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Das Problem mit dem Faschismus-Begriff

Menschen, die sich gegen Neonazismus engagieren, bezeichnen sich selbst oft als „antifaschistisch“ oder sprechen von Faschismus. Andere finden das problematisch. Warum? Frank Sobich, Historiker der Universität Greifswald, erläutert die Unschärfen.

 

Interview mit Frank Sobich, Dozent am Historischen Institut der Universität Greifswald.

Menschen, die sich gegen Neonazis engagieren, bezeichnen sich selbst oft als „antifaschistisch“ oder sprechen von Faschismus, anderen gefällt das nicht. Was ist das Problem am Faschismus-Begriff?

Es gibt zwei Arten, den Begriff „Faschismus“ zu verwenden – als politischen Kampfbegriff und als Analysekategorie.

Als politischer Kampfbegriff wurde „Faschismus“ von marxistisch-leninistischen Strömungen der KPD geprägt. Problematisch daran ist die Verkürzung, die damit einhergeht: Der Faschismus-Begriff von Georgi Dimitroff meint, kurz gefasst: Schuld am Faschismus sind das Finanzkapital oder zumindest dessen reaktionären Teile. Diese Definition stammt aus den 1920er Jahren. Damals sah die sozialistische Arbeiterbewegung im Faschismus den Weg, den Untergang des Kapitalismus aufzuhalten. Sehr verkürzt war man also der Meinung, Faschismus sei ein Instrument der herrschenden Eliten gegen die Arbeiterbewegung. Und diese Interpretation, das wissen wir heute, ist zumindest verkürzt, z.T. auch einfach falsch. Weil diese Idee im „Faschismus“ als politischem Kampfbegriff mitschwingt, ist der für die heutige Bekämpfung neonazistischer Ideen ziemlich unbrauchbar. Übrigens ist auch „Antifa“ eine Wortschöpfung aus dem Umfeld der KPD.

Und wie ist es mit der analytischen Kategorie?

Auch als analytische Kategorie ist „Faschismus“ nicht unumstritten. „Faschismus“ beschreibt Gemeinsamkeiten der rechten politischen Strömungen in verschiedenen Ländern wie Italien, Österreich, Spanien, Portugal, Polen, Ungarn: Der Aufbau einer autoritären Ordnung, Ablehnung der parlamentarischen Demokratie wie auch der sozialistischen Arbeiterbewegungen und der monarchistisch-feudalen Ordnung, Ablehnung von Moderne und Emanzipation, Wunsch nach einem homogenen Staatsvolk und Betonung der nationalen Einheit, starker Imperialismus in der Außenpolitik. Dies trifft alles auch auf den Nationalsozialismus zu. Insoweit ist es gut begründbar, den Nationalsozialismus als faschistisches Regime zu bezeichnen, z.B als „Radikalfaschismus“.

Aber: Wenn der Nationalsozialismus unter „Faschismus“ subsummiert wird, wird gleichzeitig seine Besonderheit nivelliert: Das ist vor allem der Antisemitismus mit seinerKonsequenz, alle Menschen, die als Juden definiert wurden, systematisch zu vernichten. Dem „traditionellen“ Faschismus in Italien waren etwa Rassentheorien und Antisemitismus zunächst fremd, sie wurden erst später vom Nationalsozialismus übernommen.
Dafür war der Nationalsozialismus im Gegensatz zu anderen faschistischen Regimes nicht so staatsfixiert: Das Ziel der Nationalsozialisten war die Volksgemeinschaft, der Staat war nur ein Mittel.

Ein weiterer Unterschied: Der Faschismus war in Italien, Spanien und Österreich stark katholisch geprägt, die NSDAP dagegen war nicht nur kirchenfern, sondern revolutionierte sogar die Sexualmoral: Sexualität wurde positiv besetzt, und wenn es nur der Volksgemeinschaft diente, waren auch ledige Mütter oder Zweitfrauen für verdiente SS-Männer denkbar.

Der Begriff „Faschismus“ ist also schwierig, weil er so viele problematische Facetten wie die marxistisch-leninistische Ursachsen-Interpretation oder eine Holocaust-Relativierung enthalten kann, dass der Nutzer eigentlich immer erklären muss, wie er ihn meint. Gibt es bessere Begriffe für Menschen, die Ihr Engagement gegen solche Strömungen heute ausdrücken wollen?

Selbst im Begriff „Nationalsozialismus“ ist ja eigentlich eine Polemik gegen sozialistische Strömungen enthalten. Trotzdem taugt dieser Begriff noch am besten für die Kennzeichnung der zugrundeliegenden Ideologie, entsprechend auch die Kennzeichnung als Neonazis. Der Begriff „Rechtsextremismus“ ist zwar durchgesetzt, aber nicht hilfreich, weil er von einer imaginären politischen Mitte ausgeht. Wer aber definiert, wer dazu gehört und wer nicht?

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