Die Prozessberichterstattung stammt von Adalet Solingen und wurde dort zuerst veröffentlicht.
15. Juli 2025: Am 18. Verhandlungstag werden gleich drei Personen als Zeug:innen befragt: Jessica B., die Partnerin vom Täter Daniel S., seine Ex-Partnerin Luisa Maria P. sowie Alexander S., der ehemalige Vermieter von Jessica B. aus der Normannenstraße in Wuppertal. Außerdem beantragt die Nebenklagevertreterin Seda Başay-Yıldız, dass die Ermittlungen bzw. Auswertungen der Datenträger an eine bislang unbeteiligte Polizeibehörde oder an das Landeskriminalamt NRW abgegeben werden. Darüber hinaus beantragt sie, den wesentlich länger als geplant andauernden Prozess für drei Wochen zu unterbrechen, da weder sie noch Nebenklagevertreter Fatih Zingal an den finalen Prozessterminen teilnehmen können. Dies hatten sie bereits vor Längerem angemeldet. Staatsanwalt Christopher Bona lehnt alle Anträge ab. Es wäre ein weiterer Schlag ins Gesicht für die Eltern der Ermordeten sowie die Überlebenden des Anschlags, wenn Başay-Yıldız und Zingal ihre Schlussplädoyers nicht vor Gericht halten könnten. Daneben stellt der geladene Brandsachverständige seine Einschätzungen zum Brand in der Normannenstraße am 5. Januar in Wuppertal vor. Sein Fazit: Es handele sich eindeutig um Brandlegung, während es nicht nachvollziehbar sei, warum die Polizei von einem Kabelbrand ausgegangen ist.
Flurfunk in lockerer Stimmung: Jessica B. und Verteidiger Marc Françoise verstehen sich überraschend gut und unterhalten sich über „die Antifa“
Zum Beginn des 18. Verhandlungstags wird Jessica B., die Partnerin von Täter Daniel S. geladen. Bereits vor ihren Aussagen fällt ein ungewöhnlich lockeres Verhältnis zwischen ihr und dem Verteidiger Marc Françoise auf. Auf dem Gerichtsflur unterhalten sich die beiden vertraut, es ist der Gesprächsfetzen „…die Antifa hat ja so einen Artikel gemacht…“ zu hören. Dies wirft die Frage auf, inwiefern die Aussagen von Jessica B. vor Gericht mit der Verteidigung von Daniel S. abgestimmt sein könnten – denn ihre Ausführungen stehen im Widerspruch zu Aussagen einer Nachbarin.
Zur Tatnacht am 5. Januar 2022 befragt gibt B. an, dass Daniel S. gegen Mitternacht zu ihr ins Bett gekommen sei. Sie habe ihn nicht danach gefragt, warum er für das Abholen von einigen Bildern und Lampen aus ihrer Wohnung in der Wuppertaler Normannenstraße so lange gebraucht hätte, und gibt weiter an, auch nichts Ungewöhnliches bemerkt zu haben. Kurze Zeit später sei sie wieder eingeschlafen. Sie habe Daniel S. nicht näher damit konfrontiert, dass er entgegen ihrer Absprachen über Stunden nicht erreichbar gewesen sei. Am Morgen des 6. Januar nach der Brandlegung in der Normannenstraße habe Daniel S. ihr einen Online-Bericht zum Brand auf seinem Handy gezeigt, ohne Kommentar zu seiner eigenen Beteiligung. Im Wortlaut sagte sie dazu: „Ich habe mir dabei nichts gedacht, ich wusste ja nichts über seine Feueraffinität”.
Harte Aussagen einer Nachbarin: Hat Jessica B. doch gewusst, dass Daniel S. den Brand in der Normannenstraße gelegt hat?
Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Jessica B, da eine vor Gericht vorgelesene Aussage einer Nachbarin ganz anders klingt: Die bislang nicht vor Gericht geladene Nachbarin sagte in der Vergangenheit bei der Polizei aus, dass Jessica B. sich ihr anvertraut habe und ihr mitgeteilt habe, dass Daniel S. die Tat vor ihr gestanden hätte. Sie habe ihn auch dazu gedrängt, noch am Tag der Brandlegung schnell die letzten Sachen aus der Wohnung zu holen: „Ich hoffe du startest, alles anderes wäre völlig überzogen für das was du vorhast. Love you anyway!“
Desweiteren habe die Nachbarin davon berichtet, dass Jessica B. ihr davon erzählt habe, „was der Daniel alles für Betrügereien gemacht hat”. Und weiter: „Sie hat ihn darauf [auf den Brand] angesprochen, er hat es zugegeben”. Daraufhin habe Jessica B. zu Daniel S. gesagt: „Mach sowas nie wieder, da könnten Menschen sterben.“ Bei der Konfrontation mit diesen Aussagen sagt Jessica B. vor Gericht, dass die Nachbarin da etwas falsch verstanden habe, doch auf Nachfrage räumt sie ein, ein gutes Verhältnis zur Nachbarin gehabt zu haben und sich teilweise von ihr getröstet gefühlt zu haben – von einer Freundschaft wolle sie dennoch nicht sprechen. Damit ist kein Motiv erkennbar, warum die Aussagen der Nachbarin über Jessica B. und Daniel S. nicht wahrheitsgemäß sein sollten. Jessica B. schildert weiter, dass es bereits vor dem Einzug von Daniel S. in ihre Wohnung in die Normannenstraße zu Nachbarschaftskonflikten gekommen war – vor allem aufgrund lauter Musik und eines Nachbarn, der sich vermeintlich „zum Hausmeister aufgespielt” habe.
Auf Nachfrage von Richter Kötter erklärt Jessica B., dass sie Schlüssel zu Wohnung und Keller gehabt habe und es möglich gewesen sei, durch eine Tür zur Straße hin von außen in den Keller zu gelangen. Dies war nach Aussagen eines Überlebenden und Bewohner des Hauses (vgl. Sitzung 16) zwar in der Vergangenheit möglich, wenige Wochen vor dem Brandanschlag wurden jedoch die Schlösser der Kellertür ausgetauscht, wodurch ein wichtiger Fluchtweg am Abend des 5. Januar 2022 verhindert worden war. Dieser offensichtliche Widerspruch wurde in der Verhandlung nicht weiter aufgegriffen.
Extremer Drogenkonsum und rassistische Aussagen: Jessica B. und eine Nachbarin geben Einblicke in den Alltag von Daniel S.
Jessica B. beschreibt den Drogenkonsum von Daniel S. als „extrem”: Er sei lange wach und nachtaktiv gewesen, habe aber auch tagelang nur geschlafen und sich bei Erledigungen häufig total verzettelt. Er habe oft nicht still sitzen können und auch am Tag des Brandes bereits am Mittag Amphetamin konsumiert. Zwar habe sie ihm geraten, das zu lassen, es habe jedoch keinen Streit darüber gegeben, da sie das nicht als Hauptproblem in der Beziehung gesehen habe. Auf die Frage, ob sich Daniel S. Verhalten nach dem Brand verändert habe, berichtet sie, dass er drei Tage lang geschlafen habe – dies sei allerdings auch zuvor bereits vorgekommen.
Başay-Yıldız konfrontiert Jessica B. mit weiteren Angaben der bereits zuvor zitierten Nachbarin. Diese habe bei der Polizei ausgesagt, dass Daniel S. im Garten laut NS-Musik gehört habe. Von ihr darauf angesprochen, habe er gesagt: „Das hat damals funktioniert, das geht auch nochmal“. Darüber hinaus habe er auch mal gesagt, dass man in Oberbarmen kaum noch auf die Straße könne, weil es zu viele Ausländer gäbe. Jessica B. gibt daraufhin an, davon nichts mitbekommen zu haben. Ob dies glaubhaft ist, bleibt offen.
Der Vermieter der Wohnung in der Normannenstraße kann nicht viel zur Brandursache sagen
Nach Jessica B. wird Alexander S. befragt, der Eigentümer der Wohnung in der Normannenstraße und damalige Vermieter von Jessica B. Er habe die Wohnung Anfang 2021 gekauft, als sie dort bereits gewohnt hat. Die Miete sei unregelmäßig gezahlt worden, direkten Kontakt zu ihr habe er nie gehabt, sondern nur über die Hausverwaltung. Daniel S. war ihm nicht bekannt.
Beschwerden im Haus seien ihm erst nach dem Brandanschlag über die Hausverwaltung zugetragen worden. Nach dem Brand standen die Fenster in der Wohnung von Jessica B. über Tage offen, woraufhin die Wohnungstür aufgebrochen wurde. Dabei zeigte sich, dass die Wohnung in einem Zustand war, der an ein „Mietnomadenverhältnis“ erinnert habe. Nach einer schriftlichen Kündigung der Wohnung durch Jessica B. sei jeglicher Kontakt zu ihr abgebrochen, die Schlüssel habe er nie gesehen. Über den Brand sei Alexander S. von der Hausverwaltung informiert worden. Als Grund wurden ihm veraltete Elektroinstallationen im Keller genannt, die nach dem Brand erneuert worden seien. Von der Polizei hingegen sei er zu keinem Zeitpunkt kontaktiert worden.
Wegen mangelnder Neutralität beantragt Seda Başay-Yıldız die Abgabe der Ermittlungen an eine unbeteiligte Polizeibehörde
Başay-Yıldız kritisiert die Polizei Wuppertal scharf für ihre schwerwiegenden Mängel und Rechtsverstöße im Ermittlungsverfahren. Zum einen wurden Beweismittel, die bei der Durchsuchung des Hauses des Angeklagten gefunden wurden, rechtswidrig zurückgehalten. Zum anderen wurde ein Vermerk vom April 2024, der den Brandanschlag des 25. März 2024 als rechtsmotivierte Tat eingestuft hatte, im Nachhinein handschriftlich abgeändert und ebenfalls zurückgehalten. Dieser Vermerk wurde dem Gericht erst durch eine Intervention des Innenministeriums NRW im Laufe des aktuellen Verfahrens überhaupt bekannt. Başay-Yıldız betont, dass die Polizei Wuppertal nicht das Recht habe auszuwählen, welche Unterlagen zur Verfahrensakte gelangen und welche nicht, sondern diese vollumfänglich bereitstellen müsse – was nicht geschehen ist. Darüber hinaus wurden zahlreiche Datenträger von ihr über ein Jahr lang nicht ausgewertet, was erst jetzt geschehen ist und deutliche Hinweise auf weitere Brandstiftungen durch Daniel S. geliefert hat.
Fragwürdige Bewertungen und ein weiterer Fall vorenthaltener Akten machen Kriminalhauptkommissar Böttcher unglaubwürdig
Die Arbeit von Kriminalhauptkommissar Böttcher von der Abteilung „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ wird von Başay-Yıldız sehr kritisch gesehen. Dieser habe die Aufrufe von rechtsextremen Internetseiten, Videos und rechten bis nationalsozialistischen Liedern durch Daniel S. stets verharmlost und als „geschichtliches Interesse“ oder als „zeitgemäßen Schlager” interpretiert und viele dieser Aufrufe wie folgt bewertet: „Nicht jeder Konsument rechter Propaganda hat ein rechtes Weltbild”. Die Başay-Yıldız verweist auf einen vergangenen Fall, in dem gegen Böttcher der Vorwurf erhoben wurde, Beweismittel vorenthalten und sehr zaghaft gegen Rechtsextreme ermittelt zu haben. Dabei beruft sie sich auf einen öffentlich zugänglichen Prozessbericht aus dem Jahr 2015, wonach dem damaligen Staatsanwalt in einem laufenden Verfahren eine Akte mit belastendem Chatmaterial über lange Zeit nicht bekannt gewesen sei. Auch hier waren die Täter rechtsextrem und das Opfer mit Migrationshintergrund.
Mit ihren zahlreichen Verfehlungen habe die Polizei Wuppertal das Vertrauen in die Integrität staatlichen Handelns und das Gewaltmonopol des Staates beschädigt. Damit beantragt Başay-Yıldız, dass die Ermittlungen bzw. Auswertungen der Datenträger an eine bislang unbeteiligte Polizeistelle bzw. an das Landeskriminalamt NRW abgegeben werden, da eine faire und unparteiische Aufklärung durch die Polizei Wuppertal nicht gewährleistet werden könne. In einem weiteren Antrag fordert Başay-Yıldız, das laufende Verfahren um drei Wochen zu unterbrechen, da die nachgereichten Beweismittel aus den bisher nicht ausgewerteten Datenträgern extrem umfangreich sind und die Nebenklageanwält:innen mehr Zeit zur Einarbeitung benötigen, u.a. auch wegen einem bereits frühzeitig angekündigten Urlaub.
Staatsanwalt Christopher Bona geht in die Offensive
Staatsanwalt Christopher Bona kann bereits während des Vortrags von Başay-Yıldız seine Emotionen nur schwer verbergen. Er sieht in den Begründungen zu ihren Anträgen ein wiederholtes „einbashen auf die Polizei”, welches „nicht aus objektiv nachvollziehbaren Gründen” geschehe. Darüber hinaus warf er ihr vor, die Abgabe der Ermittlungen an eine unbeteiligte Polizeistelle nur deshalb zu beantragen, weil ihr das Ergebnis der Polizei Wuppertal nicht passen würde. Dass Böttcher, trotz „sachlicher und nachvollziehbar Bewertung” namentlich „angefeindet” würde, sei für ihn nicht nachvollziehbar und „geschmacklos“. Und dass ein „Antifa-Blog” Başay-Yıldız als Quelle erwähnt hat, „setze dem Ganzen noch die Krone auf”. Weiter führte er aus, dass die AfD die zweitstärkste Partei in Deutschland sei und es normal sei, sich mir ihr auseinanderzusetzen – demzufolge sei es kein Ausdruck einer rechten Gesinnung, dass Daniel S. viele rechte Inhalte teils wiederholt aufgerufen habe. Inhaltlich nimmt er zu ihrer sehr ausführlichen Begründung allerdings keine Stellung.
Auch den zweiten Antrag lehnt Bona mit der Begründung ab, dass ein Aufschub um drei Wochen den Prozess weiter verzögern würde und nicht mit dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung zu vereinbaren sei. Die im Zuge der Nachermittlungen nachgereichten Beweismittel aus den bisher nicht ausgewerteten Datenträgern im Umfang von 2 Terabyte, die erst am 11. Juli, also 3 Tage vor der heutigen Sitzung, der Nebenklagevertretung zugeschickt wurden, seien von Staatsanwaltschaft und Verteidigung bereits ausgewertet worden. Daher sei es das Problem der Nebenklageanwält:innen, dies bisher nicht geleistet zu haben.
Reaktionen der Nebenklageanwält:innen auf Staatsanwalt Christopher Bona
Başay-Yıldız wehrt diesen Vorwurf ab und betont, dass es nicht das Versagen der Nebenklageanwält:innen sei, innerhalb von 3 Tagen 100.000 Dateien nicht vollständig auswerten zu können. Es sei vielmehr ein Resultat der mangelhaften Ermittlungen durch die Polizei, dass die Auswertung der Datenträger erst parallel zur Hauptverhandlung und auch nur auf die Initiative von Başay-Yıldız hin begonnen wurde. Darüber hinaus antwortet sie, dass sie mit dem Ergebnis der Polizei Wuppertal durchaus leben könne – allerdings sei es sehr auffällig, dass der Polizei in anderen Verfahren oftmals eine einzige IS- oder PKK-Flagge ausreichen würde, um die Zugehörigkeit einer Person zu einer politischen Gruppe zweifelsfrei festzustellen. Warum werde aber in den vermeintlich ausgewogenen Berichten von Böttcher das Konsumieren rechtsextremer Inhalter in dutzenden Fällen stets als unpolitischer Einzelfall bewertet und nicht als Ausdruck einer politischen Gesinnung?
Nebenklageanwalt Zingal betont ebenfalls, dass es in der kurzen Zeit nicht möglich sei, so viele Daten auszuwerten. Nebenklageanwalt Radoslavov wirft Bona vor, von Başay-Yıldız kalt erwischt worden zu sein: Hätte er sich besser vorbereitet, hätte er feststellen können, dass die Nachbarin von Jessica B. der Polizei sehr wohl von rechtsextremen Äußerungen durch Daniel S. berichtet hat und dies nochmal vor Gericht angehört werden sollte, bevor sich Bona zu sehr darin einrichtet den Verdacht auf eine rechtsextreme Motivation von Daniel S. abzuwehren.
Der Brandsachverständige zum Brandanschlag des 5. Januar in der Normannenstraße Wuppertal findet Einschätzung der Polizei nicht nachvollziehbar
Daran anschließend wird der Brandsachverständige geladen, der im Juni 2025 im laufenden Prozess beauftragt wurde, um ein Gutachten zum Brand in der Normannenstraße anzufertigen – drei Jahre nach dem Brand vom 5. Januar 2022. Die dort von ihm erstellten Fotos ordnet er im Direktvergleich mit den von der Polizei nach dem Brand erstellten Fotos ein. Demnach sei die Kellertür zur Straße hin noch intakt, doch der Schließzylinder sei nach dem Brand ausgetauscht worden, weil die Tür von der Feuerwehr aufgebrochen werden musste. Er konnte weiter feststellen, dass die Kellertür zum Treppenhaus hin zum Beginn des Brandes geschlossen und irgendwann während einer bereits starken Rußentwicklung geöffnet worden war – ob durch die Feuerwehr oder andere Personen kann er nicht sagen.
Im weiteren Verlauf sagt er, dass zwei unabhängige Brandherde nur den Schluss zulassen, dass es sich zwingend um vorsätzliche Brandstiftung gehandelt habe, während defekte Elektroinstallationen im Keller als Brandquelle im höchstem Maße unwahrscheinlich seien. Der eine Brandherd befand sich unmittelbar am Kellerabteil des Nachbarn, den Daniel S. zuvor terrorisiert hatte (siehe Prozessbericht 16), während der andere Brandherd am Fuße der Kellertreppe zum Treppenhaus gelegt wurde. Auf die Frage, wie die Polizei auf einen Kabelbrand als Erklärung komme und ob es dafür irgendwelche Hinweise gäbe, antwortet der Brandsachverständige: Nein, das sei ihm „unverständlich“. Er wisse „nicht, wie man darauf kommen könnte“.
Anhörung der Ex-Partnerin von Daniel S., deren Auto mit Brandbeschleuniger begossen worden war
Zum Schluss wird Luisa Maria P. geladen und zu Daniel S. befragt. Sie kenne Daniel S. schon seit der 5. Klasse, war mit ihm von 2014-2019 in einer Beziehung und beschreibt ihn während der Schulzeit als ruhig und unauffällig. Als sie 2014 zusammengekommen sind, wohnte er bereits in der Solinger Grünewalder Straße, in welcher er 2024 vier Menschen ermordete und 21 Menschen schwer verletzte.
Neben zahlreichen Aussagen zu seinem Alltagsleben und seiner von Antriebslosigkeit geprägten psychischen Verfassung sagte Luisa Maria P., dass Daniel S. keinerlei politisches Interesse gehabt habe und vermutlich auch nicht an Wahlen teilgenommen habe. Rechtsextreme Auffassungen oder Aussagen habe sie nie beobachtet. Wenn es um Migrant:innen ging, habe er sich nie auffällig oder aggressiv verhalten und zu einer Familie mit Migrationsgeschichte in der Grünewalder Straße ein gutes Verhältnis ohne Konflikte gehabt. Staatsanwalt Bona fragt sie zum Brand ihres Autos und den zerstochenen Reifen: Entgegen ihrer ersten Aussage bei der Polizei wisse sie nicht mehr, ob sie erst mit Daniel S. den Kontakt abgebrochen habe und dann ihr Auto angezündet worden war oder umgekehrt. Bona fragt weiter, ob sich Daniel S. sich zur Flüchtlingswelle 2015/16 geäußert habe – dies sei schließlich ein Thema gewesen, das in allen Medien rauf und runter diskutiert worden war und damit kaum zu ignorieren gewesen sei. Doch auch hier beharrt Luisa Maria P. darauf, von rassistischen Äußerungen nichts mitbekommen zu haben. Richter Kötter fragt sie, ob sie mitbekommen habe, dass Daniel S. irgendwelche Dinge bestellt oder gebastelt habe, was sie ebenfalls verneint. Damit bezieht sich Kötter vermutlich auf die von Daniel S. im Darknet gekauften Waffen und selbstgebauten Brandsätze, die im Keller gefunden wurden.
Wie geht es weiter?
Die nächsten Termine sind am 25., 28. und 30. Juli 2025, wobei für den 28. Juli die Plädoyers und für den 30. Juli die Urteilsverkündung angestrebt wird.
Dabei ist nach wie vor unklar, wie sich Richter Kötter zu den Anträgen von Başay-Yıldız zur Unterbrechung des Prozesses um drei Wochen positionieren wird. Falls dem nicht stattgegeben wird, ist unklar, ob Başay-Yıldız und Zingal bei den Plädoyers und der Urteilsverkündung anwesend sein können. Es verhärtet sich der Eindruck, dass mit allen Mitteln versucht wird, lieber den Prozess schnell hinter sich zu bringen, als die Motivation des Täters sowie das mehrfache Versagen der Polizei ergebnisoffen und vollumfänglich aufzuklären.
Die Angehörigen und Überlebenden des Anschlags werden konsequent übergangen und müssen sich höchstwahrscheinlich den letzten Verhandlungsterminen ohne ihre Anwälte schutzlos stellen. Jegliche Kritik am unrühmlichen Verhalten der Polizei wird von der Staatsanwalt kategorisch und sehr emotional abgewehrt, ohne auch nur eine der zahlreichen offenen Fragen zu beantworten.
Hinweise auf die rechtsextreme Gesinnung des Täters werden unverfroren als „leidiges Thema” bezeichnet. Dies ist besonders bitter vor dem Hintergrund, dass bei einer rechtzeitigen Ermittlung der Brandursache in der Normannenstraße mit hoher Wahrscheinlichkeit der mörderische Brandanschlag vom 25. März 2024 hätte verhindert werden können.
