskraft voraus!“ direkt die private IBAN an. Die Coronaleugnerin Miriam Hope ist dabei weniger erfolgreich: Paypal kündigte ihr kurzum das Konto. Aber weitere Verschwörungsideolog:innen übernehmen ihre Rolle: Der „Querdenker“ Samuel Eckert inszeniert sich als Guerillahelfer und wettert gegen „die Politik“, die „das Volk die Schäden allein beseitigen“ lässt. Über seinen Telegramchannel hatte er zusammen mit „Schwindelarzt“ Bodo Schiffmann mehr als 400.000 Euro gesammelt und damit, so sagt er, ein Baggerunternehmen unterstützt.

Auch die Partie „Die Rechte“ ruft mit dem Slogan „Hoch die nationale Solidarität“ zu Spenden auf und gibt dabei zumindest einen Verwendungszweck an. Jedoch nicht ohne linken Gruppen Instrumentalisierung vorzuwerfen. Gleichzeitig erklären sie, das unterstützte Gebiet sei bereits zuvor vom Hochwasser betroffen gewesen und das „ohne den angeblichen Klimawandel“. Die NPD startet mit „Jugend packt an“ ebenfalls einen Aufruf, genauso wie die rechtsextreme Partei „Der dritte Weg“. Der rechtsradikale Blogger Stefan Raven wird sogar kreativ und überlegt, einfach seinen GEZ-Betrag an Hochwasseropfer zu spenden.

Prominent dabei ist außerdem „NDS Records“, ein rechtsextremes Rap-Projekt aus der Szene rund um die „Identitäre Bewegung”. Die Kommentare in der Spendenübersicht geben dabei einen Hinweis auf die Stoßrichtung. Sven spendet fünf Euro mit dem Kommentar: „Immer weiter, Alle für Deutschland!!!“. Jannik spendet 15 Euro und schreibt: „Vom Volk, fürs Volk“. Eine anonyme Person spendet sogar 100 Euro und kommentiert „Für eine starke Volksgemeinschaft“.

Das rechte Spektrum ist also weitestgehend abgedeckt. Die Slogans der Sammler:innen und Äußerungen von Spender:innen zeigen aber, worum es dabei geht: Während sich „Querdenker“ vor allem als selbstlose Menschen inszenieren, die trotz „Diskriminierung“ auf Grund ihrer Impfgegnerschaft sich aufopferungsvoll um ihre Mitmenschen kümmern, werden Rechtsextreme deutlicher: Der Staat sei zu schwach oder schlichtweg inkompetent. Dem wird eine starke Volkssolidarität gegenübergestellt, die sich durch Patriotismus befeuert.

Anpacken für Deutschland und gegen die Impfungen

Diese Tendenz zeigt sich auch bei besonders engagierten Rechtsextremen, die selbst mit anpacken. Der Neonazi Frank Kraemer ruft auf seinem Instagramkanal mit mehr als 6.000 Abontent:innen dazu auf, ihn zum Spenden verteilen vor Ort zu treffen. Als Treffpunkt ist die Adresse des Neonazis Nico Sch. angegeben. Sein Nickname auf Telegram ist Napalm18: Die Zahlenkombination 18 steht in rechten Kreisen für Adolf Hitler, Napalm war die Brandwaffe, die im Korea- und Vietnamkrieg eingesetzt wurde. Dementsprechend passt auch die Auswahl seiner Profilbilder: Eine Hakenkreuzflagge, das Hollywood-Zeichen, bei dem der Schriftzug mit „Holocaust“ ersetzt wurde, oder auch ein Nazioffizier lassen an dem Empathievermögen der beiden Männer zweifeln. Die Bremer Hooliganband Kategorie C ruft zur gleichen Adresse auf.

Etwas zurückhaltender ist da der AfD-Politiker und Ex-Leutnant Uwe Junge. Er lässt sich vor Ort mit verträumten Blick in die Ferne, dreckverschmiert und in Militäruniform ablichten. Ein Kommentar unter dem Bild lautet: „Auf Solche Führung kann man Stolz (sic) sein. Mein voller Respekt. AfD aber normal“, zusammen mit zwei Deutschlandflaggen und einem blauen Herz.

Die sogenannte Friedensbewegung will lieber gleich eine größere Aktion starten und mietete für den 20. Juli 2021 Busse, um Verschwörungsideolog:innen und „Querdenker:innen” aus Berlin und Leipzig in die Hochwassergebiete zu bringen. Die Polizei scheint wenig begeistert von solchen Vorhaben und löst bereits Demos auf. Dafür wird sie in Telegramchanneln prompt als Terroristenfirma betitelt.

Ähnliches Chaos stiftet der Impfgegner:innen-Verein „Eltern stehen auf“. Diese bezeichnen sich auf Facebook als „offizieller Ansprechpartner/Anlaufstelle für die Kinder in und um #Ahrweiler.“ Nur ist nicht wirklich klar, inwiefern sie offiziell sind, denn die Kreisverwaltung Ahrweiler und der Krisenstab erklärten kurz darauf, dass sie nichts mit der Anlaufstelle zu tun haben. Unter dem Post der Kreisverwaltung tummeln sich beleidigte „Querdenker“ und beschimpfen verärgerte Eltern. Darüber hinaus wurden diverse Telegramchats durch die „Querdenken“-Bewegung und rechte Gruppierungen geschaffen, die Hilfesuchende mit Helfenden vernetzen sollen.

Die da Oben

Unter den Wohlfahrtsrechten kursieren verschiedene Narrative. Ein Teil kommt wieder mal nicht von den Grünen weg und schimpft ironischer Weise auf deren Umweltpolitik: Sie würden Diesel- und Benzinautos verbieten wollen, die in der Krise wichtig für die Rettungsarbeiten gewesen sein. Andere konzentrieren sich lieber auf das Geschlecht und zeichnen ein Bild des besonders männlichen Retters, der durch die vermeintliche Genderideologie aussterben würde.

Attila Hildmann sitzt zwar derzeit in der Türkei, aber auch er will sich nicht nehmen lassen, etwas zur Krise beizutragen. Er ordnet deshalb die Lage ein: „Das Hochwasser wurde künstlich erzeugt durch militärische HAARP-Anlage in Münster. Sie brauchen Katastrophen für Militäreinsatz im Inneren, Vernichtung von Ernten, Hunger und Stromausfälle! Das Militär wird für ‚Delta’ [gemeint ist augenscheinlich die Corona-Variante, Anm. d. Red.] bleiben! Es ist Krieg!“.

Taktische Hilfsbereitschaft

Insgesamt ist die rechte Szene also aktiv und zeichnet ein gefährliches Bild des netten Nazis von nebenan. Schon früher haben Rechte diese Taktik verfolgt. 2002 und 2013 in Sachsen versuchte die NPD bereits mit Fluthilfe Sympathien zu wecken. Die rechtsextreme Partei „Der dritte Weg“ in Berlin zeigte 2016, in welcher Tradition sich die Helfenden bei solchen vermeintlich humanitären Aktionen sehen: Sie warben auf Flugblättern für eine „Deutsche Winterhilfe“ für „deutsche Obdachlose“, die durch die „Asylantenflut“ verdrängt würden. Dieses Konzept ist stark angelehnt an das nationalsozialistische „Winterhilfswerk des deutschen Volkes“, einer Propagandakampagne Joseph Goebbels. Auch der Ex-Vorsitzende der NPD Holger Apfel macht dies deutlich: Er wirbt schon seit Jahren für das Konzept der „seriösen Radikalität“. Natürlich ist es besser, wenn Nazis Flutopfern helfen, statt Menschen zu verprügeln. Doch davon sollte sich niemand täuschen lassen.

 

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