Weiter zum Inhalt

Walter Rodney Rassismus als Motor des Kapitalismus

Der Historiker Walter Rodney zeigte in den 1970ern auf, dass Rassismus ein wesentlicher Motor des Kapitalismus ist. Seine Analyse kolonialer Ausbeutung erklärt die Welt von heute und warum rechte Geschichtsverfälschung à la AfD brandgefährlich ist.

 
Symbolbild (Quelle: Unsplash)

Rassismus ist für Walter Rodney kein historischer Zufall, keine Begleiterscheinung, sondern eine tragende Säule des Kapitalismus. Bereits in den 1970er Jahren analysierte der panafrikanische Historiker und Aktivist, wie eng Ausbeutung, koloniale Gewalt und ökonomische Ungleichheit miteinander verwoben sind. Rodney gehört zu den wichtigsten Stimmen des Black Marxism, der den Kapitalismus aus der Perspektive der afrikanischen Diaspora kritisiert und zeigt, wie rassistische Ideologien die globale Ordnung bis heute prägen.

In einer Zeit, in der rechtsextreme Akteure koloniale Verbrechen verharmlosen und rassistische Narrative normalisieren, sind Rodneys Warnungen aktueller denn je.

Walter Rodney (1942–1980) zählt zu den einflussreichsten panafrikanischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Er verband historische Analyse mit politischem Engagement wie kaum ein anderer. Geboren in Guyana, ausgebildet an der University of the West Indies und an der SOAS in London, forschte und organisierte er in Afrika, der Karibik und Europa.

Sein Hauptwerk How Europe Underdeveloped Africa von 1972 stellte die koloniale Geschichtsschreibung auf den Kopf. Rodney zeigt darin, dass Afrika nicht „unterentwickelt“ war, sondern bewusst und systematisch unterentwickelt wurde, durch koloniale Herrschaft, wirtschaftliche Ausplünderung und eine rassistische Ideologie, die diese Gewalt legitimierte.

Rodney gilt als zentrale Figur des Black Marxism, weil er die marxistische Klassenanalyse erstmals konsequent mit den Realitäten von Kolonialismus, Sklaverei und Anti-Schwarzem Rassismus verknüpfte. Sein politisches Engagement führte zur staatlichen Repression; 1980 wurde er unter bis heute ungeklärten Umständen ermordet. Einige Anhänger*innen gehen von einem politischen Attentat aus.

Sein Vermächtnis: Rassismus ist keine Randerscheinung kapitalistischer Systeme – er ist ein Werkzeug ihrer Stabilisierung.

Black Marxism erweitert die klassische marxistische Theorie um jene Dimensionen, die lange ignoriert wurden: Kolonialismus, Rasse, Diaspora, Sklaverei. Diese Denkrichtung analysiert, wie Rassismus genutzt wurde, um globale Arbeits- und Ressourcenverhältnisse herzustellen, die bis heute fortwirken.

Rodney  untersucht die Wechselwirkungen zwischen Rassismus und Kapitalismus und argumentiert, dass die Unterdrückung Schwarzer Menschen untrennbar mit der kapitalistischen Weltordnung verbunden ist. Unsere kapitalistische Weltordnung wäre ohne rassistische Abwertung nie entstanden. Walter Rodney zeigt, wie diese Verbindung während der Kolonialzeit entstand, als die wirtschaftliche Ausbeutung Afrikas eng mit rassistischen Ideologien verknüpft wurde, die die afrikanische Bevölkerung als „minderwertig“ darstellten, um ihre Marginalisierung zu rechtfertigen und um so Gewalt gegen Schwarze Menschen zu rechtfertigen.

Marxismus und was Black Marxism daran kritisiert

Die traditionelle Klassenlehre nach Marx basiert auf zentralen Konzepten wie dem Klassenkampf, der Annahme, dass die Geschichte durch Konflikte zwischen den Klassen vorangetrieben wird (Proletariat vs. Bourgeoisie), dem historischen Materialismus, der den Fokus auf die ökonomischen Grundlagen gesellschaftlicher Strukturen legt, und der Dialektik, die Veränderungen in Gesellschaften als Ergebnis von Widersprüchen und Konflikten erklärt. Laut Marx ist Kapitalismus ein System, das Ungleichheiten produziert, indem es die Arbeitskraft der Arbeitenden ausbeutet und Profit generiert. Black Marxism hat sich als Erweiterung und Kritik am traditionellen Marxismus entwickelt, da dieser die Rolle von Rasse und Kolonialismus in der kapitalistischen Ausbeutung überwiegend ignorierte.

Walter Rodney argumentiert, dass die kapitalistische Unterdrückung nicht nur auf Klassenkampf beruht, sondern auch auf der rassistischen Hierarchisierung, die Menschen afrikanischer Herkunft systematisch entmenschlicht hat. Der Kapitalismus habe demnach von Beginn an auf einer rassistischen Spaltung beruht, die Nicht-weiße Menschen systematisch entmenschlichte. Rodney zeigt, dass der Kapitalismus in Verbindung mit kolonialer Ausbeutung auf eine doppelte Unterdrückung setzte, die rassistisch und ökonomisch ist, um maximale Profite zu sichern. Ziel von Black Marxism ist es, diese Verflechtungen aufzudecken und die Perspektiven marginalisierter Gruppen an die Oberfläche zu bringen und den Diskurs zu starten.

Kolonialismus als Methode: Wie Europa Afrika unterentwickelte

Rodney beschreibt in „How Europe Underdeveloped Africa“, wie koloniale und kapitalistische Praktiken Afrikas wirtschaftliche und soziale Strukturen systematisch zerstörten. Er verbindet marxistische Betrachtung mit einer postkolonialen Perspektive, um die spezifische Situation Afrikas darzustellen.

Er beschreibt Kolonialismus als eine zentrale Strategie, mit der europäische Mächte Afrika wirtschaftlich unterentwickelten. Afrikas Ressourcen wurden geplündert, um den Reichtum Europas zu sichern, während koloniale Verwaltungen die lokale Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur bewusst unterdrückten, um Abhängigkeiten zu schaffen. Rodney zeigt detailliert, wie die koloniale Kontrolle Afrikas systematisch die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents behinderte. Er stellt dar, dass die Wirtschaftspolitik, wie zum Beispiel Plantagenwirtschaft und Rohstoffabbau, Afrikas Reichtum direkt nach Europa transferierte, während afrikanische Gesellschaften in Armut zurückblieben.

Arbeiter*innen wurden unter unfairen Bedingungen ausgebeutet, was die Entwicklung sozialer und wirtschaftlicher Strukturen auf dem Kontinent nachhaltig erschwerte. Rodney verdeutlicht, dass diese historischen Prozesse nicht nur Afrikas Gegenwart geprägt haben, sondern auch weiterhin globale Machtstrukturen und Ungleichheiten beeinflussen. Black Marxism setzt genau an diesen Schnittstellen von Rassismus, Kapitalismus und Kolonialismus an, um diese Mechanismen kritisch zu betrachten.

Die Relevanz von Black Marxism ergibt sich aus seiner Fähigkeit, die historischen Ursprünge sozialer Ungleichheiten zu analysieren und aufzuzeigen, wie diese Ungleichheiten heute weiterbestehen. Rodney argumentiert, dass der Kapitalismus nicht nur ein wirtschaftliches System, sondern auch ein Werkzeug der sozialen Kontrolle war, das die Klassen- und Rassenhierarchien aufrechterhielt. Ganz besonders wichtig ist es, das heute zu erkennen und zu verstehen, wie struktureller Rassismus und wirtschaftliche Ungleichheit verflochten sind. So kann es  nicht untergehen, wenn AfD-Politiker koloniale „Härten“ verharmlosen und Migration als „Überfremdung“ diffamieren.

Warum Rodneys Analyse heute politisch brisant ist

Die AfD relativiert genau diese rassistisch-kapitalistischen Zusammenhänge vor denen Rodney warnte. Sie verharmlost nicht nur den Völkermord an den Herero und Nama, sondern auch den systematischen Ressourcenraub Afrikas. Im Afrikapolitik-Antrag der AfD von 2024, verbreitet die rechtsextreme Partei ein koloniales Weltbild in modernem Gewand. Die Partei behauptet etwa, der Kontinent Afrika sei hauptsächlich Rohstoffquelle, Absatzmarkt und Migrationspuffer. Sie fordern das Ende der sogenannten „Schuldpolitik“, welche die Kolonialverbrechen und Klimaschuld beinhalten. Außerdem sei die  Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte überflüssig.

Laut der AfD sei das Konzept der Entwicklungshilfe gescheitert und korruptionsfördernd. Weniger Zuschüsse, mehr private Investitionen und marktwirtschaftliche Kooperation sind ihr Ansatz. Feministische, menschenrechts- und klimapolitische Ansätze sollen gestrichen werden und durch rohstoff-, sicherheits- und interessengeleitete Strategien ersetzt werden.

Damit reproduziert die AfD genau jene rassistisch-kapitalistische Logik, die Rodney analysiert hat: Afrika wird entpolitisiert, ökonomisiert, kolonialisiert und Schuld umgedeutet. AfD-Narrative rechtfertigen Rassismus und letztendlich auch Kolonialraub. Wer heute von „Überfremdung“, „Schuldpolitik“ oder „gescheiterter Entwicklungshilfe“ spricht, reproduziert die Rhetorik, die koloniale Ausbeutung einst moralisch rechtfertigte.

Walter Rodney erinnert uns daran, dass Rassismus kein Zufall, sondern ein System ist. Ein System, das den Kapitalismus strukturiert, Ungleichheit produziert und globale Machtverhältnisse stabilisiert. In Zeiten, in denen rechtsextreme Akteure historische Gewalt relativieren, ist seine Analyse nicht nur Theorie, sie ist eine politische Warnung.


Walter Rodney solidarisierte sich klar mit antikolonialen Befreiungsbewegungen, was dazu führte, dass er Israel überwiegend als koloniales Projekt betrachtete und die spezifische historische Verletzlichkeit des jüdischen Staates kaum berücksichtigte, eine Leerstelle, die in seinen Analysen heute kritisch ergänzt werden muss.

Belltower.News macht gemeinnützigen Journalismus, denn wir klären auf und machen das Wissen von Expert*innen zu Antisemitismus, Rassismus und
Rechtsextremismus und allen anderen Themen der Amadeu Antonio Stiftung für alle zugänglich.
Unsere Reportagen, Recherchen und Hintergründe sind immer frei verfügbar und verschwinden nie hinter einer Paywall. Dafür brauchen wir aber auch deine Hilfe.
Bitte unterstütze unseren Journalismus, du hilfst damit der digitalen Zivilgesellschaft!

Weiterlesen

DSC01264

Preis gegen Rassismus Dessau Afro Festival gewinnt Amadeu Antonio Preis 2025

Die Amadeu Antonio Stiftung würdigt Initiativen, die sich im ländlichen Ostdeutschland engagieren. Angesichts zunehmender rechter Mobilisierung richtet der Preis seinen Fokus neu aus.

Von
shutterstock_2409151473

Stadtbild Warum die AfD über diesen Rassismus jubelt

Friedrich Merz wird für seine rassistische „Stadtbild“-Aussage heftig kritisiert – auch aus den eigenen Reihen. Er weigert sich aber, sich dafür zu entschuldigen.

Von
schoolbusrassismus

USA Das neue Schreckgespenst der Republikaner – die Critical Race Theory

Schwerpunkt Rassismus: Konservative Medien und Aktivist:innen verbünden sich in den USA gegen das, was sie für eine neue Bedrohung für…

Von

Schlagen Sie Wissenswertes in unserem Lexikon nach.