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Warum ich das nicht mehr hören will! „Zecke“

Wer kennt das nicht: „Das meinte ich doch nicht soo…“ oder „Sei doch nicht so empfindlich…“. Gerade unter Jugendlichen – aber nicht nur dort – ist der Umgang mit Sprache oft unachtsam. Da werden Schimpfwörter über den Schulhof geschmettert und in Redewendungen rassistische Stereotypen bedient, ohne darüber nachzudenken. Oft ist den Betreffenden auch nicht klar, wo das Wort eigentlich herkommt. Oder Beschimpfungen werden gezielt ausgesprochen, um dem Gegenüber klar zu machen, dass man ihn für minderwertig hält. Von dort ist es oft nur noch ein kleiner Schritt zu konkreten Taten.

 

Netz gegen Nazis hat zu diesem Thema eine Serie erstellt: ?Warum ich das nicht mehr hören will!? Hier geht es nicht darum, Schimpfwörter zur Diskussion zu stellen, sondern Menschen, die nicht darüber hinweg hören wollen, die Gelegenheit zu geben, zu erklären warum. Denn wie der deutsche Schriftsteller Victor Klemperer in seinen ?Notizen eines Philologen? schrieb: ?Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.?

Alice Luda, Kneipenbesitzerin vom „Franken“, Berlin-Kreuzberg

„Zecken sind etwas unheimliches ekliges, deswegen würde ich das Wort „Zecke“ eher auf die Anderen beziehen, die Rechten, weil die eher eklig sind. Mit dem Wort kann man eigentlich keinen Menschen betiteln, das ist widerlich. Ich verstehe darunter etwas, das sich irgendwo anhaftet und etwas ausbeutet.

Ich verstehe gar nicht, mit welchem Argument Nazis das gegen Linke oder Punker benutzen. Linke nutzen niemanden aus, im Gegenteil. Das machen ja eher die Rechten.

Ich bin durch und durch Punker. Ich mache, was ich will, tue keinem weh damit, lebe nach meinen Maßstäben. Ich liege der Gesellschaft nicht auf der Tasche. Ich habe hier meine Kneipe, lebe davon und tue der Gesellschaft sogar etwas Gutes damit. Wir machen korrekte Preise, das ich ein netter Laden. Er ist dafür bekannt, dass es ein linker Laden ist, das heißt, es ist auch so eine Art Treffpunkt. Das gibt es jetzt seit 22 Jahren und es ist schon eine Art Institution. Es ist nicht schön, aber authentisch. Man soll sich hier wie Zuhause fühlen.

Nazis trauen sich hier nicht hin. Vielleicht einmal in fünf Jahren passiert es, dass sich hier welche hin verirren. Wenn sie nicht von mir erkannt werden, werden sie von den Gästen erkannt und werden dann entsprechen raus geworfen.

Wenn mich jemand als „Zecke“ bezeichnet, entgegne ich: Ich geh niemanden auf die Nerven, ich sauge kein Blut. Die Bezeichnung von Menschen als Parasiten hat ja auch noch den fiesen Beigeschmack von den Nationalsozialisten, die so genannte nicht-arische Menschen so bezeichneten. Dabei haben sie mit ihrem Krieg die Menschen ausgeblutet.

Hintergrund: Wo kommt das Wort eigentlich her?

„Zecke“ ist eine abwertende Bezeichnung für politisch links Stehende und Angehörige der Punk-Szene, die bevorzugt von Angehörigen der rechtsextremen Szene gebraucht wird.

Auch Rechtsrocker diskreditieren mit diesem Wort immer mal wieder gern Punks und Linke: Die Zillertaler Türkenjäger empfahlen 1997 gegen „Zecken“ würden nur „Tritte in die Schnauze“ helfen. Senfheads entmenschlichten Punks 1997 als „linke Parasiten“ und Leitwolf sangen 1998: „Hey, Du scheiß Zecke ? Verrecke!“

Der Vergleich mit Insekten im speziellen mit Parasiten hat eine schlimme Tradition: Die Nationalsozialisten hetzten unter dem immer wiederkehrenden Topos des „Parasiten“ als (Volks-)Schädling gegen Juden und überhaupt alle diejenigen, die sie als „nicht-arisch“ stigmatisierten.

Aufgezeichnet und erstellt von Pamo Roth.

| Teil 1 Warum ich das nicht mehr hören will!
Petra Rosenberg zu „Zigeuner“

| Teil 2 Warum ich das nicht mehr hören will!
Abini Zöllner zu „Neger“

| Teil 3 Warum ich das nicht mehr hören will!
Mark Terkessidis, Erfinder der Wortschöpfung ?rassistisches Wissen? zu „Kanake“

| Teil 4 Warum ich das nicht mehr hören will!
Die Kommunikationswissenschaftlerin Hong Nga Nguyen Vu zu „Fidschi“

| Teil 5 Warum ich das nicht mehr hören will!
Der Arzt Heiko Jessen zu dem Wort „Schwuchtel“

Zum Thema:

| Opferperpektive: Rechte Gewalt in Brandenburg

| Informationsportal gegen Rechtsextremismus für Demokratie

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