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Rechte Szene Brandenburg: Gefährliche Ruhe zieht Kader an

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Foto: hk

 

Die Fragen beantwortet Anna Spangenberg, Leiterin der Geschäftsstelle des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport.

MUT: Gibt es in Brandenburg Schwerpunkt-Regionen des Rechtsextremismus?

Ein klarer Schwerpunkt ist der Süden Brandenburgs. Dort gibt es enge Kontakte der örtlichen NPD-Kader mit den sächsischen Strukturen. Die Organisation von Veranstaltungen etwa geht über die Ländergrenzen hinweg Hand in Hand. Dann gibt es viele Aktivitäten in der Region um Berlin herum, im sogenannten „Speckgürtel“. Hier wohnen viele NPD-Aktivisten, die neben ihrer Arbeit in Berlin auch vor Ort versuchen sich kommunalpolitisch einzumischen.

Brandenburg kann als das Mutterland der DVU beschrieben werden. Obwohl die DVU in Brandenburg mit sechs Abgeordneten im Landtag sitzt, ist sie derzeit praktisch nicht wahrzunehmen. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass die DVU primär durch ihren Vorsitzenden in München gesteuert wird, hier im Lande aber kaum verankert ist.

Spürbar wichtigste Partei ist derzeit die NPD. Nicht nur das ihre Mitgliederzahlen jährlich steigen, auch die Gründung und Reaktivierung von NPD-Kreisverbänden sind deutliche Zeichen, dass die NPD nach kommunaler Verankerung strebt, um für die Kommunalwahlen 2008 zu kandidieren. Viele ihrer Veranstaltungen richtet sie offensiv auf dieses Thema ein und versucht sich stärker an der öffentlichen Meinungsbildung vor Ort zu beteiligen. Es bleibt zu beobachten, was sich da entwickelt. Dies könnte das Ende des „Deutschlandpaktes“ der DVU und der NPD werden.

Die Kameradschaftsstrukturen ordnen sich derzeit neu, seitdem wichtige Kameradschaften verboten wurden oder sich selbst aufgelöst haben, um einem Verbot zuvor zu kommen. So wurde vor zwei Jahren die Kameradschaften „Hauptvolk“ und „Sturm 27“ aus dem Westhavelland verboten und im letzten Jahr lösten sich drei Kameradschaften im Süden Brandenburgs selbst auf: die „Lausitzer Aktionsfront“, der „Sturm Cottbusser“ und die „Gesinnungsgemeinschaft Süd-Ost Brandenburg“. Diejenigen, die in den Kameradschaften aktiv waren, treten jetzt zum Teil aus taktischen Erwägungen in NPD-Strukturen ein.

Gibt es „lokale Spezialitäten“ der Szene?

Von dem Soldatenfriedhof in Halbe mal abgesehen, kann Brandenburg nicht so sehr als ein rechtsextremes „Aufmarschgebiet“ bezeichnet werden. Im Vergleich zu anderen Bundesländern gibt auch nicht sehr viele rechtsextreme Konzerte. Das liegt zum Einen daran, dass die repressiven Maßnahmen in Brandenburg immens sind und wohl zu greifen begonnen haben – aber auch, dass das Angebot in den benachbarten Bundesländer ausreichend ist und man leicht dort zu Konzerten fahren kann. Allerdings ist auffällig, dass viele NPD-Kader in den letzten Jahren in den Speckgürtel um Berlin gezogen sind – offenbar haben sie den Eindruck, dort ungestört von politischen Gegnern agitieren zu können. Sie betreiben dort Unterstützer-Organisationen der rechtsextremen Szene wie das Deutsche Rechtsbüro. Viele NPD-Kader engagieren sich unauffällig in lokalen Vereinen, um Kontakte zu knüpfen und eventuell eine Kandidatur für die Kommunalwahlen vorzubereiten. Der Bund „Heimattreue Deutsche Jugend“, die Nachfolgeorganisation der Wiking-Jugend, organisiert jedes Jahr Zusammenkünfte in Brandenburg, an dem zum Teil bis zu zweihundert Leute teilnehmen – was kaum öffentlich thematisiert wird.

Welche aktuellen Trends, Strategien beobachten Sie?

Grundsätzlich lässt sich festhalten: Brandenburg ist ein Flächenland mit den entsprechenden demographischen Problemen im ländlichen Raums. Stichworte sind hier: Abwanderung und abnehmende Infrastruktur. Gerade in den „abgehängten“ Regionen entstehen Freiflächen für Nationale, die soziale und kommunalen Themen aufgreifen und damit Punkte machen. So versucht die aufgelöste Kameradschaft „Hauptvolk“ aus dem Westhavelland sich neue Organisationsformen zu geben: z. Bsp. als Fußballverein und nennt sich „Sportsfreunde 06“. Ein NPD-Funktionär hat ihnen einen Zugang zu einer Sporthalle besorgt, in der sie trainieren. Von dort aus melden sie sich für Fußballturniere im ganzen Land an – und die Veranstalter ahnen in der Regel nicht, wen sie sich da auf den Platz holen, und lassen sie gewähren. Und selbst wenn die veranstaltenden Vereine erkennen, dass die „Sportsfreunde 06“ Rechtsextreme sind, lassen sie sie in der Regel teilnehmen, so lange sie keinen Ärger machen. Konzepte für den Umgang mit von Rechtsextremen unterwanderten Vereinen fehlen bisher noch vollständig. Ein anderes aktuelles Beispiel für unauffälliges soziales Engagement in Brandenburg ist Stella Palau, Familienbeauftragte des Bundesvorstands der NPD, Vorsitzende des Rings Nationaler Frauen und Mitglied im Landesvorstand der Berliner NPD. Außerdem ist sie verheiratet mit dem- „nationalen Liedermacher“ und Bundes- NPD- Medienchef Jörg Hähnel. Die Familie wohnt seit einem Jahr in Hohen Neuendorf. Palau hat sich schnell im örtlichen Familienzentrum und im Kinderturnverein engagiert, Mütter-Frühstücke organisiert, Familien beraten. Ihre Kolleginnen ahnten nichts von der politischen Gesinnung. Als diese bekannt wurde, waren nicht nur die anderen Frauen entsetzt. Mit Unterstützung des Mobilen Beratungsteam hat sich dann eine Bürgerinitiative gegründet, die aufklärend in der Kommune und Region aktiv ist. Nach ihrem „Outing“ geht Palau nun offensiv mit der Situation um und gab bekannt in die Kommunalpolitik gehen zu wollen.

Als wie bedrohlich schätzen Sie Rechtsextremismus in Brandenburg derzeit ein und warum?

Ich möchte das Bedrohungspotential von Rechtsextremismus eigentlich nicht überhöhen und den Neonazis zu viel Ausstrahlung zutrauen. Noch fehlen ihnen in Brandenburg Persönlichkeiten. Es wäre allerdings gefährlich, wenn es ihnen gelingen sollte, in „abgehängten“ Kommunen zu punkten und in die Kreistage einzuziehen. Dann bekommen sie das Potenzial, Entwicklungen und demokratische Partizipation zu blockieren, können am Ende gar über die geplanten lokalen Aktionspläne gegen Rechtsextremismus mit entscheiden! Für die potenziellen Opfer rechter Gewalt stellt Rechtsextremismus noch mal eine ganz andere Gefahr dar. Die Zahl registrierter Gewalttaten ist 2006 zwar offiziell gesunken, aber auf sehr hohem Niveau. Im Vergleich zu anderen Bundesländern liegt Brandenburg immer noch am zweiten Platz. Der Trend bei den Angriffen geht deutlich in Richtung Einschüchterung von politischen Gegnern.

Interview: Simone Rafael

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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